"Indian Summer – auch heute noch rund 25 Grad", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Wir erleben den wärmsten Spätsommer aller Zeiten", meldet De Standaard. "Im T-Shirt auf der Caféterrasse… im Oktober!", ist auch Gazet van Antwerpen erstaunt. "Wetterdienst: Mehrere Temperaturrekorde im abgelaufenen Monat in Belgien gebrochen – wärmster jemals gemessener September", titelt das GrenzEcho.
Ins Schwitzen kommt derweil aber vor allem auch Conner Rousseau, der Vorsitzende der flämischen Sozialisten Vooruit: Per Eilverfahren hat Rousseau allen Medien untersagen lassen, über den Inhalt des Protokolls zu berichten, das gegen ihn erstellt worden ist wegen angeblicher rassistischer Äußerungen in einem Café. Das stellt im Kern nichts weniger dar als präventive Zensur und damit eine drastische Beschneidung der Pressefreiheit, hält De Standaard in seinem Leitartikel fest. Wenn Medien wirklich nicht über noch laufende Untersuchungen berichten dürften, wie es Rousseau fordert, dann würden so gut wie keine Skandale und Vergehen mehr an die Öffentlichkeit gelangen. Eine absurde Forderung für einen Politiker, gerade für einen linken. Wenn die Medien nicht über so etwas berichten, dann sagen sie, dass die Wahrheit nebensächlich ist, dann können sie auch gleich einpacken. Das Verhalten von Rousseau und seinem Team ist einer der flagrantesten Versuche, sich die Presse zu unterwerfen, wettert De Standaard.
Autoritäre Züge
Es ist manchmal unabdingbar, dass die Presse über noch laufende Untersuchungen berichtet, unterstreicht auch De Morgen – insbesondere, wenn es um Angelegenheiten geht, die gesellschaftlich wichtig sind und die nicht warten können, bis die Justiz ihr Urteil gefällt hat. Wenn die Presse etwa zu Missbrauchsskandalen schweigt wie in der Kirche, dann kann der Missbrauch weitergehen. Vertuschungen und Unterschlagungen durch die Justiz können nur ans Licht kommen, wenn die Presse über laufende Verfahren berichtet. Rousseau ist auch Volksvertreter und hat damit die Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen ist es wichtig, dass die Wähler eher früher als später über solche Vorwürfe informiert werden. Es ist nicht die Aufgabe der Presse, Rousseau dabei zu helfen, sein Image für die Wahlen intakt zu halten. Hinzu kommt, dass das Verbot von Zensur in der Verfassung verankert ist – im Gegensatz zum Untersuchungsgeheimnis. Zensur und insbesondere präventive Zensur verstoßen gegen dieses wichtige Prinzip. Rousseaus grobes Vorgehen zeigt einen beunruhigenden Mangel an Respekt vor sowohl der Freiheit der Presse als auch vor der Verfassung. Auf so einen autoritären Stil können wir bei unseren politischen Führern verzichten, giftet De Morgen.
Missbrauch und Migration
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich mit dem Missbrauchsskandal in der belgischen katholischen Kirche: Die kollektive Entrüstung, die sich nun überall erhebt nach der neuen Reportage über historischen Missbrauch, scheint etwas billig, der Missbrauch war schon lange ein offenes Geheimnis, über das alle hinter vorgehaltener Hand getuschelt haben. In dem Sinne sind manche Vorwürfe des Wegschauens Heuchelei, denn weggeschaut haben viele. Das Gleiche gilt für den plötzlichen politischen Aktionismus. Wir brauchen kein Getöse, sondern echte Antworten, wie die Justiz bei der Vertuschung der Vorfälle geholfen hat – darüber, wie das System Opfer noch immer zum Schweigen zwingt, fordert Het Laatste Nieuws.
Le Soir blickt auf die Flüchtlingspolitik: Die Kommunikation der politisch Verantwortlichen auch in Belgien ist düster und furchteinflößend, nicht nur was die Zahlen betrifft, sondern auch die Wortwahl. Immer wieder ist die Rede davon, dass die Kontrolle zurückgewonnen werden muss. Die Vorstellung, dass Europa eine Migrationskrise erlebt, wird in den Köpfen der Menschen verankert. Aber ist es nicht viel eher der politische Umgang mit Migration, der eine Krise erlebt? Solidarität zwischen Mitgliedsstaaten ist zum Fremdwort geworden, es ist einfacher geworden für immer mehr Parteien, für die Schließung von Grenzen zu plädieren als für die Aufnahme von Flüchtlingen, Wahlkampf liegt in der Luft. Echter politischer Mut – sowohl von links als auch von rechts – wäre, den Menschen zu erklären, dass es nicht darum geht, allen Bedürftigen der Welt zu helfen, sondern einfach darum, denen Schutz zu gewähren, die vor Krieg, Hunger und Verfolgung fliehen. Das ist eine Pflicht, die sich ein demokratischer und wohlhabender Staat wie Belgien leisten kann. Das deutlich zu sagen, würde auch die Akzeptanz von Migration in der Bevölkerung erhöhen. Ganz zu schweigen davon, dass der Arbeitskräftemangel zynischerweise zur Suche nach Arbeitern auf anderen Kontinenten zwingen wird, so Le Soir.
Die Invasion der Bettwanzen
La Dernière Heure befasst sich mit einem ganz anderen Problem: Wenn sich Frankreich kratzt, dann fängt auch die Haut in Belgien an zu jucken. Die Ausbreitung der Bettwanzen hat nicht an den Grenzen haltgemacht, auch in Belgien berichten Schädlingsbekämpfungsfirmen über immer mehr Fälle von Bettwanzen in Haushalten in allen großen Städten des Landes. Keine einzige Schicht der Gesellschaft bleibt von der Plage verschont, selbst Luxushotels sind befallen. Es reicht schon, einen Zug genommen zu haben mit einer abenteuerlustigen Bettwanze im gleichen Wagen, um das Problem mit zu sich nach Hause zu bringen und vielleicht sogar zu den Nachbarn. Denn eines muss man diesen mit dem bloßen Auge kaum sichtbaren, nervigen Insekten zugestehen: Sie können sich an alle Umstände anpassen und sie profitieren von den neuen Angewohnheiten ihrer Lieblingsbeute – den Menschen, seufzt La Dernière Heure.
Boris Schmidt