"Goldenes Wochenende", titelt Het Laatste Nieuws. "Goldene Frauen", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Girlpower", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins.
Am Wochenende gab es einen Goldregen für belgische Sportlerinnen: Radfahrerin Lotte Kopecky gewann zweimal Gold auf der Bahn, die Schlittschuhläuferin Hanne Desmet gewann Gold bei der Short-Track-EM, und Loena Hendrickx wurde Erste bei den Europameisterschaften im Eiskunstlauf. "Hendrickx ist die erste belgische Europameisterin", präzisiert L'Avenir.
Ein Hokuspokus-Plan, der nur eine politische Pirouette ist
Innenpolitisch werfen schon die Wahlen vom 9. Juni ihre Schatten voraus. Am Wochenende haben gleich mehrere Parteien ihre Neujahrsempfänge abgehalten "und da wehte schon ein Hauch von Wahlkampf", bemerkt L'Avenir. "Der Kampf um das Amt des Premierministers ist eröffnet", titelt seinerseits Het Nieuwsblad. Am Samstag hat nämlich auch der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever Ambitionen für das Amt des föderalen Regierungschefs angemeldet. Er stellt aber eine Reihe von Grundbedingungen. So will er nur Premierminister in einer geschäftsführenden, also einer Art Notregierung werden, die in Erwartung einer neuen Staatsreform das Land auf Kurs halten sollte.
Dieser Vorschlag ist fast schon surreal, urteilt De Standaard in seinem Leitartikel. Man fragt sich, was De Wever damit genau bezwecken will. Warum will er eine Notregierung? Das würde ihn seinem politischen Ziel, nämlich einem konföderalen Belgien, keinen Schritt näherbringen. Denn für eine Staatsreform braucht er die frankophonen Sozialisten PS. Apropos: Die Sozialisten auch diesmal wieder einfach nur zu diabolisieren, das wird auch nicht mehr funktionieren. Das kann nämlich der rechtsextreme Vlaams Belang mindestens genauso gut. Für De Wever lautet also die Frage aller Fragen: Wie kann sich die N-VA am besten vom Vlaams Belang abheben? Nun, dieser Hokuspokus-Plan, mit einer Regierung, die keine ist, ist letztlich auch nichts anderes als eine politische Pirouette.
Ein Schattenboxen, das zum Wählerbetrug wird
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich. Bart De Wever bringt sich als Kandidat für den Posten des Premiers in Stellung, macht zugleich aber keinen Hehl daraus, dass ihn das eigentlich gar nicht interessiert. Seine harte Rhetorik und sein schwindelerregender Schleuderkurs sind aber nichts anderes als ein Ausdruck von Angst und Ohnmacht. Denn De Wever spürt wohl, dass die Glaubwürdigkeit seiner N-VA angeknackst ist. Die Machtbeteiligung auf der föderalen Ebene in der so genannten Schwedischen Koalition war ein Reinfall. Auf der flämischen Ebene ist die N-VA seit 20 Jahren ununterbrochen an der Macht, kann also da nicht wirklich die Veränderung symbolisieren. De Wever selbst hat sich auch schon diverse Male für allerlei Ämter beworben, die er am Ende doch nicht übernommen hat. Wer glaubt dem Mann eigentlich noch?
Im Grunde sehen wir hier nichts mehr als ein Schattenboxen, ist Het Nieuwsblad überzeugt. Der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever ist Kandidat für den Posten des Premiers, PS-Chef Paul Magnette ist es auch. Ob sie das aber ernst meinen, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Viel einfacher ist es doch, als Parteivorsitzender hinter den Kulissen die Strippen zu ziehen. Für die Drecksarbeit haben die Präsidenten ihr Personal. Das Gedöns um den Premierministerposten hat allenfalls strategische Bedeutung: Auf diese Weise zieht man die Aufmerksamkeit auf sich. Ab einem gewissen Punkt wird das aber zum Wählerbetrug.
Pokerspiel spielt sich einzig auf der flämischen Ebene ab
Viel Theaterdonner haben wir an diesem Wochenende gehört, konstatiert auch De Morgen. Der Monat Januar ist traditionell die Zeit, in der die Parteien auf ihren Neujahrsempfängen ihre Vorsätze formulieren. Diesmal ging es vor allem darum, mal wieder auf die jeweiligen politischen Gegner einzuprügeln. Kurzum: Business as usual, Normalbetrieb in der Rue de la Loi. Und das ist beunruhigend. Wenn die traditionellen Parteien wirklich nichts anderes zu tun haben, als sich für das Amt des Premiers in Stellung zu bringen oder sich gegenseitig zu beharken, dann beweist das nämlich, dass sie den wahren Einsatz dieser Wahl noch nicht begriffen haben. Sie scheinen sich ihrem Schicksal fast schon zu ergeben.
Gazet van Antwerpen nennt Ross und Reiter: Wie werden wir mit dem rechtsextremen Vlaams Belang umgehen? Das ist die Frage. Währenddessen schießt die N-VA aus allen Rohren auf die Vivaldi-Koalition, die CD&V ballert auf die N-VA und die marxistische PTB verflucht die Multinationals. Und alle positionieren sie sich schon für die Zeit nach dem 9. Juni. Dabei weiß jeder, dass sich das Pokerspiel dann einzig auf der flämischen Ebene abspielen wird. Und dass dabei vor allem der Vlaams Belang im Blickpunkt stehen dürfte. Konkret: Zieht Bart De Wever tatsächlich ein Koalition zwischen seiner N-VA und den Rechtsextremisten in Erwägung und damit einen totalen Bruch mit allen anderen Machtebenen? Nach der Wahl wird es vor allem um diese Frage gehen.
Nahostkonflikt – Kontraproduktive Aussagen
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich in seinem Leitartikel einmal mehr mit dem Krieg im Nahen Osten und vor allem auch mit den Reaktionen darauf. Manche davon sind nämlich vor allem kontraproduktiv. Das gilt zum Beispiel für die jüngste Kritik der föderalen Entwicklungshilfeministerin Caroline Gennez. Die Vooruit-Politikerin hatte Deutschland davor gewarnt, dass das Land mit seiner konsequent unkritischen Haltung Israel gegenüber am Ende schon zum zweiten Mal auf der falschen Seite der Geschichte stehen könnte. Diese mit der Kettensäge formulierten Worte, der unterschwellige Holocaust-Vergleich, all das ist regelrecht grotesk. So bestätigt man nur die Regierung Netanjahu, die jegliche Kritik an ihrem Vorgehen pauschal als Ausdruck von Antisemitismus abtut. Um ins Schwarze zu treffen, muss man seine Meinung so präzise wie möglich formulieren, die Wortwahl macht hier den entscheidenden Unterschied. Und das gilt erst recht für ein Land, das gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehat.
Roger Pint