Bei der Analyse der innenpolitischen Situation ist in den Tageszeitungen heute bei den Leitartiklern viel von Optimismus und Pessimismus die Rede. Er werde Optimist sein, zitiert der Leitartikel in Het Belang van Limburg z.B. N-VA Parteichef De Wever, nachdem der gestern mit Didier Reynders zusammengetroffen war, um zu prüfen ob - und wenn ja, wie - die festgefahrenen Gespräche zur Staatsreform wieder flottgemacht werden können.
Reynders, der jetzt als sovielter ins Feld geschickt wird, um Probleme zu lösen, wird anders vorgehen müssen als Johan Vande Lanotte das tat. Nach fast 100 Tagen der Pendeldiplomatie vom einen zum anderen war deutlich geworden, dass keine Fortschritte mehr möglich waren.
Diese Situation, so meint der Kommentator in Het Belang van Limburg, werde sich nicht verändern, nur weil ein anderer Pilot im Cockpit Platz genommen hat. Jetzt komme es darauf an, die Methode zu verändern, und zu definieren, was die Essenz des Zusammenlebens in einem Land mit verschiedenen Sprachgruppen für jeden, also Flamen, Wallonen, Brüsseler und Deutschsprachige eigentlich bedeute.
Mission Reynders: Optimismus möglich, ...
Auch im Leitartikel von La Dernière Heure ist von Optimismus die Rede. Dennoch brauche Didier Reynders jetzt eine gehörige Portion Gewandheit, um Kompromissvorschläge auf den Weg zu bringen, die detailliert genug sind, um die einen zu beruhigen, gleichzeitig aber undurchsichtig bleiben, um andere nicht zu beunruhigen. Er werde auch Kreativität nötig haben, denn sowohl Elio Di Rupo als auch Bart De Wever auf eine Linie einzuschwören und einen Gesichtsverlust für jeden zu vermeiden, sei nötig. Schlussendlich brauche Reynders auch eine gehörige Portion Glück, um doch noch zu einer Einigung zu kommen. Möglicherweise müsse Glück hier aber durch ein "Wunder" ersetzt werden, meint der Leitartikler in La Dernière Heure.
... Pessimismus angebracht
Pessimismus dann wieder im Kommentar von De Standaard: Es fehle nicht mehr viel, und es sei nur noch der Schluss zulässig, dass jedes Weitermachen unnötig ist. Es sehe nämlich danach aus, als stünden jene Politiker, die von den Bürgern gewählt wurden, um das Land zu reformieren und zu regieren, kurz davor, das Handtuch zu werfen. Daran werde wohl auch Didier Reynders nichts ändern.
Große Veränderungen in der arabischen Welt
La Libre Belgique macht wie viele andere Blätter heute erneut mit der Eskalation der Gewalt bei den Unruhen in Ägypten auf. Die Proteste gegen Staatspräsident Mubarak hätten sich mit städtischem Guerillakrieg und einer Jagd auf Journalisten verschärft. Im Leitartikel heißt es hierzu, dass, wenn man Experten glaube, die arabische Welt in den letzten vier Wochen größere Veränderungen erfahren habe, als vorher im Verlauf vieler Jahre. Für die Staatslenker, gegen die sich der Protest der Straße richtet, und die sich schon allzu lange an die Macht klammern, komme es zu einem bösen Erwachen. Die Völker, die sie regierten, hätten sich verändert, gleiches gelte für deren Erwartungen. Das sture Verhalten jener, die an der Macht hingen, würde den Menschen auf der Straße Flügel verleihen.
Ägypten: Misshandlungen werden Journalisten nicht zum Schweigen bringen
In Het Belang van Limburg heißt es zur Situation in Ägypten, dass regierungstreue Demonstranten eine Hexenjagd auf Journalisten eröffnet haben. Ausländische Reporter würden schikaniert, geschlagen oder verhaftet. So geschehen im Fall des VTM-Journalisten Tim Verheyen, der von seinem Sender jetzt nach Hause beordert wurde.
Auch Het Nieuwsblad ist davon überzeugt, dass die Proteste in Ägypten immer gewalttätiger werden und Journalisten durch Mubarak-Anhänger das Leben schwergemacht würde.
Das habe, so meint Le Soir, der Korrespondent der Brüsseler Tageszeitung, Serge Dumont, am eigenen Leib erfahren. Er war zwei Tage in Haft genommen und in dieser Zeit auch misshandelt worden. Geschlagen, verhaftet, eingeschüchtert. Wer als Journalist die Ereignisse in Kairo begleite, werde mit äußerst schwierigen Arbeitsbedingungen konfrontiert. Im Leitartikel von Le Soir heißt es hierzu, dass man belgischen Diplomaten und Behörden, aber auch französischen und Schweizer Stellen dankbar ist, dass Serge Dumont befreit und am Leben ist. In Kairo würden Journalisten ihre Kameras, die Mikrofone oder Mobiltelefone verstecken, um einer Verhaftung zu entgehen. Doch dieser Versuch, die Presse zu knebeln, wird genau das Gegenteil erreichen und keinen Journalisten zum Schweigen bringen. Denn schon jetzt wisse jeder, dass in Ägypten derzeit die Freiheit mit Füßen getreten werde.
Blutige Geiselnahme im Gefängnis von Namur
La Dernière Heure und L'Avenir schließlich haben heute die blutig zu Ende gegangene Geiselnahme in der Justizvollzugsanstalt von Namur auf ihren Titelseiten. Ein Toter, ein Verletzter, das sei die Bilanz des Dramas im Gefängnis der wallonischen Hauptstadt. Ein Häftling, so schreibt L'Avenir, habe einen Mitgefangenen erwürgt und anschließend vier Geiseln genommen. Er hab ein Fluchtfahrzeug verlangt, sei dann aber von einem Sondereinsatzkommando der Polizei überwältigt worden.
Bild: Eric Lalmand (belga)