Regierung muss eingreifen
"Die Regierung am Krankenbett des Rahmentarifabkommens", so lautet heute die Schlagzeile von L'Echo. Nachdem zwei der drei großen Gewerkschaften den Entwurf eines neuen Rahmentarifabkommens abgelehnt haben, muss jetzt die Regierung eingreifen. Hier stehen sich zwei Lager gegenüber, wie unter anderem L'Echo hervorhebt: Die flämischen Liberalen OpenVLD verlangen, dass den Sozialpartnern der bisherige Entwurf unverändert aufgezwungen wird; allen voran die PS will auf die Einwände und Forderungen der Gewerkschaften eingehen.
Das Dilemma der PS
Die PS ist in einer heiklen Lage", meint dazu Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Im Gegensatz zur flämischen SP.A ist die PS Teil der geschäftsführenden Regierung. Nicht auf die Einwände der FGTB - und damit einem großen Teil ihrer Wähler einzugehen, wäre viel zu riskant; im kommenden Jahr stehen Gemeinderatswahlen an, ganz zu schweigen von möglichen vorgezogenen Parlamentswahlen. Eins muss aber klar sein: Neben der politische Instabilität kann sich das Land definitiv nicht auch noch soziale Unruhe erlauben.
Hardliner geben den Ton an
De Morgen bedauert, dass es so weit kommen musste. Die Einigung, die die Sozialpartner Mitte Januar erzielt hatten, war ein Vorbild an Verantwortungsbewusstsein und Kompromissbereitschaft. Dass der Entwurf abgeschossen wurde, ist ein Zeichen an der Wand. Es scheint in diesem Land unmöglich zu werden, einen Kompromiss zu erzielen, ohne gleich von den radikalsten Elementen der Basis in Geiselhaft genommen zu werden. Eine gesellschaftliche Debatte, in der allein die Hardliner die Richtung vorgeben und die gemäßigten Stimmen schweigen, wird aber nie zu einem Abkommen führen.
Ein Kniefall
Wer jetzt an dem Entwurf herumwerkeln will, der vollzieht eigentlich nur einen Kniefall vor den Neinsagern, notiert auch De Standaard. Man tut damit noch denjenigen einen Gefallen, die den Entwurf zwar unterschrieben, aber nicht vor ihrer Basis verteidigt haben. Und auf der anderen Seite werden mit Namen die Arbeitgeber und die CSC für ihr Verantwortungsbewusstsein bestraft. Wenn man hier etwas einreißen lässt, dann wird auf Dauer das Erzielen eines Rahmentarifabkommens unmöglich.
Die Haltung der PS in dieser Akte könnte darüber hinaus Signalwirkung haben, fügt De Standaard hinzu. Sollten die frankophonen Sozialisten mehr verlangen als nur kleine Korrekturen, dann würde das darauf hindeuten, dass die PS sich auf Wahlen vorbereitet.
Reynders' zweigleisige Methode
Informateur Didier Reynders sucht unterdessen nach wie vor nach einem Ausweg aus der innenpolitische Krise. Nach Informationen von Le Soir erwägt der scheidende MR-Vorsitzende, bei den Regierungsverhandlungen künftig zweigleisig zu verfahren. Demnach sollte man über die zwei Kernpunkte getrennt verhandeln, also auf der einen Seite über institutionelle Fragen, und auf der anderen Seite über die sozialwirtschaftlichen Herausforderungen.
Die Grünen im Abseits
Mittlerweile, so berichtet La Libre Belgique auf Seite 1, bereiten die Grünen ihren Abgang vor. Sollten die Verhandlungen wieder in Gang kommen, dann wären Ecolo und Groen! wohl nicht mehr am Verhandlungstisch, glaubt das Blatt zu wissen. Auf der einen Seite sind sie längst nicht von allen erwünscht, auf der anderen Seite sind die Grünen aber auch nicht wirklich an einer Regierungsbeteiligung auf föderaler Ebene interessiert.
Frittenrevolution
In der Zwischenzeit rückt der Tag näher, an dem Belgien den Weltrekord in puncto Regierungsbildung einstellt. Der 17. Februar ist Tag 249 nach der Wahl. Da das Land erwiesenermaßen bis dahin keine Regierung habe wird, hat Belgien damit länger gebraucht als der Irak. Wie unter anderem L'Avenir und Het Laatste Nieuws berichten, wollen einige Studenten diesen Tag auf besonderen Weise begehen: Sie wollen zur Frittenrevolution aufrufen.
Die Wünsche der DG
Apropos Innenpolitik und Staatsreform: Fast alle flämischen Zeitungen widmen heute den Forderungen der DG ihre Aufmerksamkeit. Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz bekräftigt dabei noch einmal den Wunsch der Deutschsprachigen nach einer vollwertigen vierten Region.
Der Tod einer Politikerin…
In Flandern sorgt indes weiter der Krebstod der ehemaligen Vlaams Belang-Politikerin Marie-Rose Morel für Schlagzeilen. Allen voran die populären Massenblätter Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad widmen dem frühen Tod der 38-jährigen ehemaligen Miss Flandern mehrere Sonderseiten. Die Berichterstattung ruft aber auch kritische Töne hervor. Zunächst in der frankophonen Presse, wo etwa La Libre Belgique feststellt, dass die Betroffenheit über den Tod der schönen Marie-Rose offensichtlich den cordon sanitaire vergessen lässt, also die Bannmeile um den rechtsextremen Vlaams Belang. Doch auch der flämische Morgen wundert sich über die enorme Aufmerksamkeit, die die flämische Presse dem Tod von Marie-Rose Morel entgegenbringt.
…oder einer Frau mit Vorbildcharakter
Het Laatste Nieuws scheint sich in seinem Leitartikel schon fast zu entschuldigen: Marie-Rose Morel steht im Grunde für unzählige Frauen, Männer und Kinder, die tagtäglich dasselbe Schicksal ereilt. Der Tod von Marie-Rose Morel ist denn auch kein politisches Ereignis. Vielmehr war die junge Frau mit ihrem eisernen Überlebenswillen ein Vorbild für viele. Marie-Rose hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Aber das soll denjenigen, die jeden Tag mit demselben Schicksal konfrontiert sind, nicht die Hoffnung nehmen.
Le Soir und das drohende Chaos
Le Soir und La Libre Belgique schließlich widmen sich beide in ihren Leitartikeln noch einmal der Situation in Ägypten. Le Soir stellt fest, dass es sich, wie auch schon in Tunesien, um eine Revolution ohne wirkliche Leitfigur handelt. Das schwächt die Revolte, weil nicht wirklich ein Gegenentwurf angeboten wird. Für La Libre Belgique darf das aber nicht bedeuten, dass Mubarak im Amt bleiben muss, um Chaos zu vermeiden. Es ist umgekehrt: Chaos kann nur verhindert werden, wenn Mubarak geht.