Kommen wir zunächst zur Situation im eigenen Land, wo König Albert II. gestern erstmals einen Liberalen in die politische Arena schickte, indem er den bisherigen MR-Präsidenten Didier Reynders zum Informateur benannte. Sein Auftrag besteht darin, in den nächsten zwei Wochen auszuloten, ob ein gemeinschaftspolitisches Abkommen zwischen Flamen und Frankophonen noch möglich ist.
Verschiedene Zeitungen bezeichnen Reynders heute als möglichen Retter des Landes, doch Erfolgschancen werden ihm im Allgemeinen kaum eingeräumt.
Mission impossible für Reynders
So schreibt Het Belang van Limburg, Reynders ist noch nirgendwo. Auf Bart De Wever kann er natürlich rechnen, denn der will die Liberalen schon seit langem am Verhandlungstisch.
Das Gleiche kann man vom Duo Di Rupo - Milquet allerdings nicht sagen. Reynders' größtes Handicap ist das Bündnis seiner liberalen MR mit der FDF, mit der ein Abkommen über Brüssel-Halle-Vilvoorde fast unmöglich ist. Es sieht also nicht gut aus.
Hemmschuh FDF
De Morgen gibt sich ebenfalls skeptisch. Reynders hat politisch in jüngster Zeit nicht gerade geglänzt. Und selbst den flämischen Liberalen flößt er wenig Vertrauen ein. Sein Problem beginnt schon in den eigene Reihen, denn mit der FDF ist ein Kompromiss über Brüssel-Halle-Vilvoorde so gut wie unmöglich. In anderen Worten: Es riecht mehr und mehr nach Neuwahlen.
Missgunst bei anderen französischsprachigen Parteien
Het Laatste Nieuws stellt fest, dass gerade auf frankophoner Seite nur wenige Reynders Erfolg gönnen. Für die PS ist es undenkbar, dass er etwas schafft, woran Di Rupo gescheitert ist. Derweil müssen cdH und Ecolo davon ausgehen, dass sie wohl nicht in die neue Regierung kommen werden, falls die Formel mit den Liberalen klappen sollte.
Äußerst pessimistisch gibt sich auch Gazet van Antwerpen, wo es bereits im Titel heißt "Reynders hat einen fast unmöglichen Auftrag". Erläuternd heißt es dazu, gerade von den frankophonen Parteien wird er wohl nur ein Minimum an politischem Spielraum bekommen, um sich den Forderungen der flämischen Seite anzunähern. Schlussfolgernd heißt es, vielleicht muss ja auch nur der Beweis erbracht werden, dass es mit den Liberalen genau so wenig geht wie mit den bisher verhandelnden Parteien. Wenn Reynders' Versuch scheitert, führt an Neuwahlen wohl kein Weg mehr vorbei. Dann kann allerdings auch die liberale MR sich den Wählern nicht mehr als unschuldig präsentieren, und genau das ist das strategische Ziel der frankophonen Sozialisten.
Jetzt muss De Wever Farbe bekennen
La Dernière Heure spricht von der Stunde der Wahrheit in Sachen Regierungsbildung. Jetzt müssen vor allen Dingen die N-VA und ihr Chef De Wever die Maske fallen lassen. Seit den Wahlen plädiert dieser für eine Mitte-Rechts-Regierung unter Einbeziehung der Liberalen. Jetzt wird sich zeigen, ob er dafür auch politisch etwas übrig hat. Genügt ihm eine Staatsreform, oder setzt er auf Neuwahlen, bei denen das Land Gefahr läuft, ins Chaos abzugleiten?
Letztendlich doch: An die Urnen!?
La Libre Belgique geht ebenfalls davon aus, dass bei einem Scheitern der Reynders-Mission Neuwahlen unumgänglich sind. Dies verbunden mit dem Risiko, dass sich der Nationalismus in Flandern weiter ausbreitet. N-VA und CD&V sind dort nur ganz knapp von der absoluten Mehrheit entfernt. Trotzdem dürfen sich die Frankophonen nicht gezwungen fühlen, sich gleich welchem flämischen Diktat zu beugen.
Die gleiche Ansicht vertritt ebenfalls Le Soir mit der Aufforderung an die frankophonen Parteien, eine Rückkehr an die Wahlurnen ernsthaft in Betracht zu ziehen. Vor diesem Hintergrund sollten sie sich hüten, sich gegenseitig zu zerfleischen, sondern sich, zumindest im Hinterkopf, darauf vorbereiten, dass der Fortbestand Belgiens nicht länger garantiert ist.
Unruhen in Ägypten - Militär mit Schlüsselrolle
Das zweite Schwerpunktthema der Inlandspresse ist der "drohende Bürgerkrieg in Ägypten", so die Schlagzeile in De Morgen. Het Laatste Nieuws spricht von "blutigen Straßenkämpfen zwischen Mubarak-Gegnern und -Befürwortern" und schreibt dazu kommentierend, mit jedem Bürger, der stirbt, rückt das Ende von Präsident Mubarak näher. Vermutlich wird auch die Armee ihn fallen lassen, sobald er den Militärs mehr Probleme als Vorteile verschafft. Die Frage ist, wie US-Präsident Obama sich verhalten wird. Nach den schrecklichen Fernsehbildern des gestrigen Tages dürfte er seine bisherige Unterstützung für Mubarak schleunigst überdenken.
Le Soir beklagt die Entführung seines Sonderberichterstatters in Kairo und bricht vor diesem Hintergrund eine Lanze für die Freiheit der Presse. Die Stimme jedes Journalisten verdient es, geschützt zu werden, denn sie garantiert, dass tausende andere ihre Stimme erheben können.
Bild:Manuel De Almeida (epa)