"Der Verkauf von Immobilien ist 2023 um 15 Prozent gesunken", titeln Le Soir und L'Echo. "15 Prozent weniger Immobilienverkauf; die Preise stabilisieren sich", so die Schlagzeile von De Tijd. "2024 ist aber kein spürbarer Rückgang der Immobilienpreise zu erwarten", bemerkt L'Avenir auf Seite eins.
Jetzt haben wir es also schwarz auf weiß: Der Immobilienmarkt hat sich im vergangenen Jahr merkwürdig abgekühlt: Ein Rückgang um 15 Prozent, das kann man fast schon als einen Einbruch bezeichnen. "Die Käufer warten auf bessere Zeiten", so erklärt Le Soir die Entwicklung am Immobilienmarkt. Schuld sind demnach vor allem die Hypothekenzinsen, die zuletzt stark angestiegen waren.
"Politischer Süßstoff, um die Parteibasis einzulullen"
Viele Leitartikler beschäftigen sich ihrerseits mit dem beginnenden Wahlkampf. Unmittelbarer Anlass sind die Neujahrsempfänge der verschiedenen Parteien, bei denen die jeweiligen Parteipräsidenten mit markigen Aussagen von sich reden machen und mitunter auch verwegene Vorschläge in den Raum gestellt haben.
De Morgen etwa greift Bart De Wevers Idee einer Notregierung auf. Der Vorschlag des N-VA-Vorsitzenden mag auf den ersten Blick vernünftig klingen: Erst sollten also seriöse, kompetente Menschen eine Regierung bilden, um dann zu tun, was getan werden muss. De Wever spricht auf Niederländisch von einem "Zakenkabinet", womit auch eine so genannte Technokraten-Regierung gemeint sein kann. Das wäre also eine Gruppe von Experten, die nicht politisch aktiv sind und die dann ein zeitlich befristetes Mandat bekäme, um die notwendigen Reformen durchzuführen.
Hier stößt man allerdings an die Grenzen unseres demokratischen Systems, um nicht zu sagen: Man überschreitet sie. Aber nicht nur das! De Wever suggeriert, dass es den einen, richtigen, apolitischen Weg gibt, um das Land neu aufzustellen. Das allerdings ist demokratischer Unsinn. Den einen Weg gibt es nicht. Jede Reform ist immer eine politische Entscheidung. Was wir hier sehen, das ist nichts anderes als institutionelle Voodoo-Politik: Eine scheinbar einfache Idee, die in der Praxis nicht funktioniert, politischer Süßstoff, um die Parteibasis einzulullen.
"Die Bestie der Antipolitik wird weiter gemästet"
La Libre Belgique konzentriert sich vor allem auf die Haltung des N-VA-Chefs gegenüber dem rechtsextremen Vlaams Belang. De Wever bleibt hier sehr vage, und das ist ein gefährliches Spiel, warnt das Blatt. De Wever droht damit, dass seine N-VA auf der flämischen Ebene eine Koalition mit dem Vlaams Belang eingehen könnte, falls die N-VA auf der föderalen Ebene wieder in die Opposition verbannt wird. Damit suggeriert er, dass die Rechtsextremisten notfalls doch als Koalitionspartner in Frage kämen. Und damit holt De Wever den Vlaams Belang aus der Isolation, öffnet er – wenn auch nur einen Spaltbreit – eine Tür, von der man dachte, dass sie zweimal abgeschlossen wäre. Der N-VA-Chef trägt damit selbst dazu bei, dass die Rechtsextremisten salonfähig werden.
Es sind schöne Zeiten für Populisten, konstatiert seinerseits Het Belang van Limburg. Wir sehen in diesen Tagen viele Politiker, die versuchen, auf der Angst und der Wut der Menschen zu surfen, die von sich behaupten, im Namen des Volkes zu sprechen. Das ist aber keine Eigenheit der Rechtsextremisten, auf der linken Seite kann man so etwas auch beobachten. Den besten Beweis dafür lieferte am Sonntag Raoul Hedebouw, der Vorsitzende der neokommunistischen PTB. Der behauptete, dass die Supermarktkette Colruyt nur 0,27 Prozent Steuern zahle. In Wahrheit sind es knapp 25 Prozent, also fast 100-Mal mehr. Hedebouw versteckt sich hinter halbgaren Zahlenspielchen, das ist aber eine sehr faule Ausrede. Auch die PTB trägt mit solch populistischen Sprüchen dazu bei, dass die Bestie der Antipolitik noch weiter gemästet wird.
"Wir brauchen mehr Aufrichtigkeit in der Politik"
"Glaubt ihnen nicht!", appelliert denn auch Het Laatste Nieuws. Glaubt Politikern nicht, wenn sie von sich selbst behaupten, dass sie die einzig vernünftige Alternative sind. "Wir oder das Chaos", das sagt jede Partei von sich. Das hörte man auch bei CD&V und N-VA, die sich am Wochenende gegenseitig verteufelt haben. Denn, indem sie derlei Polarisieren schüren, lenken sie von den eigentlichen Problemen ab. Wann bitte geht es endlich um den Zustand der Staatsfinanzen? Wann diskutieren wir endlich mal über die Frage, wie der Haushalt wieder in die Spur gebracht werden kann? Gibt es da keine besseren Antworten, als den Menschen zum Beispiel falsche Steuertarife für Colruyt vorzugaukeln?
Wir brauchen dringend mehr Aufrichtigkeit in der Politik, fordert denn auch De Tijd. Bei den Neujahrsempfängen der Parteien am Wochenende wurde der Wahrheit mitunter regelrecht Gewalt angetan. Die PTB phantasierte über angebliche Steuergeschenke für Colruyt, die CD&V behauptete, dass der N-VA ein Wirtschaftsmodell nach dem Vorbild von Singapur vorschwebe, was im Parteiprogramm der Nationalisten mit keinem Wort erwähnt wird, der Vlaams Belang will den Menschen weis machen, dass die flämische Regierung Geld im Überfluss hätte, wenn Flandern nicht mehr länger für die Wallonie bezahlen müsse, was schlichtweg nicht realistisch ist.
Das alles sind Beispiele für klassische Desinformation. In ihren Wahlprogrammen versprechen die Parteien den Menschen außerdem den Himmel auf Erden. Hier wird das Volk regelrecht für blöd verkauft. Jeder weiß, dass die Kassen leer sind. Und im Zweifel versteckt man sich dann hinter der Tatsache, dass die bösen Koalitionspartner am Ende im Weg standen. Indem sie Unwahrheiten und falsche Versprechen in die Welt setzen, vergrößern die Parteien noch das Misstrauen in die Politik.
Roger Pint