"Jetzt sitzen im Mordfall Claudia Van Der Stichelen schon zwei Verdächtige in Haft", titelt Het Nieuwsblad. Het Laatste Nieuws ist präziser: "Auch der Schwager des Verdächtigen wurde festgenommen", so die Schlagzeile.
Ganz Flandern rätselt weiter über den Mord an der Rechtsanwältin Claudia Van Der Stichelen. Die 58-Jährige war vor knapp zwei Wochen in ihrem eigenen Vorgarten von einem Unbekannten erschossen worden. Erst vorgestern konnte ein erster Verdächtiger festgenommen werden. Es gab aber offensichtlich nach wie vor ernste Zweifel, ob es sich tatsächlich um den mutmaßlichen Täter handelte. Jetzt wurde auch der Schwager des Mannes festgenommen.
PFAS-Skandal: Die Behörden wussten Bescheid
"Unser Trinkwasser ist bedroht", so derweil die alarmierte Schlagzeile von La Dernière Heure. Die Zeitung greift eine Enthüllungsgeschichte auf, die die RTBF am Mittwoch ausgestrahlt hat. Demnach wurden in einigen Ortschaften in der Provinz Hennegau viel zu hohe Konzentrationen von so genannten PFAS-Chemikalien nachgewiesen. Diese Substanzen bauen sich nur sehr langsam im Körper ab – einige PFAS stehen in Verdacht, krebserregend zu sein.
Das eigentlich Schlimme ist, empört sich La Dernière Heure in ihrem Leitartikel: Die Wallonische Wassergesellschaft und auch die zuständigen Behörden wussten von den hohen PFAS-Konzentrationen im Trinkwasser; sogar die wallonische Umweltministerin Céline Tellier. Aber niemand hat es für nötig befunden, die Messwerte öffentlich zu machen. Das Ganze fällt ohnehin nicht vom Himmel. Die EU-Landkarte zeigte so ein bisschen überall Ballungsgebiete mit hohen PFAS-Konzentrationen. Nur die Wallonie und Brüssel waren da die buchstäblichen weißen Flecken auf besagter Landkarte. Flandern hat auch schon seit 2021 seinen handfesten PFAS-Skandal. Hat die Wallonie ernsthaft geglaubt, dass das Problem einen Bogen um die Region gemacht hatte? Entweder man hat gar nicht erst gesucht. Oder man hat gesucht, dann auch gefunden, aber nichts gesagt.
Ein neuer Staatsbon, um die Banken zu treffen?
Einige Leitartikler kommen auch noch einmal zurück auf den gestern veröffentlichten "Bankenbericht" der belgischen Wettbewerbsbehörde. Grob zusammengefasst geht daraus hervor, dass sich die vier Großbanken in Belgien so gut wie keine Konkurrenz machen, einander mehr oder weniger in Ruhe lassen. Und das ist der Hauptgrund für die außerordentlich niedrigen Sparzinsen hierzulande.
"Dieser Bericht setzt noch einen drauf", giftet Le Soir. Seit Monaten schon diskutiert man in diesem Land über die niedrigen Sparzinsen und die Macht der Großbanken. Jetzt haben wir es aber nochmal schwarz auf weiß. Genau deswegen darf die Öffentlichkeit jetzt aber auch Taten erwarten. Die zuständigen Minister können die Sparer nicht mehr viel länger hinhalten. Für die Vivaldi-Koalition könnte das im Übrigen auch die Chance sein, sich vor den Wahlen noch einmal zu profilieren.
"Wir müssen jetzt ratzfatz die Gesetzgebung über Sparkonten gründlich erneuern!", fordert La Libre Belgique nachdrücklich. Beobachter sind sich einig, dass das Gutachten der Wettbewerbsbehörde für den Bankensektor regelrecht vernichtend ausfällt. Die Sparzinsen sind in Belgien wesentlich niedriger als sonst wo. Und diese Farce muss jetzt ein Ende haben. Die Wettbewerbsbehörde hat ja gleich auch diverse Empfehlungen mitgeliefert – die bräuchte man ja eigentlich nur umzusetzen. Wenn man die zuständigen Minister gestern in der Kammer gehört hat, dann kann man allerdings ernste Zweifel haben, ob die Regierung De Croo dieses heiße Eisen noch anpackt.
Es ist wohl kein Zufall, dass der föderale Finanzminister Vincent Van Peteghem jetzt plötzlich wieder das Wörtchen "Staatsbon" in den Mund nimmt, meint Het Laatste Nieuws, im Dezember wird routinemäßig eine neue Staatsanleihe aufgelegt. Und zumindest suggeriert der Finanzminister, dass dafür dieselben Konditionen gelten könnten wie für den Staatsbon Ende August. Nicht vergessen: Über 22 Milliarden Euro hatten die Belgier in dieses Produkt investiert. Und das hat den Banken durchaus einen lästig schmerzhaften Stich versetzt. Der Staatsbon hat seine Wirkung jedenfalls mit Sicherheit nicht verfehlt. Und das ist letztlich auch noch einmal ein Signal an die Sparer: Wir alle, Sie und ich, wir haben es in der Hand – kritische Verbraucher können manchmal mehr bewegen als jeder Minister.
Und die Welt schaut zu…
Einige Zeitungen blicken schließlich auch wieder fassungslos und resigniert in den Nahen Osten. "Jetzt ist es quasi amtlich", meint De Standaard: Hohe Hamas-Verantwortliche haben in einem Interview mit der New York Times unumwunden zugegeben, dass man Israel zu größtmöglicher Gewalt provozieren wollte. Die Hamas hat also tatsächlich darauf gehofft, dass Israel den Gazastreifen in die Hölle auf Erden verwandelt. Genau aus diesem Grund musste der Terrorangriff vom 7. Oktober denn auch so sinnlos brutal sein. Eine Orgie der Gewalt, die eine Orgie von Rache und Vergeltung entfachen sollte. Damit haben die Terroristen gleich zwei Ziele erreicht: Zunächst einmal haben die Juden ihren tiefverwurzelten Glauben verloren, dass Israel ein sicherer Hafen für sie ist. Und mit jedem Tag voller Kriegsverbrechen verliert Israel noch ein bisschen mehr von dem, was von seiner rechtsstaatlichen Aura noch übrig blieb.
"Und die Welt? Sie schaut zu!", so die bittere Feststellung von De Morgen. Der Gazastreifen ist ein einziger Trümmerhaufen. Schlimmer noch: ein Friedhof für Kinder, wie es sogar UN-Generalsekretär António Guterres formulierte. Eigentlich würde man doch meinen, dass all das Thema Nummer eins in den Parlamenten der Welt ist, Gegenstand ideologischer Auseinandersetzungen zwischen Rechts und Links, dass alle Welt Schlange steht, um diese Gewalt in allen Sprachen aufs Schärfste zu verurteilen. Man kann zwar nicht behaupten, dass das nicht im Ansatz auch passiert wäre, das war aber zu wenig. Diese Gewalt muss enden!
Der morgige Waffenstillstandstag ist denn auch nicht wirklich ein hoffnungsvoller, meint nachdenklich Gazet van Antwerpen. Jeden Tag Tote und Verletzte, in der Ukraine, im Nahen Osten und auch noch auf anderen Schlachtfeldern abseits der Kameras. Morgen ist es 105 Jahre her, dass der Erste Weltkrieg endete. Und das war ja nur der erste in einer makabren Serie von blutigen Konflikten, die das 20. Jahrhundert geprägt haben. Und an diesem morgigen 11. November gibt es auch nur wenig Grund zur Hoffnung.
Roger Pint