"Das Volk hat den Pharao kleingekriegt", titelt heute Le Soir. "Mubarak beugt sich der Wut des Volkes" meint De Morgen auf Seite 1. Andere Schlagzeilen sind dagegen eher von Skepsis geprägt: "Mubarak gibt dem Volk zu wenig", meint etwa De Standaard. "Mubarak stoppt, die Wut bleibt", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite 1. Und Het Belang van Limburg glaubt gar "Mubarak hört nicht auf die Proteste".
Zu wenig, zu spät
Gestern sind hunderttausende Menschen in den großen Städten Ägyptens auf die Straße gegangen, um gegen das seit dreißig Jahren währende autokratische Regime von Präsident Hosni Mubarak zu protestieren. Am Abend reagierte der Präsident im Rahmen einer TV-Ansprache auf die Bürgerproteste.
Er kündigte an, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im September nicht mehr kandidieren zu wollen. Die Demonstranten brachen zunächst in Jubel aus, schildert Le Soir die Ereignisse, doch nur wenig später zeigte sich, dass die Geste des Pharao für viele Demonstranten nicht ausreicht. Sie fordern weiter den sofortigen Rücktritt von Mubarak.
Welche Zukunft für Ägypten?
Kommentierend meint Le Soir dazu: Schon bald werden wir wissen, ob die Ägypter Geduld an den Tag legen oder ob sie doch Mubarak jetzt schon aus dem Amt jagen wollen. Schon jetzt stellt sich allerdings die Frage, was morgen sein wird.
Nach Tunesien entledigt sich jetzt auch Ägypten seines Diktators. Die Systeme, die die Herrscher in Jahrzehnten aufgebaut haben, bestehen im Wesentlichen aber immer noch.
Ägypten hat jetzt zwei Möglichkeiten, notiert auch Gazet van Antwerpen. Entweder, der Übergang erfolgt in Ruhe und Besonnenheit, - oder im Chaos. Das Volk hat gestern ein beeindruckendes Zeichen gesetzt, indem es friedlich und diszipliniert demonstrierte. Jetzt bleibt aber nur zu hoffen, dass der Regimewechsel in Kairo nicht in eine religiöse Revolution wie im Iran ausartet. Anders als Tunesien verfügt Ägypten nämlich in der arabischen Welt über eine gewisse Strahlkraft.
Schlüsselrolle der Armee
Den Schlüssel in der Hand hat ganz eindeutig die Armee, analysiert De Morgen. Das wurde schon gestern deutlich: Erst zeigte die Armee Verständnis für die Forderungen der Demonstranten. Und daraufhin bekannte auch das Ausland Farbe: Der türkische Premier Erdogan rief Mubarak zum Einlenken auf; hinter den Kulissen plädierten auch die USA für eine Wechsel in Kairo. Und irgendwann stand Mubarak alleine da.
Die Armee können insbesondere die USA bei der Stange halten, glaubt aber La Libre Belgique. Washington unterstützt die ägyptischen Streitkräfte über massive Militärhilfen. Solange das Geld fließt, sollten sich die Generäle ans Drehbuch halten. Neben der Armee richten sich jetzt aber auch alle Blicke auf die politische Opposition im Land, insbesondere auf den ehemaligen Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed El Baradei. Der muss allerdings aufpassen, dass er sich Mubarak gegenüber nicht zu nachsichtig zeigt und damit gleich bei den Demonstranten wieder jeglichen Kredit verliert.
Die Rolle des Westens
Der Westen sollte jetzt auf jeden Fall seine Scheinheiligkeit ablegen, meinen sinngemäß Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad. Europa und die USA haben aus geopolitischen Erwägungen heraus viel zu lange weggeschaut. Klar besteht die Gefahr, dass der Umschwung die Falschen an die Macht bringt. Wer aber der Demokratie keine Chance geben will, aus Angst vor dem Islamistischen Kräften, der ist nicht besser als Mubarak, der sich auch als Garant für Stabilität sah.
Wer wird neuer Vermittler?
Innenpolitisch richten sich heute alle Blicke auf den Palast. König Albert hat seine Konsultationen abgeschlossen und dürfte jetzt einen neuen Vermittler benennen. "Wer könnte das sein?" fragen sich viel Zeitungen. Und da schießen die tollsten Spekulationen ins Kraut.
L'Avenir bringt einen kleinen Überblick. Als mögliche Vermittler werden demnach unter anderen genannt: De Wever, Di Rupo, Reynders, aber auch Jean-Claude Marcourt, Luc Van den Brande oder Steven Vanackere. Und La Libre Belgique fügt hartnäckig einen Namen hinzu: Yves Leterme. De Standaard bescheinigt dem König jedenfalls, vor einer heiklen Entscheidung zu stehen. Für eine Vermittlungsmission anbieten würden sich wohl am ehesten die MR und die CD&V.
"curieuzeneuzemosterdpot"
In diesem Zusammenhang sorgt eine Anekdote für mächtig Wirbel. Gestern hatten Fotografen ein Foto von einem Dokument geschossen, das Elio Di Rupo beim Eintreffen in Schloss Laeken auf dem Schoß hatte. Darauf konnte man unter anderem den handschriftlichen Vermerk entziffern, dass Di Rupo die Haltung der CD&V als unverantwortlich brandmarkt. Als wenig später Bart De Wever in Laeken ankam, und die Fotografen wieder draufhielten, gab es wieder ein Foto von einem Dokument. Darauf stand zu lesen "curieuzeneuzemosterdpot", sinngemäß: "neugierige Nasen".
Aus dieser Episode machen zwei Blätter ihre Titelgeschichte - mit allerdings vollkommen entgegengesetztem Blickwinkel. Gazet van Antwerpen spricht wohlwollend vom Witz der Woche; Het Laatste Nieuws findet das Ganze hingegen gar nicht lustig und beklagt in Blockbuchstaben, dass die Protagonisten wohl trotz aller Dramatik immer noch Zeit für Spielchen haben.
Absicht oder Kalkül?
Fast alle Zeitungen sind sich einig: Di Rupo hat es darauf angelegt, dass die Fotografen exakt dieses Foto ergatterten. Schließlich ist das nicht der erste Vorfall dieser Art. Und, wie Le Soir bemerkt: Di Rupo ist viel zu professionell, um sich so plump reinlegen zu lassen. Die Reaktion von De Wever spricht dennoch Bände. Seine Botschaft lautet nämlich zwischen den Zeilen: Schluss mit den Spielchen.
Die Analyse von L'Avenir ist eine andere: De Wever hat nichts Besseres zu tun, als auf ein durchaus ernst gemeintes Signal mit einem blöden Witz zu reagieren. La Dernière Heure glaubt schließlich: Der PS-Chef wollte wohl den Druck auf die CD&V erhöhen. Es ist eine neue Phase der Dramatisierung.