"Mubarak will nicht weichen", titeln heute gleichlautend Het Nieuwsblad, Gazet van Antwerpen und De Morgen. Auch La Libre Belgique und Le Soir sind sich in der Sache einig: "Mubarak fordert das Volk heraus", meint Le Soir auf Seite 1, für La Libre "schürt Mubarak die Wut".
Der ägyptische Präsident hat sich am Abend erneut in einer Fernsehansprache an sein Volk gewandt. Trotz anderslautender Gerüchte will Mubarak aber bis zu den Neuwahlen im September im Amt bleiben. Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz reagierten erbost. Sie bleiben dabei: Einzige Alternative für sie ist ein Abgang des Pharaos.
Mubarak klammert sich an die Macht
Dazu stellt La Libre Belgique fest: Allein das Gerücht über einen Rücktritt von Mubarak mobilisiert in Kairo gleich wieder die Massen. Die Menge auf dem Tahrir-Platz war mit einem Mal kompakter denn je. Zwar macht Mubarak weitere Zugeständnisse - so tritt er einen Großteil seiner Macht an seinen Vizepräsidenten ab - seine Gegner werden aber erst ruhen, wenn es ein wirklich starkes Zeichen gibt. Und das kann allein sein offizieller Rücktritt sein.
Die Jugend und "ihre" Revolution
Auch die Wochenzeitschrift Le Vif express widmet den Ereignissen am Nil ihren Kommentar. Unglückspropheten warnen im Falle eines Rücktritts von Mubarak vor Chaos in Ägypten, doch ist das durchaus vermeidbar, meint das Blatt. Es sind schließlich nicht Islamisten gewesen, die die Revolte angestoßen haben. Vielmehr war es die Jugend des Landes. Und die jungen Leute sind bestimmt nicht auf die Straße gegangen, um eine Diktatur durch eine andere zu ersetzen. Dem mitunter scheinheiligen Westen sei gesagt: Es gibt neben Islamismus und Diktatur noch einen dritten Weg.
Die ägyptische Jugend, die mit Mut und Entschlossenheit gegen die herrschende Klasse auf die Straße gegangen ist, will sich ihre Revolution mit Sicherheit nicht stehlen lassen, meint Le Soir. Weder von bärtigen Radikalen, noch von der Armee. Doch vor allem diese Gefahr ist gegeben: Sollte nicht bald Ruhe einkehren, dann könnte sich die Armee dazu berufen fühlen, die Kontrolle zu übernehmen. Das wäre schließlich nicht das erste Mal.
Chancen
Die arabische Revolte ist im Wesentlichen ein Aufstand der Jugend, notiert auch De Morgen. Die Frage ist allerdings, wie man damit umgeht. Wenn eine Regierung diese jugendliche Energie in vernünftige Bahnen lenken kann, dann kann das zu einem fantastischen Motor für Entwicklung und sozialwirtschaftliches Wachstum werden. Ignoriert man demgegenüber die jungen Leute, dann schürt man damit ein erschreckendes Maß an Frustration, was quasi zwangsläufig zu Radikalismus und Fundamentalismus führt. Die internationale Gemeinschaft sollte sich dieser Verantwortung bewusst sein.
Bleibt das System im Sattel? Droht Chaos oder doch ein Militärputsch, vielleicht sogar eine Machtergreifung durch Islamisten? Eins ist sicher, analysiert Het Nieuwsblad: Die Ägypter verdienen, bei allen Fragezeichen, eine Chance, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie haben das Recht, zu versuchen, es besser zu machen.
Demonstrative Einmütigkeit bei den Frankophonen ...
Innenpolitisch setzt Informateur Didier Reynders heute seine Konsultationen fort. Gestern hatte er die Vorsitzenden von PS, cdH und Ecolo zu einem gemeinsamen Treffen empfangen. Vertreter dieser drei Parteien, die ja in den letzten sieben Monaten an den Verhandlungen beteiligt waren, verkündeten nach der Unterredung demonstrativ, alle vier frankophonen Parteien, also auch die MR, seien in wesentlichen Punkten einer Meinung.
Das darf nicht verwundern, notiert dazu La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. PS, cdH und Ecolo wollten damit klar machen, dass sie mitnichten die Absicht hatten, die Interessen der Frankophonen zu verraten. Aber auch sonst war die gestrige gemeinsame Sitzung der vier frankophonen Parteien von Bedeutung: Bei einer so tiefgreifenden Staatsreform, wie sie wohl ansteht, ist es wichtig, dass wirklich alle im Boot sitzen. Ansonsten herrscht die Angst, die nicht beteiligten Parteien könnten den anderen etwaige Zugeständnisse vorwerfen und das dann an der Wahlurne vergolden.
… oder der Beweis für deren Doppelzüngigkeit?
Einige flämische Zeitungen deuten das gestrige Treffen der Frankophonen anders. Gazet van Antwerpen etwa hebt eine Aussage von Didier Reynders hervor. Demnach hat er nach eigenen Worten festgestellt, dass es eine erhebliche Kluft gibt, zwischen dem, was in der Vande Lanotte-Note steht, und dem, was PS, cdH und Ecolo sagen. Das ist im übrigen auch Bart De Wever nicht entgangen, wie Het Laatste Nieuws auf Seite 1 unterstreicht. Der N-VA -Chef sieht darin den Beweis für die Doppelzüngigkeit der Frankophonen. Sein Fazit: Wenn die Frankophonen am 5. Januar "Ja" zur Vande Lanotte-Note gesagt haben, dann meinten sie eigentlich "Nein".
Neuwahlen!
Kommentierend meint dazu Het Belang van Limburg: Jetzt ist es also amtlich - Die Frankophonen waren einzig darauf bedacht, den Flamen den Schwarzen Peter zuzuschanzen. Ihr "Ja" zur Vande Lanotte -Note war nur Fassade. Verwundern darf das nicht. Was in Brüssel dargeboten wird, ist seit Monaten nichts anderes als ein Schmierentheater. Das hat sich auch unter Informateur Reynders nicht geändert. Längst sind sich alle einig: Es wird Neuwahlen geben, nur aussprechen will das niemand.
Le Soir sieht das ähnlich und spekuliert sogar schon über ein Datum. Das Blatt formuliert es in einer Frage: "Haben Sie eigentlich schon etwas vor am Sonntag, dem 22. Mai?"
Bild: epa