"48 Stunden mehr", titelt Le Soir. "Zwei zusätzliche Tage Waffenstillstand und Hoffnung in Gaza", schreibt La Libre Belgique. "Zwei weitere Tage ohne Kämpfe unter gleichen Bedingungen – Hoffnung nach Verlängerung der Waffenruhe auf weitere Ausdehnung", so das GrenzEcho. "Verlängerte Kampfpause ist noch lange nicht von Dauer", warnt De Morgen. "Das Rezept der Kampfpause in Gaza stößt an seine Grenzen", liest man bei De Standaard.
48 Stunden scheinen nicht viel, kommentiert De Standaard, aber dennoch ist diese Verlängerung enorm wichtig für die Zivilisten vor Ort. Jeder Tag ohne Krieg rettet im Schnitt 300 palästinensische Leben, wenn die Waffen schweigen, erreichen mehr humanitäre Hilfslieferungen die Menschen. Für jeden zusätzlichen Tag will die Hamas außerdem zehn israelische Geiseln freilassen und so ihren seit dem 7. Oktober währenden Albtraum beenden – im Austausch gegen palästinensische Gefangene wohlgemerkt.
Eine Verlängerung bedeutet auch mehr Zeit für die internationalen Vermittler, um eine noch gnadenlosere Phase des Krieges zu verhindern. Wichtig ist auch, dass immer mehr Länder ihre Position bezüglich der Art und Weise relativieren, wie Israel den Krieg führt. Und egal, wie sehr Netanjahu deswegen tobt, er steht vor einem neuen Dilemma: Je härter er Krieg führt, desto mehr gefährdet er den internationalen Ruf seines Landes, analysiert De Standaard.
Historische und moralische Verantwortung
Die Waffen werden erst dann dauerhaft schweigen, wenn man den so tief sitzenden Hass zwischen Palästinensern und Israelis irgendwie unter Kontrolle bringt, wirft Le Soir in seinem Leitartikel ein. Das ist natürlich alles andere als einfach angesichts all des Schmerzes und der Manipulation derer, die ein Interesse daran haben, dass die Gewalt andauert. Um einen Ausweg aus der Wut zu finden, werden Israelis und Palästinenser das Leid des jeweils anderen anerkennen müssen, sie werden lernen müssen, die gleiche Sprache zu sprechen.
Und es muss auch irgendeine Form von gerichtlicher Aufarbeitung und Gerechtigkeit geben. Wir Europäer haben eine historische und moralische Verantwortung, ihnen auf diesem gemeinsamen Weg zu helfen. Denn unser Kontinent kennt nur zu gut die Folgen von generationen- und grenzübergreifendem Hass. Aber wir wissen aus eigener Erfahrung auch, dass es möglich ist, Frieden auf Trümmerhaufen zu errichten, appelliert Le Soir.
Die Waffen in Nahost schweigen nicht, weil sich die Menschen versöhnen wollen, sondern weil der internationale Druck auf Israel immer größer geworden ist, schreibt Gazet van Antwerpen, weil die israelische Bevölkerung weiter fordert, die Geiseln nach Hause zu bringen und weil die Regierung Netanjahu in den Umfragen abstürzt. Dem israelischen Premier ist gar nichts anderes übriggeblieben, als mit der Hamas zu verhandeln. Einen kleinen Lichtblick bietet die Feuerpause also immerhin: Sie zeigt, dass es trotz allem möglich ist, miteinander zu sprechen, wenn es wirklich sein muss, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Israel züchtet sich selbst seine Feinde heran
Viele der Palästinenser, die in israelischen Gefängnissen sitzen und jetzt gegen israelische Geiseln ausgetauscht werden, sind minderjährig, erinnert Het Nieuwsblad. Oft werden sie festgehalten, ohne überhaupt zu wissen, was ihnen vorgeworfen wird oder sie sind unter zweifelhaften Umständen festgenommen worden. Israel behandelt diese Minderjährigen wie Erwachsene und sperrt sie unter für viele unmenschlichen Bedingungen ein. Die palästinensischen Gefangenen in Israel sind seit Jahrzehnten ein Hindernis auf dem Weg zu einem friedlichen Zusammenleben, ohne dass sich viel ändern würde. Jede extremistische Organisation braucht ihre Märtyrer – und Israel liefert sie den Palästinensern am laufenden Band, sei es tot oder lebendig im Gefängnis. So züchtet sich Israel selbst seine Feinde heran, das muss man einfach so sagen, selbst wenn man Israel bedingungslos unterstützt, so Het Nieuwsblad.
Bpost muss zittern
De Tijd befasst sich mit dem Dossier Zeitungszustellung: Nach Unregelmäßigkeiten bei Bpost sollen die entsprechenden Aufträge neu vergeben werden. Das Wirtschaftsministerium rät sogar dazu, den Vertrag an private Konkurrenten von Bpost zu vergeben. Der Börsenkurs von Bpost ist deswegen schon gestern um zwölf Prozent eingebrochen, 100 Millionen Euro sind so in Rauch aufgegangen. Die Hälfte davon geht auf Kosten des Staates, der Mehrheitseigner von Bpost ist.
Finanziell steht also viel auf dem Spiel für die öffentliche Hand. Hat die Regierung deshalb die Entscheidung über die Vergabe des Vertrags verschoben? Außerdem würde der Verlust der Zeitungszustellung hunderte Jobs bei Bpost kosten, die grünen und sozialistischen Koalitionspartner stehen deshalb auf der Bremse, schließlich sind bald Wahlen.
Einen Verbündeten haben sie in den Herausgebern gefunden. Denn die private Konkurrenz von Bpost hat einen schlechten Ruf, die Herausgeber fürchten, durch Probleme bei der Zustellung noch mehr Abonnenten zu verlieren. Die Regierung hat auch bereits mit Manövern begonnen, um die Empfehlung des Wirtschaftsministeriums zu umgehen, die Gefahr ist real, dass bei der Vergabe des Vertrags nicht ehrlich gespielt werden wird.
Eigentlich ist die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften nicht die Aufgabe des Staates, sondern der Herausgeber. Sie müssten darüber wachen, dass ihr Produkt pünktlich beim Kunden ankommt und selbst über die verantwortlichen Subunternehmer entscheiden. Der Staat hat hier streng genommen nichts verloren. Aber im Tausch gegen staatliche Subventionen geben die Herausgeber ihre Selbstständigkeit aus den Händen, kritisiert die Wirtschaftszeitung.
Boris Schmidt