"Westen entsetzt über Nawalny, Russen dürfen nicht trauern", titelt De Morgen. "Westen alarmiert nach Fall von Awdijiwka", heißt es in der Schlagzeile von De Standaard. "Zwei Jahre nach Ausbruch des Kriegs bereitet sich Europa selbst auf Krieg vor", schreibt L'Avenir auf Seite eins.
Die Lage in Russland und im Krieg Russlands gegen die Ukraine beschäftigt die Zeitungen auch in ihren Leitartikeln. Gazet van Antwerpen stellt fest: Putin triumphiert gerade. Am Freitag ist sein größter politischer Rivale in Russland, Alexej Nawalny, im Straflager gestorben. Zwei Tage später meldet das russische Heer die Einnahme der strategisch bedeutenden Stadt Awdijiwka. Mit unveränderter Kaltblütigkeit setzt Putin damit seine Pläne um. Er profitiert dabei auch von Rissen in der Geschlossenheit, mit der der Westen die Ukraine am Anfang des Krieges noch unterstützt hatte. Wenn es aber ein Vermächtnis von Nawalny gibt, das der Westen jetzt beherzigen sollte, dann das: Passiv bleiben ist die schlechteste Option. Im aktiven Kampf gegen das Regime von Putin darf der Westen nicht nachlassen. Die EU muss die Ukraine wieder tatkräftiger unterstützen, fordert Gazet van Antwerpen.
Blumen als Zeichen
De Morgen notiert: Menschen, die Blumen an verschiedenen Orten für den verstorbenen Nawalny niederlegen - diese Bilder aus Russland geben Hoffnung. Sie zeigen, dass es sie noch gibt, die Menschen in Russland, die nicht einverstanden sind mit dem Regime von Putin. Und die es auch wagen, das zu zeigen. Der Westen sollte bei diesen Menschen ansetzen, um eine Veränderung in Russland zu erreichen. Viel zu lange hat der Westen sich diplomatisch korrekt verhalten gegen ein Regime, das man nicht als legitim bezeichnen kann. Die Opposition gegen Putin sitzt sowohl in Russland als auch im Ausland. Sie zu unterstützen ist ein Hebel, den der Westen jetzt betätigen sollte, betont De Morgen.
L'Avenir erinnert: Was vor zwei Jahren undenkbar erschien, ist gerade im vollen Gang: Europa bereitet sich auf Krieg vor. Überall wird aufgerüstet, alle europäischen Staaten erhöhen die Ausgaben für ihr Militär. Die Bedrohung, die von Russland und seinen Verbündeten ausgeht, war auf der Sicherheitskonferenz in München am Wochenende mit Händen zu greifen. Das ist verständlich und sicher sinnvoll. Es ist nur zu hoffen, dass dieser Aktivismus nicht auf dem Rücken der Ukraine ausgetragen wird. Sie muss weiter mit Waffen versorgt werden, unterstreicht L'Avenir.
Schöne neue Magnette-Welt
Het Laatste Nieuws schaut auf den Kongress der frankophonen Sozialisten gestern in Brüssel. Auf dem hatte PS-Chef Paul Magnette unter anderem Punkte aus dem Wahlprogramm seiner Partei präsentiert. Das ist ein schönes Land, das Magnette uns vorgestellt hat, schreibt die Zeitung. Ein Land, in dem wir zum Beispiel nur 32 Stunden arbeiten und trotzdem so viel verdienen wie bisher. In dem es viel Urlaub und freie Zeit geben soll für Kinder, Familie, die Pflege der alten Eltern oder auch nur die eigene Erholung. Alles zu schön, um wahr zu werden. Denn die Unternehmen werden diese Traumbilder nie und nimmer finanzieren können. Auch der Staat wird das nicht können. Diese Vorhaben der PS sind einfach nur unrealistisch, wertet Het Laatste Nieuws.
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich, gibt aber zu bedenken: Als "reines Geschwätz" oder mit einem "zu schön, um wahr zu sein" sollte man diese Pläne nicht abtun. Wir erinnern uns: Im Sommer 2022 setzte die PS ihre Langzeitforderung durch, den Mindestlohn auf 1.500 Euro anzuheben. Ähnliches könnte auch mit den neuen Vorhaben geschehen. Deshalb werden nicht nur die Wahlen spannend werden, sondern auch die Koalitionsverhandlungen für eine neue Föderalregierung, weiß Het Belang van Limburg.
Vielleicht mal ausprobieren …
Het Nieuwsblad überlegt: Vielleicht sollte man die Wallonen die PS-Pläne einfach mal ausprobieren lassen. Einen ersten Feldversuch in der Wallonie gibt es schon, und in Flandern würden die Pläne einer 32-Stunden-Woche und so weiter wegen zu weniger Arbeitskräfte sowieso nicht funktionieren. Eine neue Föderalregierung könnte beschließen, die Zuständigkeit für den Arbeitsmarkt den Regionen zu übertragen. Dann könnten die Wallonen testen, ob sie durch die PS-Pläne mehr Menschen zum Arbeiten bewegen können, schlägt Het Nieuwsblad vor.
La Libre Belgique sorgt sich um die Lage im Gazastreifen: Noch ist die Situation ruhig in der Stadt Rafah ganz im Süden von Gaza. Doch das könnte sich bald ändern. Denn Israel hält weiter an seinen Plänen fest, eine große Militäroperation in Rafah auszuführen. Ein neues Drama zeichnet sich dort ab für die Zivilbevölkerung. Es sei denn, Ägypten würde tatsächlich seine Grenze öffnen und die Zivilisten bei sich aufnehmen. Offiziell will Ägypten das nicht machen. Aber vielleicht arbeitet man dort an einem Plan B, der eine Flucht der Zivilisten vor dem Krieg doch noch ermöglichen könnte, hofft La Libre Belgique.
Kay Wagner