"Ein Polizisten-Komplize des Mörders von Jonathan im Gefängnis! – Drei Agenten werden der Korruption verdächtigt, bei einem bestehen Verbindungen zum Drama von Lodelinsart", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "Eine Verbindung zwischen der tödlichen Hausdurchsuchung und einem der festgenommenen Polizisten", titeln Le Soir und Het Nieuwsblad. "Eine nationale Würdigung für Jonathan am Samstag in Basècles", meldet L'Avenir. Basècles im Hennegau ist der Ort, aus dem der getötete Polizist Jonathan stammt.
Die Leitartikel befassen sich allerdings mit anderen Themen, unter anderem mit der Entschädigung von Asbestopfern: Die N-VA-Kammerabgeordnete Valerie Van Peel will seit Langem, dass Asbestopfer auch dann noch vor Gericht ziehen können, wenn sie bereits eine Entschädigung vom sogenannten Asbestfonds in Anspruch genommen haben. Aber auch gestern ist sie im föderalen Parlament mit ihrem entsprechenden Gesetzentwurf gescheitert.
Der große Gewinner ist die Industrie
Auf mehr als Empathie können Van Peel und die Asbestopfer vonseiten der Vivaldi-Koalition nicht zählen, giftet De Standaard. Schon in den 1960er Jahren haben die Asbestproduzenten gewusst, dass Asbest schwer krebserregend ist. Aber sie haben alles getan, um das zu verheimlichen. Der Entschädigungsfonds kostet die Produzenten so gut wie nichts und schützt sie auch noch gegen Gerichtsverfahren: Wer die Entschädigung von höchstens ein paar zehntausend Euro aus dem Fonds akzeptiert, verpflichtet sich damit zum Schweigen. Kaum ein Politiker findet diese Regelung wirklich gerecht, aber etwas dagegen unternehmen wollen die meisten nicht. CD&V, Open VLD und Vooruit verschanzen sich hinter dem Scheinargument, dass so ein Vorgehen den ganzen Fonds gefährden würde. Die Grünen wiederum wollten sogar mit der Opposition zusammenarbeiten, um den Asbestopfern zu helfen – aber jetzt beharren sie auf einem eigenen Gesetzesentwurf. Der große Gewinner ist die Industrie, die wieder einmal billig davonkommt, ärgert sich De Standaard.
Eine Schande!
Acht Jahre, vier Abstimmungen, ein Gutachten des Staatsrates, mehrere Anpassungen des Gesetzestextes und immer noch keine Mehrheit in der Kammer – die Frustration bei Van Peel ist verständlich, hält Gazet van Antwerpen fest. Alle Parteien sind lieber stur ihrer jeweiligen Parteilinie gefolgt, für die Asbestopfer bleibt alles beim Alten. Der Asbestfonds, den die Regierung Verhofstadt 2007 zusammengebastelt hat, beschützt vor allem die Täter. Der Fonds wird außerdem zur Hälfte vom Staat gespeist, die andere Hälfte stammt von der gesamten Wirtschaft. Die Asbestproduzenten haben also nicht nur jahrelang wissentlich Menschen krank gemacht, sie zahlen auch nur lächerlich wenig in den Fonds ein und bitten stattdessen Steuerzahler und andere Betriebe zur Kasse. Ansonsten werden sie in Ruhe gelassen. Valerie Van Peel hat Recht: Die Abgeordneten sollten sich schämen!, donnert Gazet van Antwerpen.
Die Finanzierung des Asbestfonds ist in der Tat sehr eigenwillig, schreibt Het Belang van Limburg: Jedes Unternehmen muss einzahlen, Asbestproduzent Eternit zahlt also nicht mehr als alle anderen. Es ist offensichtlich nicht mehr selbstverständlich, dass der Verursacher für die von ihm angerichteten Schäden aufkommen muss. Zum Vergleich: Ein italienisches Gericht hat letztes Jahr den Besitzer einer Eternit-Fabrik, einen Schweizer Milliardär, zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Unsere Politiker haben sich damals von Eternit einwickeln lassen. Es wird höchste Zeit, alle früheren Vereinbarungen genau zu durchleuchten und nach Möglichkeit rückgängig zu machen, fordert Het Belang van Limburg.
Ein Beigeschmack von Klassenjustiz
Ebenfalls für Empörung sorgt dann eine Entscheidung des Polizeigerichts Lüttich, die dem Fußballer Sofian Kiyine die Aussetzung seines Urteils zugesprochen hat. Der Mittelfeldspieler von Oud-Heverlee Löwen hatte Ende März 2023 betrunken mit seinem Luxussportwagen die Mauer einer Sporthalle in Flémalle durchbrochen.
Es ist ein Wunder, dass Kiyine dabei kein Blutbad angerichtet hat, erinnert De Morgen. Nur Sekunden vorher hatten noch Dutzende Kinder genau dort trainiert, wo sein demoliertes Auto in der Sporthalle landete. So spektakulär wie der Unfall selbst ist nun auch die Entscheidung des Richters: Kiyine muss den entstandenen Schaden bezahlen, bekommt aber weder eine weitere Strafe noch einen Eintrag in seinem Strafregister. Dafür reichte es, dass er sich schuldig bekannt, Reue gezeigt und sich freiwillig gemeinnützig engagiert hat. Angesichts der immer weiter und zu Recht wachsenden Sensibilisierung der Gesellschaft gegenüber solchen Verkehrsdelikten wirft das Urteil Fragen auf. Natürlich stimmt es, dass jeder eine zweite Chance verdient. Aber wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass Kiyine sein Status als gutverdienender Fußballprofi und seine Netzwerke geholfen haben. Das Ganze hat einen Beigeschmack von Klassenjustiz, bemängelt De Morgen.
Es ist nicht das Verdienst von Kiyine, dass bei seiner Sufffahrt niemand gestorben ist, unterstreicht Het Laatste Nieuws. Man muss sogar sagen, dass er wohl einfach mehr Glück als Verstand gehabt hat. Jetzt kommt er mit einem Kater und einem Alkoholschloss davon, das er freiwillig installieren ließ. Damit will er zeigen, dass er aus seinen Fehlern gelernt hat, was vielleicht die überraschende Milde des Richters erklärt. Aber eine echte Bestrafung ist das nicht. Natürlich gehört Kiyine nicht hinter Gitter, da gibt es bessere Strafen. Aber ein deutliches Signal vonseiten des Gerichts wegen seines unverantwortlichen Fehlverhaltens wäre angebracht gewesen, findet Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt