"'Wer für Gleichheit und Freiheit ist, ist auch für Feminismus'", zitiert La Libre Belgique zum Internationalen Frauentag auf Seite eins eine Politikwissenschaftlerin. "'Vor allem muss die Rolle der Frauen sichtbarer gemacht werden'", liest man bei L'Echo aus einem Interview mit der Vorsitzenden des Verbands weiblicher Firmenchefs in Belgien. "'Wenn die Frauen stoppen, dann stoppt die Welt', sogar in Brüssel", so die Überschrift von L'Avenir zu einer großen Demonstration, die heute in Brüssel geplant ist.
Wenn sich die Geschlechterkluft weltweit so weiterentwickelt wie in den letzten 17 Jahren, dann wird es noch etwa 131 Jahre dauern, bis die Lücke zwischen Frauen und Männern geschlossen sein wird, kommentiert Gazet van Antwerpen. Nicht gerade eine hoffnungsvolle Botschaft zum 8. März, dem Internationalen Frauentag. So wie dieser Tag jedes Jahr begangen wird, bleibt auch die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern Jahr für Jahr eine Realität. 131 lange Jahre, bis Frauen gleich gut ausgebildet sein werden wie Männer, gleich oft arbeiten, den gleichen Lohn bekommen, gleich gesund sind und gleich viel politische Macht haben werden. Das Schlimmste ist, dass es vor fünf Jahren noch 108 Jahre waren, global betrachtet hat sich die Lage der Frauen also verschlechtert, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Geschlechtergleichheit ist kein Luxus
Het Belang van Limburg beleuchtet die Situation in Belgien: Laut Statistikamt hat die Zahl weiblicher Unternehmer um ein Fünftel zugenommen, beträgt der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern "nur" fünf Prozent und gehört Belgien zu den besten Schülern. Aber so hoffnungsvoll das klingt, lohnt sich ein genauerer Blick auf die Daten: Wenn sich der Trend wie gehabt fortsetzt, dann wird es noch bis 2081 dauern, bis es in Belgien gleich viele weibliche wie männliche selbstständige Unternehmer geben wird. Die Gehaltsunterschiede hängen stark von Sektor und Arbeitsverhältnissen ab: Im Privatsektor können weibliche Arbeiter bis zu 46,5 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Hinzu kommt eine lange Liste weiterer Benachteiligungen, von weniger extralegalen Vorteilen bis hin zu "Strafen" fürs Kinderkriegen. Geschlechtergleichheit ist kein unnötiger Luxus, sie ist ein wichtiger Motor für Fortschritt, Innovation und Wohlbefinden. Es wird höchste Zeit, dass wir das anerkennen und entsprechend handeln, fordert Het Belang van Limburg.
Seit fast 50 Jahren "feiern" wir den Weltfrauentag, erinnert La Dernière Heure. Und immer ist dieser bittere Beigeschmack des Scheiterns dabei. Aber so unvollkommen der Tag auch ist, so missbraucht, so missverstanden, weil der Kampf jeden Tag geführt werden muss – er bleibt auch 2024 nötig. Weniger wegen der Situation in Belgien selbst, sondern wegen der globalen Entwicklungen. Aber so stolz wir hierzulande auch wirklich sein können, es gibt noch viel zu tun: Zum Beispiel bei der Gewalt gegen Frauen, bei den Schwangerschaftsabbrüchen, bei der Teilzeitarbeit. Die jüngere Geschichte beweist auch wieder und wieder: Wir müssen wachsam bleiben, um das Erreichte zu schützen. Und an alle, die sich über die Existenz des Weltfrauentags aufregen: Wenn die Vereinten Nationen sogar Yoga und Hülsenfrüchten eigene Tage widmen, dann wird doch wohl bitte auch ein Tag seine Berechtigung haben, der der Hälfte der Menschheit gewidmet ist, oder?, so La Dernière Heure.
Kohärenz und Mittel? Fehlanzeige!
La Libre Belgique beschäftigt sich mit einem Vorstoß des föderalen Justizministers. Der will die Überbelegung der Gefängnisse vermindern, indem bestimmte Häftlinge, die eine Strafe von höchstens zehn Jahren verbüßen, ihre Strafe abwechselnd im Gefängnis und zu Hause absitzen können. Das wirft aus gleich mehreren Gründen Fragen auf: Zum einen würde so eine Maßnahme in komplettem Widerspruch stehen zum Gesetz, das vorschreibt, dass auch kurze Haftstrafen zwischen sechs und 24 Monaten ausgeführt werden müssen. Wäre es also nicht einfacher, dieses Gesetz einfach abzuschaffen? Der Vorstoß delegitimiert auch teilweise die Institution Gefängnis, denn es scheint vor allem darum zu gehen, den Unmut des Gefängnispersonals zu besänftigen. Der Wiedereingliederung von Häftlingen in die Gesellschaft ist so ein Vorgehen hingegen wohl kaum förderlich. Stattdessen sollte endlich ernsthaft mit der Umsetzung alternativer Strafformen begonnen werden. Zum Beispiel mit elektronischen Fußfesseln zu Hause, Wiedereingliederungszentren und Arbeitsstrafen. Beim Umgang mit den belgischen Gefängnisinsassen mangelt es mal wieder schlicht an Kohärenz und Mitteln, kritisiert La Libre Belgique.
Brussels Airlines bleibt ein Sorgenkind
De Standaard greift die jüngsten Geschäftsergebnisse von Brussels Airlines auf: Es klingt zwar toll und wie ein Grund zum Anstoßen, wenn von einem "Rekordergebnis" die Rede ist. Besonders nach fünf Jahren Verlusten. Aber darüber sollte man nicht ausblenden, dass Brussels Airlines das Sorgenkind der Lufthansa-Gruppe bleibt: Die Ergebnisse von Brussels Airlines liegen weiter deutlich unter denen der anderen Tochtergesellschaften.
Für die belgischen Angestellten ist das aber kein ausreichender Grund, nicht mehr Lohn zu fordern. Denn während der Pandemie haben sie auf Lohn verzichtet. Und es ist letztlich natürlich ihre Arbeit, die die jetzigen Ergebnisse ermöglicht hat. Das Problem ist aber eben, dass die Gewerkschaften im belgischen Kontext denken. Während ihre Chefs im internationalen Kontext der Lufthansa-Gruppe und ihrer anderen Tochtergesellschaften denken. Und beide Seiten haben – aus ihrer jeweiligen Sicht – recht, analysiert De Standaard.
Boris Schmidt