"Schild&Vrienden-Prozess: Gefängnisstrafe für Ex-Parlamentarier", titelt das GrenzEcho zur Verurteilung von Dries Van Langenhove. "'Van Langenhove hat die anderen Angeklagten mitgezogen mit seinem rassistischen, hassschürenden Nazi- und Negationismus-Diskurs'", zitiert Het Nieuwsblad aus der Urteilsbegründung. "'Er wollte die Demokratie untergraben und durch eine weiße Vorherrschaft ersetzen'", so De Standaard. "Ein Jahr Gefängnis für Van Langenhove, eine 'historische' Entscheidung", liest man bei L'Avenir. "Van Langenhove geht in Berufung gegen einjährige Gefängnisstrafe", meldet Gazet van Antwerpen.
Das kriminelle Verhalten Van Langenhoves sei eine Bedrohung für das friedliche Zusammenleben, paraphrasiert De Standaard in seinem Leitartikel die Urteilsbegründung des Gerichts. Das belgische Parlament hat gesetzlich festgelegt, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen. Die Richter haben nun festgestellt, dass Van Langenhove diese Grenzen überschritten hat. Der Normalisierung der Hassrede wird damit deutlich das Signal gegeben: Bis hier und nicht weiter. Allerdings hat das Strafrecht auch die Aufgabe, Täter davon abzuhalten, ihr Verhalten zu wiederholen – dieses Ziel hat es bei Van Langenhove eindeutig nicht erreicht. Und so pervers es auch ist: Wie schon bei Geert Wilders und Donald Trump ist die Verurteilung für Dries Van Langenhove ein Geschenk, gibt De Standaard zu bedenken.
Die Justiz kann den Kampf nicht allein führen
In einer Zeit, in der die Van Langenhoves dieser Welt die Sozialen Netzwerke überschwemmen und sich jede Entgleisung erlauben, ist dieses Urteil wichtig und richtig, kommentiert Le Soir. Natürlich wird das Genter Gericht die Welle des Hasses im Internet nicht aufhalten. Elon Musk etwa hat Van Langenhove bereits öffentlich unterstützt. Aber das Gericht hat eine rote Linie aufgezeigt und ein starkes Signal gegeben. Das Urteil ist auch eine Warnung an die flämischen Parteien, die mit dem Gedanken spielen, gemeinsam mit dem Vlaams Belang zu regieren. Aber die Justiz kann den Kampf nicht allein führen, hierzu braucht es auch noch andere Mittel und Kräfte, warnt Le Soir.
Der Vormarsch der Rechtsextremen und ihrer hasserfüllten Botschaften kann aufgehalten werden, appelliert La Libre Belgique. Es gibt Lösungen, um diese simplistischen Parolen zu zerlegen, die unsere Werte und grundlegenden Rechte zu zerstören drohen. Eine dieser Lösungen wäre, das Thema Einwanderung politisch anzugehen, anstatt das Feld Parteien wie dem Vlaams Belang zu überlassen. Aber bisher haben die traditionellen Parteien dabei versagt, die Menschen davon zu überzeugen, dass Einwanderung uns kulturell und wirtschaftlich bereichert angesichts von Arbeitskräftemangel und Vergreisung. Dann ist da natürlich auch noch die Justiz: Sie muss alle Mittel ausschöpfen im Kampf gegen die Extremisten. Die Bildung sollte man ebenfalls nicht ganz vergessen als Instrument. Auch wenn sie immer mehr zum Opfer der Hölle der Sozialen Netzwerke und der Desinformation wird, bedauert La Libre Belgique.
Auch das Fußvolk ist gewarnt
Das Urteil ist auch ein wichtiges Signal an die Mitläufer Van Langenhoves, unterstreicht Het Nieuwsblad. Die Aussagen, die der Richter als so gefährlich eingestuft hat, haben ja nicht im luftleeren Raum stattgefunden. Die entsprechende Schild&Vrienden-Facebook-Gruppe hatte mindestens 750 Mitglieder, die Chat-Gruppe über 160. Fünf Mitangeklagte Van Langenhoves haben ebenfalls Strafen bekommen, wenn auch deutlich mildere. Ein sechster Angeklagter kommt straffrei davon, weil er Reue gezeigt hat für sein Verhalten. Das zeigt, dass auch Mitläufer zur Verantwortung gezogen werden können. Denn selbst "große Führer" sind nichts ohne Fußvolk, das ihnen blind folgt. Das hat die Geschichte bereits hinlänglich bewiesen, erinnert Het Nieuwsblad.
Kontraproduktiv oder wichtiger Erfolg?
Das Urteil könnte Van Langenhove noch mehr Rückhalt verschaffen, anstatt ihn aufzuhalten, meint La Dernière Heure. Es macht Van Langenhove zum Märtyrer. Für seine Anhänger und Systemkritiker war es ein "politischer Prozess", um die Worte von Vlaams-Belang-Chef Tom Van Grieken zu benutzen. Das Urteil gereicht also vielleicht unserer Justiz zur Ehre. Möglicherweise wird es sogar dazu beitragen, den Vlaams Belang wieder nicht salonfähig zu machen. Aber es wird nicht die Wut der 28 Prozent der Flamen stoppen, die für den Vlaams Belang stimmen wollen, befürchtet La Dernière Heure.
Für Van Grieken ist die belgische Justiz durch und durch verdorben und war der Prozess gegen Van Langenhove politisch motiviert, rekapituliert L'Avenir. Damit stellt der Vlaams Belang-Vorsitzende eines der Fundamente unserer Demokratie infrage. Das ist zynisches politisches Kalkül eines Parteipräsidenten, der auf der Erfolgswelle triumphaler Umfrageergebnisse surft. Für den Vlaams Belang macht eine Verurteilung Van Langenhove zu einem Opfer des Systems, ein Freispruch würde ihn zu einem Helden machen. Der Vlaams Belang gewinnt also so oder so – eine Taktik, die der Verschwörungstheorien eines Donald Trump würdig ist. Wird es dem Vlaams Belang gelingen, die flämischen Wähler damit hinters Licht zu führen?, fragt L'Avenir.
Dass nun – allen Sabotageversuchen des Angeklagten zum Trotz – ein erstinstanzlicher Schuldspruch herausgekommen ist, ist ein wichtiger Erfolg, schreibt das GrenzEcho. Rund drei Jahre nach der Causa Jürgen Conings zeigt sich, dass die belgischen Behörden nachhaltig sensibilisiert wurden. Die Koordinatorin einer der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die gegen Van Langenhove und Schild&Vrienden geklagt hatte, kommentierte das Urteil als Sieg für die Demokratie und den Rechtsstaat. Es zeige, dass orchestrierter Hass gegen Minderheiten hierzulande auch in geschlossenen Foren nicht toleriert werde. Dem ist nichts hinzuzufügen, so das GrenzEcho.
Boris Schmidt