"Die Hamas zählt auf ihr Tunnelnetzwerk unter Gaza", schreibt De Morgen. "Israels Militär zielt auf gesamte Hamas-Spitze", so das GrenzEcho. "Bewohner des Gazastreifens immer verzweifelter, Israel verweigert jegliche Hilfe", titelt De Standaard. "In den Gazastreifen einfallen ist 'einfach', aber wann ist die Mission beendet?", fragt De Tijd. "Bei so viel Elend zerbrechen selbst Soldaten", titelt Het Laatste Nieuws zu Reaktionen israelischer Soldaten angesichts der Gräueltaten der Hamas.
Die israelische Regierung hat geschworen, die Hamas zu vernichten, kommentiert De Standaard. Dazu hat Israel schon jetzt rund drei Mal so viele Soldaten an der Grenze zum Gazastreifen zusammengezogen wie Russland für seine Invasion der Ukraine. Dieser Krieg wird über die Zukunft von ganzen Generationen bestimmen, sowohl von Palästinensern als auch von Israelis. Diese Zukunft wird nicht davon abhängen, was mit der Hamas geschehen wird, sondern davon, wie und mit welchen Traumata die 2,2 Millionen Bewohner des Gazastreifens überleben werden. Die Vorbereitung der israelischen Militäroperation wird zweifelsohne noch Zeit in Anspruch nehmen, denn sie wird alles andere als einfach werden. Diese Zeit sollten sowohl die Europäer als auch die Vereinigten Staaten nutzen, um Israel davon zu überzeugen, auch in Richtung Zukunft zu blicken. Und das beinhaltet auch die Frage, wie Israel künftig mit den Bewohnern des Gazastreifens umgehen wird. Denn hier steht auch die Menschlichkeit Israels auf dem Spiel, warnt De Standaard.
Kriegsrecht und Fake News
Wenn es jemals so etwas wie ein Kriegsrecht gab, also Regeln, nach denen Krieg geführt werden sollte, dann ist es in den vergangenen Jahren komplett über Bord geworfen worden, beklagt De Tijd. Von der Ukraine über Syrien bis hin zum neuen Krieg zwischen Israel und der Hamas ist längst die Zivilbevölkerung zum Hauptangriffsziel geworden. Es stimmt zwar, dass die Hamas die Bevölkerung des Gazastreifens als Schutzschild missbraucht, aber das Kriegsrecht erlaubt dennoch nicht die kollektive Bestrafung und Ermordung der dort lebenden Menschen. Wieder einmal werden Zivilisten die Zeche zahlen, das wird nur zu noch mehr gegenseitigem Hass führen und die Konflikte am Leben erhalten. Deswegen wird eine Bodenoffensive auch nichts lösen, sie wird nur der nächsten Phase dieses Konflikts den Boden bereiten, kritisiert De Tijd.
De Morgen befasst sich mit dem Problem von Falschnachrichten im Zusammenhang mit dem neuen Krieg: Das Internet hat dazu geführt, dass sich Nachrichten rasend schnell verbreiten. Das kann sowohl ein Nachteil als auch ein Vorteil sein, denn dadurch lassen sich Falschmeldungen auch schneller wieder korrigieren. Journalisten müssen vor allem immer sorgfältig arbeiten, Krieg hin oder her. Welche schlimmen Folgen nicht überprüfte Informationen haben können, hat uns nicht zuletzt der Irakkrieg gelehrt, erinnert De Morgen.
Keine Probleme von außen importieren
Het Nieuwsblad greift die öffentliche Positionierung belgischer Politiker in dem Konflikt auf: Antwerpens Bürgermeister und N-VA-Vorsitzender Bart De Wever etwa hat sich deutlich auf die Seite Israels gestellt, das sei die Seite der Demokratie und des Lichts, so De Wever. Aber diese "Seite des Lichts" hat den Gazastreifen mittlerweile von der Strom-, Treibstoff- und Wasserzufuhr abgeschnitten und bombardiert die dort eingeschlossenen über zwei Millionen Menschen pausenlos. PTB-Chef Raoul Hedebouw wiederum schiebt Israel sämtliche Verantwortung zu für den blutigen Angriff der Hamas. Als ob sich die Hamas nicht bewusst fürs Morden entschieden hätte, als ob sie nicht selbst Palästinenser umbringt, die nicht zu ihrer extremen Ideologie passen. Und was für die belgische Politik gilt, gilt auch international: Solange sich die Machthabenden für eine der beiden Seiten entscheiden, wird es keinen dauerhaften Frieden geben, ist Het Nieuwsblad überzeugt.
In Antwerpen leben sowohl viele Juden als auch viele Muslime, die Sympathien für Palästina haben, erinnert Het Belang van Limburg. Indem Bürgermeister De Wever hier die israelische Flagge hissen lässt, bettelt er geradezu um Probleme. Was sich im Gazastreifen, im Westjordanland oder in Israel abspielt kann auch zu Anschlägen hierzulande führen, der Schutz für jüdische Einrichtungen ist schon erhöht worden. Wir müssen es vermeiden, Probleme von außen zu importieren. Wenn jeder die Kämpfe fortsetzt, die schon im Land der Väter, Mütter, Brüder, Schwestern oder Vettern geführt worden sind, dann kann das Zusammenleben nicht funktionieren. Die meisten Menschen sind doch emigriert, um Problemen zu entkommen, nicht um sie andernorts weiter zu pflegen, appelliert Het Belang van Limburg.
Zuwachs für Extreme und Blockbildung
Die frankophonen Leitartikel befassen sich vor allem mit dem neuen Politbarometer von RTBF und La Libre Belgique bezüglich der Wahlabsichten der Bürger für 2024: Es ist und bleibt natürlich nur eine Umfrage, räumt La Libre Belgique ein, aber das Punkten der extremen Parteien Vlaams Belang und PTB verheißt wenig Gutes – weder für die öffentliche Debatte noch für die Zukunft Belgiens. Die wichtigsten Fragen werden sein, wie die demokratischen Parteien die Wähler noch überzeugen können und wie sie nach den Wahlen eine Lähmung des Landes verhindern können. Andernorts in Europa haben sich die Menschen bereits für Extreme entschieden – und sind enttäuscht worden, weil die vollmundigen Versprechen doch nicht erfüllt worden sind, gibt La Libre Belgique zu bedenken.
Die Unzufriedenen wenden sich den Extremisten zu, fasst L'Avenir zusammen, in der Wallonie den extremen Linken, in Flandern den extremen Rechten. Das war schon bekannt und bestätigt sich nun erneut. Die Verantwortung der Politik wird vor allem darin liegen, eine föderale Regierung auf die Beine zu stellen. Denn falls das nicht gelingt, wird es noch mehr Unzufriedene geben.
Strukturell muss man vor allem etwas festhalten, was zwar nicht neu ist, aber ausgeprägter denn je, schreibt La Dernière Heure: 58 Prozent der wallonischen Wähler stimmen für Links, also PS, PTB oder Ecolo. Wobei die marxistische PTB auf fast 20 Prozent kommt. In Flandern hingegen stimmt nur ein Drittel links, also für Vooruit, PVDA oder Groen. Wobei Vooruit ja weiter rechts unterwegs ist als die PS. 44 Prozent der Flamen geben ihre Stimme hingegen rechts oder extrem rechts ab, sprich für N-VA oder Vlaams Belang. Damit zeichnet sich ein klares Bild ab für die Wahlen: Es wird einen frankophonen Block geben, der noch weiter links steht, und einen flämischen Block, der noch weiter rechts steht. In den meisten Ländern würde das einen unüberwindbaren Graben darstellen. Wir werden abwarten müssen, ob der typisch belgische Sinn für Kompromisse (und Koalitionen) dieses Mal reichen wird…, so La Dernière Heure.
Boris Schmidt