"Vor uns liegt eine Woche voller Protestaktionen und Streiks", titelt Het Nieuwsblad. "Die Bauern drohen immer noch, das Land lahmzulegen", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Nach einer bewegten Woche wollen die Landwirte sich und auch der Politik sowie dem Einzelhandel jetzt mal eine Atempause gönnen. Neue, größere Protestaktionen sind jedenfalls zunächst nicht geplant. Sollte sich aber in den nächsten Tagen nichts bewegen, dann könnten die Proteste schnell wieder aufflammen. Streiks drohen aber auch in anderen Sektoren, so etwa in einigen Dienstleistungsschecks-Unternehmen, in den Gefängnissen des Landes oder bei Bpost.
Immerhin haben aber die Traktoren die Straßen erstmal wieder geräumt, konstatiert De Standaard in seinem Leitartikel. Wobei man fast davon ausgehen kann, dass die Bauern noch nicht ihr letztes Wort gesprochen haben. Denn deren Situation ist in vielen Fällen so prekär, dass kleinere Korrekturen wohl nicht ausreichen werden, um wirklich Abhilfe zu schaffen. Das Grundproblem ist nämlich, dass die Landwirte - zumindest was ihren Einfluss angeht - das schwächste Glied in der Kette sind. Die anderen Akteure sind wesentlich mächtiger, namentlich die Nahrungsmittelindustrie, die Großhändler und die Verkäufer. Die wiederum reichen die heiße Kartoffel weiter an die Verbraucher, die schlicht und einfach keine höheren Preise für ihre Nahrungsmittel bezahlen wollen. Hier sei eine Frage erlaubt: Seit wann entscheidet der Konsument, wie viel Geld er zu geben bereit ist?
Politische Verlierer
Einige Leitartikler fragen sich, welche Partei bislang am meisten politisches Kapital aus den Bauernprotesten schlagen konnte. Für Het Laatste Nieuws steht die CD&V bislang als der Gewinner da. Insbesondere dem flämischen Landwirtschaftsminister Jo Brouns ist es gelungen, sich erfolgreich auf die Seite der Landwirte zu schlagen. Der CD&V-Politiker hatte ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Bauern, zeigte viel Empathie und konnte das auch überzeugend herüberbringen. Auch Premierminister Alexander De Croo konnte einige Erfolge verbuchen, indem er etwa die belgische EU-Ratspräsidentschaft nutzte, um die Landwirte und die EU-Kommission an einen Tisch zu bringen. Zu den Verlierern gehört derweil die N-VA. Die flämische Umweltministerin Zuhal Demir beschränkte sich wieder mal darauf, die Schuld der EU bzw. der Föderalregierung in die Schuhe zu schieben. Und N-VA-Chef Bart De Wever warf den Bauern vor, der Wirtschaft zu schaden.
Het Belang van Limburg sieht derweil auf politischer Seite ausschließlich Verlierer. Bei der N-VA besteht kein Zweifel. Während Bart De Wever die Bauernproteste pauschal verurteilte, sang Zuhal Demir ihr altbekanntes Liedchen von der bösen EU und der angeblich unfähigen Vivaldi-Regierung. Doch auch die CD&V konnte hier nicht wirklich punkten. Denn auch den Christdemokraten gelang es nicht, die Bauern von der Notwendigkeit eines Stickstoffabkommens zu überzeugen. Nein, die Bauern sind immer noch wütend auf alle. Doch davon kann man sich nichts kaufen. Die reine Wut führt zu nichts.
Dialog statt Spielchen
Het Nieuwsblad warnt seinerseits vor vermeintlich einfachen Lösungen. Die Landwirte haben für ihre Proteste einen sehr günstigen Zeitpunkt gewählt. Für die Parteien ist die Versuchung groß, die Bauern mit simplen Parolen vor ihren Karren spannen zu wollen. Insbesondere die Stickstoff-Problematik ist aber viel zu komplex für derlei Spielchen. Denn hier geht es doch schließlich um die Qualität der flämischen Böden. Vielleicht wäre es besser, wenn man die Landwirte gleich mit den Umweltverbänden an einen Tisch bringen würde, so ein bisschen nach dem Vorbild des belgischen sozialen Dialogs. So könnte man wohl wesentlich mehr erreichen als durch die üblichen politischen Kabbeleien.
"Teurere Parkplätze für SUV? Belgien denkt drüber nach", bemerkt derweil La Dernière Heure auf Seite eins. In Paris wurde ja gestern eine bemerkenswerte Volksabstimmung abgehalten. Darin ging es eben um die Frage, ob die Parktarife für große Geländewagen drastisch angehoben werden sollen. "Wenn überhaupt, dann sollte man das Ganze auch klar und deutlich formulieren", mahnt La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. In der Fragestellung war lediglich von "schweren, sperrigen und umweltschädigenden Fahrzeugen" die Rede. Man wollte es offensichtlich vermeiden, SUV ausdrücklich ins Visier zu nehmen. Das kann aber für erhebliche Verwirrung sorgen. Selbst kleinere Elektrofahrzeuge sind wegen ihrer Batterien oft schwerer als große Verbrenner. Anderes Beispiel: Moderne SUV sind mitunter sparsamer als ältere Kleinfahrzeuge. Anderes gesagt: Wenn man schon in Belgien dem Pariser Beispiel folgen will, dann sollte man die Dinge klar benennen.
Keine Verkehrswende ohne Alternativen
Im Grunde laufen solche Diskussionen immer auf dieselbe Feststellung hinaus, glaubt Gazet van Antwerpen. Ob es nun um SUV geht oder um den Stellenwert des Autos insgesamt in unserer Gesellschaft, ab einem gewissen Punkt stellt sich immer die Frage nach den zur Verfügung stehenden Alternativen. Leider kann man aber nur feststellen, dass die nationale Eisenbahngesellschaft SNCB und auch die öffentlichen Nahverkehrsbetriebe diesen Herausforderungen nach wie vor nicht wirklich gerecht werden. Die Fahrgäste scheinen immer noch viel zu oft nebensächlich zu sein. Hier bedarf es endlich einer breiten Debatte. Und man macht es sich zu einfach, wenn man das Ganze reduziert auf einen Konflikt zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Denn solche Scheingefechte sorgen allein für mehr Stillstand, auch auf den Straßen.
Roger Pint