"Auf Verlangen Washingtons verschiebt Israel die Invasion Gazas", titelt L'Echo. "Erst wenn der Nahe Osten voller amerikanischer Raketen steht, beginnt die Bodenoffensive", meldet Het Belang van Limburg. "Die Vereinigten Staaten und Frankreich üben Druck aus, um die Bodenoffensive zu begrenzen", so De Standaard. "Die EU sucht nach einer gemeinsamen Haltung", lautet die Überschrift bei Le Soir. "UN-Chef fühlt sich falsch interpretiert – Diplomat liefert sich Auseinandersetzung mit Israel", schreibt das GrenzEcho.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat keine formelle Macht, erinnert De Standaard in seinem Leitartikel. Die einzigen Mittel, die ihm zur Verfügung stehen sind Sprechen und Verhandeln. Aber der höchste Diplomat der Welt ist nicht wirklich ein Meister der diplomatischen Sprache. Nur wenige seiner Vorgänger haben so Klartext gesprochen wie er, das macht ihn zu einer einsamen Säule der Moral in dieser aus den Fugen geratenden Welt.
Guterres hat unmissverständlich die Gräueltaten der Hamas verurteilt. Er hat aber auch die Blockade des Gazastreifens verurteilt, die Evakuierungsaufforderung für 1,1 Millionen Palästinenser und die kollektive Bestrafung eines ganzen Volkes durch Israel. Die Regierung Netanjahu blendet den ersten Teil aus und fordert nun seinen Rücktritt, außerdem will das Land UN-Vertretern keine Visa mehr erteilen. Damit bringt Israel nicht nur seine Verbündeten in eine sehr schwierige Lage, sondern untergräbt die Autorität der Vereinten Nationen weiter. Wenn ein demokratischer Rechtsstaat die UN boykottiert, was soll dann Schurkenstaaten noch davon abhalten, internationales Recht mit Füßen zu treten?, kritisiert De Standaard.
Kein Frieden in Sicht
Die Europäische Union hat nur sehr begrenzten Einfluss auf Israel, räumt Le Soir ein. Lediglich den Vereinigten Staaten ist es bisher gelungen, der von Rache geblendeten israelischen Regierung kleine Zugeständnisse abzuringen. Die Europäer fahren sich derweil in denselben unhaltbaren Positionen fest wie seit 30 Jahren. Wir ernten, was wir säen, es kann nicht mehr einfach nur darum gehen, das Recht Israels auf Selbstverteidigung zu unterstreichen, auf das Kriegsrecht zu bestehen und internationale Menschenrechte zu betonen. Es muss auch darum gehen, endlich Menschlichkeit zu zeigen, fordert Le Soir.
In diesem Krieg gibt es kaum Parteien, die Einfluss haben, hält De Tijd fest: Europa hat, gerade im Vergleich zu den USA, besonders wenig zu bieten, um den Konflikt zu entschärfen. Zumindest, solange es schon so schwierig ist, zu einer gemeinsamen Position der Mitgliedsstaaten zu finden. So geht der aussichtslose Krieg weiter, es wäre aber eine Illusion zu glauben, dass es ohne Diplomatie jemals Frieden geben könnte, betont De Tijd.
Wird eine aus Rache geborene Bodenoffensive irgendetwas lösen?, fragt Het Belang van Limburg. Es ist zu befürchten, dass eher das Gegenteil der Fall sein wird. Häuserkampf ist immer ein militärisches Glücksspiel, so etwas kann schnell zu einer Materialschlacht und enormen Verlusten auf beiden Seiten führen, vom Schicksal der 200 israelischen Geiseln ganz zu schweigen. Wenn Israel alle seine Truppen nach Gaza schickt, könnte das den Norden des Landes auch verwundbar machen für Angriffe der Hisbollah aus dem Libanon, ein Dominoeffekt für die ganze Region wäre zu befürchten. Außerdem scheint Israel auch weiterhin keine Exit-Strategie zu haben für das, was nach einem Einmarsch in den Gazastreifen passieren soll, beklagt Het Belang van Limburg.
Keine "Smoking Gun"
Het Laatste Nieuws kommt auf die politische Aufarbeitung des Terroranschlags auf schwedische Fußballfans in Brüssel zurück, genauer gesagt auf die Befragung von Innenministerin Annelies Verlinden durch den zuständigen Kammerausschuss: Mit einer detaillierten Powerpoint-Präsentation zum zeitlichen Ablauf der Ereignisse hat Verlinden das angekündigte Fragen-Feuerwerk wie einen Pudding zusammensacken lassen. Die Kritik der Opposition ging danach in alle Richtungen, jeder wollte etwas anderes anprangern. Damit war klar: Es gibt keine "Smoking Gun", keinen eindeutigen Beweis für ein Fehlverhalten der Polizei und damit der Innenministerin. Im Gegensatz zum Justizminister sehen wir also keine Gründe für einen Rücktritt der Innenministerin. Was natürlich nicht heißt, dass keine Lehren aus dem Anschlag und der mangelhaften Koordination zwischen den verschiedenen Stellen gezogen werden müssen. Die Regierung hat dafür eine Datenbank versprochen. Vielleicht sollte die Opposition ihre Energie besser darauf verwenden, sicherzustellen, dass die auch kommt, empfiehlt Het Laatste Nieuws.
Ein kaum noch fassbares Chaos
La Libre Belgique blickt in die Vereinigten Staaten, wo gestern nach mehreren vergeblichen Anläufen ein neuer Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt worden ist: Ohne echte Überzeugung haben sich die Republikaner nun für den wenig bekannten Mike Johnson aus Louisiana entschieden. Das Ganze illustriert einmal mehr die dramatischen Verwerfungen innerhalb der Partei, es ist ein schlicht kaum noch fassbares Chaos aus ideologischen Gräben, persönlichen Rivalitäten, diversen Streitigkeiten und widersprüchlichen Loyalitäten. Mit Johnson haben die Republikaner auch einem Kandidaten den Vorzug gegeben, der sich geweigert hat, den Wahlsieg von Joe Biden anzuerkennen. Geltende Gesetze anzuwenden, die Verfassung zu respektieren und die Institutionen zu beschützen, das waren in den Augen der Republikaner Gründe, einem anderen Kandidaten, Tom Emmer, die Unterstützung zu verweigern, hebt La Libre Belgique hervor.
Hinter all dem steht Donald Trump mit seiner spaltenden, kompromisslosen Ideologie, scheint L'Avenir einzuhaken. Der steht noch am Rand der Legalität mit seinen diversen Prozessen. Aber selbst ohne politisches Mandat gelingt es Trump, nicht nur sein eigenes Land zu destabilisieren, sondern die ganze Welt. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, was er anrichten wird, falls er erneut Präsident wird, so L'Avenir.
Der Staat muss auf allen Ebenen entschlackt werden
Das GrenzEcho greift in seinem Kommentar die Feier von 50 Jahren Parlament der Deutschsprachigen in Belgien auf: Trotz der Krisen der letzten Jahre geht es uns gut in Belgien. Wenn wir klagen, dann auf hohem Niveau. Es wäre trotzdem ein grober Fehler, die aktuellen Bedrohungen wie Inflation und Fach- oder, besser gesagt, Arbeitskräftemangel zu ignorieren. Eine der größten Bedrohungen für unsere Zukunft ist aber die überbordende Bürokratie, wir brauchen eine radikale Entschlackung unseres Staates auf allen Ebenen. Es wäre aber falsch, mit dem Finger nur auf die Politik zu zeigen. Solange breite Teile der Bevölkerung nach immer mehr Sicherheit und immer mehr Regulierungen rufen, tragen wir kollektiv Mitschuld an den Auswüchsen der Bürokratie, klagt das GrenzEcho an.
Boris Schmidt