"Landwirte: Wird der Aufruf der Gewerkschaften zur Ruhe von den Demonstranten gehört werden?", fragt Le Soir auf Seite eins. "Sympathie oder Kontroverse? Bauernprotest am Scheideweg - Blockaden kosten Wirtschaft 100 Millionen Euro", schreibt das GrenzEcho. "Bauernaufstand: 'Wir dürfen unsere Nahrungsmittelversorgung nicht einfach aus den Händen geben", liest man bei L'Echo. "Bauern öffnen ihren Geldbeutel: 'Ich arbeite zehn Stunden pro Tag und kann nichts sparen'", klagt ein Landwirt bei Het Nieuwsblad.
Wir haben sie gesehen. Wir haben sie gehört. Die Bauern haben ihren Punkt gemacht, so Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Aber jetzt reicht es auch, die Kosten für die Gesellschaft steigen und steigen, die Stimmung der Bürger ist im Begriff zu kippen. Dennoch macht ein harter Kern von Bauern weiter, der sich von den Rechtsextremen vor den Karren hat spannen lassen. Dabei interessiert die das Schicksal der Landwirte eigentlich gar nicht. Sie wollen einfach nur Chaos säen. Die Bauern müssen begreifen, dass das Verständnis für ihre Anliegen Grenzen hat, dass eine Linie überschritten wird, wenn aus Protest die Geiselnahme eines ganzen Landes wird. Denn das ist es, was wir seit Tagen sehen. Wer jetzt noch weitermacht mit Blockaden und anderen harten Aktionen, schadet langfristig den Interessen der Bauern, warnt Het Nieuwsblad.
Regeln für die Landwirtschaft sind richtig und notwendig
Jeder Bauer, der zu Wort kommt, macht seinem Unmut über etwas anderes Luft, stellt De Standaard fest. Was aber immer wieder durchschimmert, das ist der Wunsch, sie "doch einfach machen zu lassen" und sie nicht mit den ganzen Regeln und Auflagen zu behelligen. Aber warum gibt es denn die ganzen Regeln überhaupt? Weil viele Bauern in den letzten Jahrzehnten auf Abwege geraten sind. Sie haben ihre Tiere mit Antibiotika und Hormonen vollgepumpt, sie haben bei Nacht und Nebel Mist verteilt, sie haben mit Chemie die Böden erschöpft, sie haben Schweine und Hühner in viel zu kleine Käfige gepfercht. Es gab nur eine einzige Richtung: größer, intensiver, mehr Chemie.
Wirklich profitiert haben davon aber nur wenige Bauern. Deswegen ist die Forderung nach einer Abschaffung der Regeln auch falsch. Ohne Schutzmechanismen rast die Landwirtschaft in den ökologischen Abgrund. Wenn es den Bauern ernst ist mit ihrem Wunsch nach Veränderung, dann muss es ihnen darum gehen, ihr Land zu retten - vor Auslaugung, vor Dürre und vor Sturzfluten, meint De Standaard.
Kleinere und Bio-Betriebe können nicht die Zukunft sein
Die europäischen Bauern werden von allen Seiten in die Zange genommen, kommentiert De Tijd: Auf der einen Seite ist die unerbittliche Dynamik des Welthandels, auf der anderen die Lawine an Gesetzen und Regeln, die sie zu grüner und nachhaltiger Landwirtschaft verpflichten. Und dann sind da noch die Verbraucher, die an einen Überfluss billiger Nahrungsmittel in den Supermärkten gewohnt sind. Die Lösungen für dieses Dilemma müssen aus allen Richtungen kommen. Und aller Romantik zum Trotz ist eine Vergrößerung der Betriebe die einzig gangbare Option. Die Zukunft der europäischen Landwirtschaft kann nicht in kleineren oder Bio-Betrieben liegen. Europa muss sich aber auch kritisch mit seinem Green Deal auseinandersetzen: Das Ziel stimmt ja, aber der Weg dorthin richtet unnötige Schäden in überlebenswichtigen Sektoren an. Außerdem muss Europa seine Märkte besser gegen landwirtschaftliche Importe von außen schützen. Sonst werden die Klima-Probleme letztlich exportiert und wir schaden uns nur selbst, ist die Wirtschaftszeitung De Tijd überzeugt.
L'Avenir greift die Spannungen zwischen Bauern und Supermarktketten über fairere Preise für landwirtschaftliche Produkte auf: Wenn sowohl die Konzerne als auch die Verbraucher einheimische, sprich belgische Produkte bevorzugen würden, wäre das schon mal ein wichtiger erster Schritt zu einer Lösung des Problems. Aber selbst dann müsste noch ein "gerechter" Preis für die Produkte gefunden werden. Der Handel ist allerdings nicht bereit, seine Gewinnmargen zu reduzieren - mit der Begründung, dass er so Verlust machen würde. Also würde sich jede Preiserhöhung unweigerlich im Einkaufswagen der Konsumenten niederschlagen. Die eigentliche Frage lautet also: Sind wir als Verbraucher bereit, mehr für die Produkte unserer Bauern zu bezahlen? Angesichts der aktuellen Margen unserer Portemonnaies kann nur eine substanzielle und direkte europäische Hilfe diese unmögliche Gleichung lösen, meint L'Avenir.
Enabel-Büro in Gaza: Zufall oder Rache?
Jenseits der Bauernproteste sorgt dann aber auch die Zerstörung eines Gebäudes im Gazastreifen für Wirbel. In dem Gebäude war unter anderem das Büro der belgischen Entwicklungsagentur Enabel untergebracht. Belgien hatte deswegen am Freitag die israelische Botschafterin einbestellt.
Die Zerstörung des Gebäudes illustriert auf sehr symbolische Weise das brutale Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen, schreibt Le Soir. Von den knapp 440.000 Wohnungen, die es vor dem jüngsten Krieg im Gazastreifen gab, sind nach Schätzungen des Wall Street Journal mittlerweile 300.000 zerstört oder beschädigt worden. 27.000 Palästinenser sind tot, unzählige weitere verletzt. Hinzu kommen Hunger und andere Entbehrungen. Der Internationale Gerichtshof geht sogar davon aus, dass in Gaza die Gefahr eines Genozids besteht. Zahlreiche Länder haben dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten die Unterstützung entzogen, weil Mitarbeiter des Hilfswerks am grausamen Massaker der Hamas am 7. Oktober und anderen terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen sein sollen. Einige Länder unterstützen das Hilfswerk aus lobenswerten humanitären Gründen aber weiter, darunter auch Belgien. Wir können nur hoffen, dass diese Entscheidung nichts mit der Zerstörung des Enabel-Büros zu tun hatte, so Le Soir.
Der Gazastreifen ist mittlerweile so gut wie unbewohnbar geworden, konstatiert De Morgen. Das befeuert die Fantasien einiger Extremisten in der israelischen Regierung, die Palästinenser zu vertreiben und über die Grenze in die Wüste zu schicken. Aber sie irren sich, wenn sie glauben, dass das eine Lösung sein kann. Je weiter ein Volk zurück in die Steinzeit bombardiert wird, desto mehr machen die Menschen Widerstand zum Kern ihrer Identität. Notfalls, indem sie Steine der Ruinen ihrer Häuser werfen, das hat schon die Intifada bewiesen. Israel hat zwar ein Recht auf Selbstverteidigung gegen den Hamas-Terror, aber durch seine rücksichtslose Taktik der verbrannten Erde bereitet Israel nur den Boden für die nächste Terroristen-Generation. Die einzige Lösung, um diesen Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen, ist die Schaffung eines lebensfähigen Palästinenserstaats neben Israel, mit gegenseitigen Sicherheitsgarantien, appelliert De Morgen.
Boris Schmidt