"Der Sinneswandel von Charles Michel", titelt Le Soir. "Charles Michel zieht seine Kandidatur für die Europawahlen zurück", so die Schlagzeile von La Libre Belgique und L'Echo. Und die Konsequenz daraus steht auf Seite eins von De Tijd: "Charles Michel bleibt nun doch EU-Ratspräsident".
Charles Michel hat am Abend für einen Paukenschlag gesorgt. Der MR-Politiker wollte ja eigentlich bei den anstehenden Europawahlen als Spitzenkandidat für die MR ins Rennen gehen. Das hätte bedeutet, dass er sein Mandat als EU-Ratspräsident nicht hätte beenden können. Die Ankündigung hatte für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Und er habe die mitunter "radikalen Reaktionen" unterschätzt, sagt Michel auf Seite eins von De Tijd. Und deswegen rudert er nun also zurück. Charles Michel bleibt bis zum Ende seiner Amtszeit EU-Ratspräsident.
"Das ist eine desaströse Kehrtwende", giftet Le Soir in einem Kommentar. Charles Michel hat es geschafft, gleich an zwei Januarabenden für eine Polemik zu sorgen. Denn sein neuerlicher Sinneswandel macht das Ganze nicht besser. Ums mal so auszudrücken: Das ganze Theater trägt nicht unbedingt zur demokratischen Legitimität der EU-Institutionen bei. Außerdem verstärkt Michel noch den Eindruck, dass es bei alledem immer nur um ihn und seine persönlichen Ambitionen ging. Zwar gelobt er jetzt, dass er sich keinen neuen Job für die Zukunft gesichert hat. Schaut man sich aber seine bisherige Karriere an, die doch geprägt ist von wahltaktischem Kalkül und politischen Winkelzügen, dann fällt das doch schwer zu glauben.
Landwirtschaft und Klimaschutz gehen Hand in Hand
Einige Leitartikler beschäftigen sich auch mit den Bauernprotesten, die inzwischen auch Belgien erreicht haben. Man darf die Landwirte bei der nötigen Transformation nicht alleine lassen, fordert etwa L'Echo. Unsere Gesellschaften stehen vor großen Umwälzungen. Doch wer "Umweltschutz" sagt, der richtet seinen Blick quasi reflexartig erstmal auf den Agrarsektor. Allerdings steht die Landwirtschaft da ja nicht im luftleeren Raum. Was nützt es zum Beispiel, wenn man den Agrarsektor dazu verpflichtet, allerlei Umweltschutznormen einzuhalten, wenn die Lebensmittelbranche am Ende nicht den Preis dafür zahlen will? Was nützt es, wenn die heimischen Mastbetriebe ihre Viehbestände verkleinern und sich die Fleischindustrie dann Importen zuwendet? Anders gesagt: Wenn man dem Agrarsektor auf dem Weg hin zu einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion helfen will, dann muss auch der Einzelhandel mitspielen und den Erzeugnissen Sichtbarkeit geben und einen Platz einräumen. Gleichzeitig muss die EU ihre Agrarsubventionen zielgerichteter verteilen.
"Man muss den Bauern einen angemessenen Preis für ihre Erzeugnisse zahlen!", fordert auch La Dernière Heure. Und das darf bestimmt nicht bedeuten, dass dafür die Preise in den Supermärkten steigen. Vielmehr müssen die Gewinnmargen bei den Zwischenhändlern gesenkt werden. Und das ist die Aufgabe der Politik.
Eins darf jedenfalls nicht passieren, meint Le Soir: Es darf nicht sein, dass man die Landwirtschaft und den Klimaschutz quasi gegenüberstellt nach dem Motto "entweder, oder". Denn damit würde man ausblenden, das beides letztendlich Hand in Hand gehen muss. Und indem man so tut, als würden sich Landwirtschaft und Umweltschutz fast schon gegenseitig ausschließen, schürt man auch weiter die Polarisierung in unserer Gesellschaft. Die Klimawende ist nötig, sogar unausweichlich. Und das schaffen wir nur gemeinsam.
Ein Sieg für die internationale Rechtsordnung
Einige Leitartikler beleuchten auch die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs zum Gaza-Krieg. Die Richter in Den Haag betrachten die Gefahr eines Völkermords zumindest als gegeben. Entsprechend wird Israel dazu aufgerufen, Schutzmaßnahmen für die Palästinenser zu ergreifen. "Wie lange kann Israel dem internationalen Druck noch standhalten?", fragt sich Het Belang van Limburg. Zwar wird das Land nicht dazu aufgefordert, den Krieg zu unterbrechen oder zu beenden. Und doch ist die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs eine Warnung. Die Regierung Netanjahu gibt sich zwar nach wie vor unbeeindruckt. Die Frage ist jetzt aber, inwieweit die USA, also der wichtigste Verbündete Israels, den Richterspruch aus Den Haag ignorieren können.
Man sollte die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs nicht unterschätzen, mahnt auch De Morgen. Klar handelt es sich noch nicht um ein definitives Urteil. Das große Verdienst des Richterspruchs ist denn auch nicht juristischer, wohl aber pädagogischer Natur. Denn immerhin hat Südafrika als Kläger die Möglichkeit bekommen, seine Argumente darzulegen. Das Gericht hat zudem Augenmaß bewiesen, indem es beide Seiten, also Israel und die Hamas, dazu aufgerufen hat, die Gewalt zu beenden, beziehungsweise die Geiseln freizulassen. Die Richter stellten sich also resolut auf die Seite der unschuldigen Opfer. Die Entscheidung aus Den Haag ist denn auch kein Sieg für Israel oder die Hamas, sie ist in erster Linie ein Sieg für die internationale Rechtsordnung.
"Den Senat aus seinem Schattendasein rausholen!"
Das GrenzEcho schließlich stellt sich die Frage nach der Vertretung der Deutschsprachigen im föderalen Parlament. Trotz der unablässigen Forderungen aus Ostbelgien gibt es nach wie vor keine garantierte Vertretung in der Kammer. Und es sieht auch nicht danach aus, als würde sich daran bald etwas ändern. Seit die PFF-Politikerin Kattrin Jadin vor rund anderthalb Jahren als Richterin an den Verfassungsgerichtshof wechselte, ist der Platz der Deutschsprachigen verwaist. Mit Luc Frank, der auf der Liste von Les Engagés einen "Kampfplatz" belegt, könnte es nach den Wahlen vom 9. Juni immerhin wieder einen deutschsprachigen Abgeordneten in Brüssel geben. Doch sind deutschsprachige Kandidaten hier immer noch auf das Wohlwollen ihrer frankophonen Schwesterparteien angewiesen. Deswegen richten sich die Blicke auf den Senat, wo die Deutschsprachigen ja einen sicheren Platz haben. Weil dessen Kompetenzen aber beschnitten wurden, interessiert sich kaum jemand für dessen politische Arbeit. Hier muss unbedingt angesetzt werden. Es bedarf einer Reform, die den Senat endlich aus seinem Schattendasein herausführt.