"Mehr als zehn Euro für ein Päckchen Zigaretten", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws und La Dernière Heure. "Tabakprodukte werden aus den Auslagen verschwinden", schreibt L'Avenir auf Seite eins. "Große Supermärkte dürfen keine Zigaretten mehr verkaufen", titelt Het Nieuwsblad.
All das sind Teilaspekte des neuen "Anti-Tabak-Plans", den die Föderalregierung gestern verabschiedet hat. Die Gangart wird also nochmal deutlich verschärft. Der föderale Gesundheitsminister Franck Vandenbroucke hat ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben: 2040 soll es die erste rauchfreie Generation geben.
"Dieses Ziel will man vor allem durch drastische Preiserhöhungen erreichen", stellt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel fest. Ab dem ersten Januar kommenden Jahres wird ein Päckchen Zigaretten 60 Prozent mehr kosten als noch vor drei Jahren. Ein Päckchen Tabak wird mit 19 Euro fast doppelt so teuer sein. Das Rauchverbot im öffentlichen Raum wird ausgeweitet auf die Umgebung von Sportplätzen, Krankenhäusern, Schulen und Bibliotheken. Erwartungsgemäß ist die Tabakindustrie schon auf die Barrikaden gegangen. Der Staat wolle sich gesundstoßen auf Kosten der Raucher, so der Vorwurf. Und natürlich ist da was dran. Die diversen Akzisen-Erhöhungen hatten immer in erster Linie einen budgetären Hintergrund. Doch eine Zahl spricht Bände: Jeden Tag sterben im Durchschnitt beinahe 40 Belgier an den Folgen des Tabakkonsums.
Zeitenwende im Kampf gegen Tabakkonsum
Der Plan der Föderalregierung ist fast schon eine Zeitenwende im Kampf gegen das Rauchen, findet sinngemäß Gazet van Antwerpen. Noch nie war ein Gesundheitsminister so konsequent. Frank Vandenbroucke setzt buchstäblich alle Hebel in Bewegung, um Jugendliche davon anzuhalten, mit dem Rauchen überhaupt anzufangen. War man bislang eher Schritt für Schritt vorgegangen, so ist es jetzt eine geballte Ladung an Maßnahmen. Natürlich kann man sich die Frage stellen, wie weit ein Staat gehen darf, wieviel Einmischung in das Alltagsleben der Menschen zulässig ist. Aber im Falle des Rauchens dürfte es da eigentlich keine Diskussion geben. Jeder Raucher weniger, das ist gut für den Raucher selbst, seine Umgebung und die Gesellschaft insgesamt.
Frank Vandenbroucke hat sich hehre Ziele gesetzt, meint auch Het Nieuwsblad. Frage ist nur, ob sich das Ganze nicht am Ende als naiver Wunschtraum erweisen wird. Denn: Man kann noch so drastische Maßnahmen beschließen, Regeln anschärfen, Verbote verhängen, das Ganze steht und fällt immer mit der Durchsetzung. Wir kennen das aus anderen Bereichen: Schwarzarbeit, Schwarzfahren, überhöhte Geschwindigkeit in 30er-Zonen: Ohne systematische Kontrollen sind alle Regeln ein Schlag ins Wasser. Und auch bei dieser Tabak-Offensive vermisst man die nötigen Druckmittel. Eben wegen dieser belgischen Krankheit kann der Traum einer tabakfreien Generation am Ende in Rauch aufgehen.
Annelies Verlinden im Kreuzfeuer
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute aber auch weiter mit den Nachwehen des Brüsseler Anschlags vom Montag vergangener Woche. La Libre Belgique etwa stellt sich die Frage, ob der angeblich "einsame Wolf" Abdesalem Lassoued wirklich so einsam war, wie man bislang glaubte. In Frankreich werden ja jetzt zwei Verdächtige in dieser Sache unter anderem der Mittäterschaft beschuldigt. Anderer Aspekt ist die politische Aufarbeitung. Der zuständige Kammerausschuss wird sich heute zum zweiten Mal mit dem Attentat beschäftigen. Im Fokus steht da vor allem Innenministerin Annelies Verlinden. "Hat Verlinden eine Warnung von Interpol ignoriert?", fragt sich La Libre Belgique im Innenteil. "Wenn Verlinden nicht überzeugen kann, dann gerät die ganze Regierung in Gefahr", warnt Het Laatste Nieuws.
Verlinden ist eins von inzwischen insgesamt sieben aktiven oder ehemaligen Regierungsmitgliedern, die auf keiner Wahlliste gestanden haben. Jüngstes Beispiel ist ja der neue Justizminister Paul Van Tigchelt. "Kann ein Fachmann einen guten Minister abgeben?", fragen sich heute einige Leitartikler.
Da kann man geteilter Meinung sein, glaubt Le Soir. Auf der einen Seite ist es so, dass Experten eben wissen, wovon sie sprechen. Im Falle des neuen Justizministers kann man sich aber die Frage stellen, ob der ehemalige stellvertretende Kabinettschef von Vincent Van Quickenborne wirklich den nötigen Abstand hat. Kann er wirklich einen kritischen Blick auf Strukturen werfen, die er selbst maßgeblich mit entworfen hat? Hinzukommt: Es liegt in der Natur der Politik, sich mitunter für einen Weg entscheiden zu müssen, sich manchmal auch strategisch zu positionieren. Fachleute können sich damit schwertun; eben deswegen stehen sie ja Politikern beratend zur Seite.
Nicht gewählte Minister sind prinzipiell kein Problem, ist Het Laatste Nieuws überzeugt. Die Liste der Beispiele ist im Übrigen lang: Wer weiß etwa noch, dass Leute wie Kris Peeters. Koen Geens und sogar Jean-Luc Dehaene ursprünglich auch nicht auf einer Wahlliste standen, bevor sie zum ersten Mal ein Ministeramt übernahmen. Kritiker sagen, dass solche Quereinsteiger dazu beitragen, dass das Parlament an Bedeutung verliert. Wenn dem so ist, dann ist das Parlament das selbst schuld. Viel zu viele Abgeordnete unterwerfen sich widerstandslos der Fraktionslinie. Das Problem ist nämlich nicht, dass das Parlament keine Macht hätte, sondern dass es eben diese Macht nicht nutzt und sich dadurch selbst irrelevant macht.
Ein "belgisches Modell"?
Einige Zeitungen beschäftigen sich schließlich mit dem neuesten Bericht des Internationalen Währungsfonds über den Zustand der belgischen Wirtschaft und den Staatshaushalt. Die gute Nachricht ist, dass der IWF ausdrücklich die Widerstandskraft der belgischen Wirtschaft hervorhebt, analysiert L'Echo. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Deutschland konnte ja eine Rezession bislang verhindert werden. Aber natürlich gibt es da auch Schattenseiten. Das Wachstum verlangsamt sich, die Inflation bleibt auf einem zu hohen Niveau, vor allem aber werden das Haushaltsdefizit und die Staatsschuld langsam aber sicher wirklich zum Problem. Hinzu kommt dann auch noch, dass dringend nötige Reformen im Bereich der Pensionen oder der Energiewende in Belgien nicht entschlossen genug angegangen werden. Die lobenden Worte des IWF mögen sich in manchen Ohren denn auch gut anhören, Wachsamkeit ist nichtsdestotrotz geboten.
Liest man den IWF-Bericht, dann kann man sogar von einem "belgischen Modell" sprechen, glaubt sogar De Morgen. Ins Auge fällt nämlich die Feststellung, dass die Kaufkraft der Bürger in keinem anderen Land so effektiv erhalten werden konnte wie in Belgien. Das ist nun auch nicht nichts. Die automatische Lohnindexierung, also die Anpassung der Bezüge an die Preisentwicklung, ist bislang eigentlich immer nur von gutverdienenden Analysten kritisiert worden. Nach jahrelangem Hohn beginnen jetzt aber auch andere Länder interessiert auf Belgien zu schauen, und das unter dem Druck ihrer immer weiter verarmenden Bürger. Natürlich ist das nur die halbe Wahrheit. Der IWF hat nämlich auch Recht, wenn er den Zustand der belgischen Staatsfinanzen kritisiert. Erst recht vor dem Hintergrund der Vergreisung und der Energiewende kann das nicht länger so weiter gehen. Das ist die zentrale Herausforderung der nächsten Regierung. Und es wäre schön, wenn wir im Wahlkampf ehrlich und konstruktiv darüber reden könnten.
Roger Pint