"Franz Beckenbauer gestorben - Abschied von einer deutschen Fußballikone", titelt Het Nieuwsblad. "Ein großartiger Mensch und Fußballer: Franz Beckenbauer mit 78 gestorben", schreibt Gazet van Antwerpen. "Abschied von Fußballlegende Franz Beckenbauer", so Het Laatste Nieuws. "'Kaiser Franz' war eine Legende", unterstreicht auch Le Soir. "Fußball-Welt trauert um den 'Kaiser'", hält das GrenzEcho fest.
Während sich also auch die belgischen Zeitungen vom "Kaiser" verabschieden, befassen sie sich in ihren Leitartikeln mit ganz anderen Themen. Dazu gehört auch weiterhin die Ankündigung von Charles Michel, sein Amt als Präsident des Europäischen Rats vorzeitig aufzugeben, um für die frankophonen Liberalen MR bei den Europawahlen anzutreten.
Charles Michel ist kein Esel, kommentiert Het Laatste Nieuws. Denn ein Esel stößt sich bekanntermaßen nicht zwei Mal an demselben Stein. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Michel die Beine in die Hand nimmt, bevor er seinen Job beendet hat. Das hat er schon 2019 gemacht und damit bewiesen, dass er zu allem bereit ist, um politisch zu überleben. Dass er mit seiner erneuten Fahnenflucht jetzt möglicherweise Viktor Orbán erlaubt, das Amt temporär zu besetzen, ist nicht so dramatisch: Wer Orbán nicht will, muss eben Ungarn aus der EU schmeißen. Auch der Imageschaden für das Amt des Ratspräsidenten ist nicht allzu tragisch, schließlich ging es auch jahrelang ohne.
Was schwer wiegt, das ist der gezeigte Verlust an Normen und dass Michel bestätigt, was viele Bürger sowieso schon denken: Dass es Politikern vor allem um sich selbst geht. Nach seinen eigenen Worten steht Michel auf der richtigen Seite der Geschichte. Sprich auf seiner eigenen, giftet Het Laatste Nieuws.
Europa verdient Besseres
Charles Michel nimmt in Kauf, der Institution Europäische Union einen neuen Schlag zu versetzen, schreibt L'Echo. Denn ob er es will oder nicht, der vorherrschende Eindruck ist, dass hier ein Kapitän das Schiff verlässt, bevor es den Hafen erreicht hat. Nicht umsonst werfen ihm viele vor, sein Amt im Stich zu lassen und seine eigenen Interessen über alles andere zu stellen.
Grundsätzlich leidet das europäische Projekt unter einem erheblichen Mangel an Demokratie. Und der sich abzeichnende Kuhhandel über die Verteilung wichtiger Posten droht, seinem öffentlichen Ansehen noch weiter zu schaden. Europa verdient etwas Besseres als zynische politische Kalküle, beklagt L'Echo.
Mobilitätsarmut bleibt ein Problem in Flandern
In Flandern schlägt nach wie vor der neue Verkehrsplan der öffentlichen Nahverkehrsgesellschaft De Lijn hohe Wellen, gestern war der erste reguläre Schul- und Arbeitstag mit den geänderten Fahrplänen. Es ist noch zu früh, um ein endgültiges Urteil zu fällen, merkt dazu Gazet van Antwerpen an. Aber zwei Dinge kann man festhalten: Erstens, dass es für viele Menschen deutlich schwieriger geworden ist, irgendwo hinzukommen. Dabei handelt es sich auch oft um Menschen, die auf den ÖPNV angewiesen sind, sie werden also im Stich gelassen. Und zweitens, dass De Lijn zum politischen Spaltpilz geworden ist, denn der Streit um Budgets und Mittel sät Zwietracht zwischen den regionalen Regierungsparteien. Man sollte aber auch nicht unterschlagen, dass es Menschen gibt, die zufrieden sind mit den Änderungen, besonders, wenn sie in Städten leben und vielbefahrene Verbindungen nutzen, so Gazet van Antwerpen.
Flandern ist eine der reichsten und am dichtesten bevölkerten Regionen der Welt, erinnert Het Belang van Limburg. Aber dennoch gelingt es uns nicht, ein leistungsfähiges Nahverkehrsnetz zu organisieren. Daran wird auch die neue Reform von De Lijn nichts ändern. Dass die Veränderungen zu Frust führen würden, war absehbar. Teilweise sind die Beschwerden gerechtfertigt, manchmal sind aber auch zu viele Emotionen im Spiel. Tatsache ist, dass Flandern mit dem Problem der Mobilitätsarmut konfrontiert bleibt. Auch, weil das vorgesehene Budget einfach begrenzt ist, unterstreicht Het Belang van Limburg.
De Standaard kommt auf den Zwischenfall mit pro-palästinensischen Aktivisten bei einem Fest anlässlich der belgischen Ratspräsidentschaft in Mechelen zurück: Bisher sind die Spannungen über den Gaza-Krieg hierzulande unter Kontrolle geblieben. So lange es also bei symbolischen Zwischenfällen bleibt, bei denen palästinensische Fahnen geschwenkt und statt ein paar Haikus von Herman Van Rompuy ein paar Slogans auf einer Bühne skandiert werden, sollten wir uns eigentlich gegenseitig auf die Schultern klopfen. Denn das zeigt, dass wir noch immer in einer Demokratie leben. Umso empörender ist es, dass die betroffene Dichterin und Aktivistin für sechs Stunden in Polizeigewahrsam genommen worden ist. Soviel zur freien Meinungsäußerung, kritisiert De Standaard.
Jackpot!
L'Avenir greift den sogenannten "CEO Jackpot Day" auf, der auf den heutigen 9. Januar fällt. Das ist der Tag des Jahres, an dem Vorstandsvorsitzende eines Bel-20-Unternehmens nach Berechnungen der christlichen Angestelltengewerkschaft schon so viel verdient haben, wie ein Durchschnittsarbeitnehmer während des gesamten Jahres.
Man sagt ja immer, dass Menschen, die so große Verantwortung tragen, unter so großem Druck stehen oder so lange studiert haben, auch entsprechend entlohnt werden müssen. Während ein Minister im Schnitt also 12.750 Euro pro Monat bekommt, sind es bei einem Bel-20-Geschäftsführer über 202.000 Euro. Da kann einem schon schwindlig werden.
Zwischen 2014 und 2023 sind ihre Gehälter auch um 67,8 Prozent gestiegen. Also mehr als doppelt so stark wie das Durchschnittseinkommen. Und sicher nicht umsonst erinnern die Gewerkschaften dieses Jahr eindrücklich daran, dass 2024 ein Wahljahr ist, meint L'Avenir.
Boris Schmidt