"Drei Tage in seiner Zelle gefoltert, und niemand hat es bemerkt", titelt Het Nieuwsblad. "Tagelang gefoltert und vergewaltigt, weil er ein 'Pädophiler' ist – fünf Zellengenossen konnten unbemerkt tun, was sie wollten", so Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Zu viele Gefangene, zu wenige Wärter: Explosive Situation entgleist in tagelanger Folterung", schreibt De Standaard. "Direktorin entdeckt selbst tagelange Folterung von Gefangenem – Wärter merkten während der Kontrollen nichts, Gewerkschaften klagen Überbelegung an, Opposition fordert Rücktritt des Justizministers", ergänzt Het Laatste Nieuws.
Fünf Häftlinge haben im Gefängnis von Antwerpen einen Zellengenossen mit kochendem Wasser übergossen, sie haben ihn gezwungen, Exkremente zu essen, sie haben ihn grün und blau geschlagen, mit Rasierklingen verletzt und mit einem Besenstiel vergewaltigt, zählt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel auf. Ihre widerlichen Taten haben sie mit einem Smartphone gefilmt, das in die Zelle geschmuggelt worden war, und ins Internet gestellt. Die Gewerkschaften bestreiten, dass der Streik des Gefängnispersonals diese Entgleisung erst möglich gemacht hat. Für sie ist der Vorfall eine direkte Folge der Überbelegung der Gefängnisse und des Personalmangels im Gefängniswesen. Aber das beantwortet trotzdem nicht die Frage, wie das Treiben der Täter tagelang unentdeckt bleiben konnte. Die gerichtliche Untersuchung wird ans Licht bringen müssen, was genau passiert ist und wer wofür die Verantwortung trägt. Aber man muss wahrlich kein Kriminologe, Soziologe oder anderer Experte sein, um zu verstehen, dass der heutige Zustand unserer Gefängnisse ein fruchtbarer Boden ist für solche schweren Vorfälle, konstatiert Het Belang van Limburg.
Das Gefängniswesen hat versagt
Die Frage, welche Rolle die Überbelegung des Gefängnisses gespielt hat, ist nicht so wichtig, meint Gazet van Antwerpen. Eigentlich sind nur drei Fragen relevant: Wie ist es möglich, dass sich in einer so kontrollierten Umgebung wie einem Gefängnis tagelang solche Gräuel abspielen können? Sind die Taten wirklich unbemerkt geblieben? Und warum hat niemand eingegriffen? Aber egal, wie die Antworten auch ausfallen mögen, um eine Feststellung kommen wir nicht herum: Unser Gefängniswesen versagt. Nicht nur ein bisschen, sondern massiv, wettert Gazet van Antwerpen.
Sechs Häftlinge in einer Zelle, die auf drei ausgelegt ist, kommentiert Het Nieuwsblad. Fünf von ihnen foltern den sechsten über Tage unaufhörlich und auf bestialische Weise. Kein Wärter bemerkt etwas. Die Taten kommen erst ans Licht, als Aufnahmen davon im Internet zirkulieren und auch die Direktion des Gefängnisses erreichen. Ob der Justizminister es nun gerne hört oder nicht: So etwas ist sehr wohl eine Folge politischer Entscheidungen, das sind keine voreiligen Schlussfolgerungen, giftet Het Nieuwsblad.
Menschenwürdige Gefängnisse sind keine Priorität
Viele Bürger glauben nicht, dass sie selbst oder ihre Kinder mal im Gefängnis landen könnten, schreibt Het Laatste Nieuws. Aber damit liegen sie falsch: Auch Ärzte, Anwälte und Ex-Parlamentarier sitzen hierzulande hinter Gittern. Und niemand will ein neues Gefängnis in seiner Umgebung haben, gegen jedes entsprechende Vorhaben regt sich umgehend massiver Widerstand. Gleichzeitig fordern die Bürger immer strengere Strafen und dass auch kurze Haftstrafen ausgeführt werden. Dabei ist eine Gefängnisstrafe nicht immer die beste Strafe – nicht für die Häftlinge und auch nicht für die Gesellschaft. Manchmal sind Arbeitsstrafen besser oder elektronische Fußfesseln, wirft Het Laatste Nieuws ein.
Es war ein "Accident waiting to happen", ein Unfall mit Ansage, so De Standaard. Schon seit Jahren wird Belgien immer wieder wegen der unmenschlichen Zustände in seinen Gefängnissen international verurteilt. Aber auf der Prioritätenliste der Wähler stehen strenge Strafen eben weiter oben als menschenwürdige Gefängnisse, beklagt De Standaard.
Eine Beleidigung der Demokratie
La Dernière Heure befasst sich mit der Parteienfinanzierung: Gestern hatten die föderalen Abgeordneten die Chance, die Art und Weise zu ändern, wie sie öffentliche Gelder verschwenden. Aber sie haben sich dazu entschlossen, alles beim Alten zu lassen. Eigentlich hätte sich der parlamentarische Ausschuss für die institutionelle Erneuerung mit der Kontrolle der Wahlausgaben befassen sollen, mit der Finanzierung der Kommunikation über die Sozialen Netzwerke und den Einnahmen der Parteien aus Immobilien. Die Parteien der Mehrheit glänzten bis auf Ecolo-Groen durch Abwesenheit. Die Opposition war zwar anwesend, aber wenig interessiert. Die Folge: Das Quorum wurde verfehlt, die Sitzung wurde verschoben. Die Chancen, dass das Parlament noch vor den Wahlen, also noch in dieser Legislatur, an das Portemonnaie der Parteien geht, sind damit äußerst gering, ärgert sich La Dernière Heure.
Die Parteien haben nicht nur versagt, sie haben Schande über sich gebracht, wütet in diesem Zusammenhang Le Soir. Die Abgeordneten haben die Demokratie beleidigt, indem sie sich wieder einmal unfähig gezeigt haben, ihre Wahlversprechen einzulösen. Sie haben auch einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie zwar anderen Reformen aufzwingen können, bei sich selbst aber wesentlich weniger motiviert sind – insbesondere, wenn es darum geht ihre finanziellen Dotationen zu beschneiden. Damit haben sie auch die Einschätzung vieler Bürger bestätigt, dass Politiker vor allem mit sich selbst beschäftigt sind und dass ihnen beim Thema Geld der gesunde Menschenverstand abhandengekommen ist, empört sich Le Soir.
Boris Schmidt