"'Pinkelaffäre': Justizminister Van Quickenborne unter Druck – Bilder von Überwachungskameras zeichnen ein anderes Bild der Vorgänge als von ihm dargestellt", titelt das GrenzEcho. "Auch Justizminister gefilmt nach berüchtigter Feier", so Gazet van Antwerpen. "Van Quickenborne selbst zu sehen auf Bildern des 'Kombi-Zwischenfalls'", schreibt Het Laatste Nieuws. "Bilder bringen Van Quickenborne noch stärker in Verlegenheit", titelt unter anderem Het Nieuwsblad. "Opposition will Rücktritt", meldet De Morgen.
Die Party anlässlich seines 50. Geburtstags droht für Vincent Van Quickenborne mit einem sehr großen Kater zu enden, kommentiert Het Nieuwsblad: Die Rekonstruktion des "Watergate", wie der Pinkel-Vorfall mittlerweile auch genannt wird, legt nahe, dass es hier um einen alles andere als harmlosen, einmaligen Fehltritt geht. Partygäste haben offensichtlich gleich mehrfach gegen das leere Polizeifahrzeug uriniert, das zur Bewachung des Justizministers abgestellt war. Es ist auch gegen das Fahrzeug getreten worden, ein betrunkener Gast hat sich in das Auto gesetzt, um sich dort fotografieren zu lassen.
Aber obwohl die Vorwürfe immer ernster werden, bleiben die Erklärungen des Ministers die gleichen – nämlich, dass er nichts mit all dem zu tun hatte. Aber kann das stimmen? Auf seiner eigenen Feier? Bei Vorfällen, die sich buchstäblich vor seiner Haustür abgespielt haben? Während die Polizeigewerkschaften die Veröffentlichung der Überwachungsvideos verlangen, wollen Van Quickenbornes Open VLD und ihre föderalen Koalitionspartner die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. Dem Justizminister sollte aber klar sein, dass das keine gute Strategie ist, die Kontroverse wird weiter wüten und ihn immer stärker untergraben. Justitia verlangt die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Es scheint aber mehr und mehr, als ob ausgerechnet der Justizminister das nicht einsehen will, giftet Het Nieuwsblad.
Staatsbons: Eine enttäuschende Bilanz
Le Soir befasst sich mit den neuen Staatsbons: Anders als bei den Staatsbons von Yves Leterme ging es nicht um die Vermeidung des Staatsbankrotts, sondern darum, die Banken unter Druck zu setzen, damit die ihren Kunden höhere Zinsen auf ihr Erspartes geben. In dieser Hinsicht ist die Bilanz aber enttäuschend: Es hat als Reaktion auf die Staatsbons zwar ein paar begrenzte Zinserhöhungen gegeben und eine Handvoll neue Finanzprodukte, aber wirklich viel hat sich nicht getan, die Inflation wird die Sparguthaben der Belgier weiter auffressen.
Damit steigt auch die Gefahr der allgemeinen Unzufriedenheit der Bürger mit den Banken: Nicht nur wegen ihrer Zinspolitik, sondern auch, weil es immer weniger Bankfilialen in der Nachbarschaft gibt, weil es immer schwieriger wird, bei seiner Bank mit einem Menschen zu sprechen statt mit einer Maschine, weil es immer aufwändiger wird, Geldautomaten zu finden. Der Eindruck, dass Banken nur noch an großen und reichen Kunden interessiert sind, hilft da auch nicht, genauso wenig wie die Tatsache, dass die Banken vor gar nicht allzu langer Zeit ja noch mit Millionen an Steuergeldern gerettet werden mussten, warnt Le Soir.
Nahrungsmittelinflation und Verteidigungsausgaben
De Tijd greift das Thema Nahrungsmittelinflation auf: Schon im Juli war festgestellt worden, dass Belgien die niedrigste Inflation in der Eurozone hat. Und die OECD hat ermittelt, dass die Löhne inflationsbereinigt nirgends so stark steigen wie in Belgien. Eine neue Studie des Wirtschaftsministeriums zeigt jetzt, dass die Preissteigerungen in belgischen Geschäften nicht abnormal hoch ausfallen. Außerdem sinkt die durchschnittliche Gewinnmarge in Belgien wieder und wird das wohl auch weiter tun, die Selbstregulierung des Marktes funktioniert also. Aus den Daten der Preisüberwachungsstelle geht außerdem auch hervor, dass es perfekt möglich ist, eine große Auswahl an Lebensmitteln zu kaufen, deren Preise nicht künstlich aufgeblasen worden sind. Das muss natürlich nicht automatisch so bleiben. Deswegen ist es wichtig, dass die Preise weiter erfasst werden, und verhindert wird, dass große Konzerne ihre Marktmacht missbrauchen, unterstreicht De Tijd.
L'Echo blickt auf die belgischen Verteidigungsausgaben: Aus Berechnungen der Landesverteidigung geht hervor, dass die aktuell vorgesehenen Haushaltsmittel nicht reichen werden, um alle Ausgaben der nächsten Jahre abzudecken. Allein die Kosten für die Auffüllung der Munitionsvorräte werden mit sieben Milliarden Euro beziffert. Obendrauf kommen dann noch die Betriebs- und Unterhaltskosten. Daraus ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: Erstens wird die nächste Regierung eine Debatte über eine weitere Erhöhung der Verteidigungsausgaben nicht vermeiden können. Und zweitens, dass man das auch als Chance sehen sollte: Ein Teil der notwendigen Investitionen muss belgischen Betrieben zugutekommen, fordert L'Echo.
Das lokale Handwerk in der Wallonie stärken
L'Avenir denkt anlässlich der gerade stattfindenden Europameisterschaft der Berufe, der "Euroskills", über den Zustand des Handwerks nach, insbesondere im Süden des Landes: Angesichts der Gesundheits- und Ukrainekrise muss sich die Wirtschaft anpassen. Nicht nur in puncto Energie- und Umweltwende, sondern auch, was die Verlagerung bestimmter Produktionsketten angeht. In diesem Zusammenhang ist es immens wichtig, das lokale Handwerk zu stärken. Die Verbesserung von Bildung und Ausbildung und eine bessere Abstimmung mit und Einbettung in die wallonische Wirtschaft müssen zu zentralen Themen gemacht werden für die nächsten Wahlen. Während in Flandern quasi Vollbeschäftigung herrscht und viele Firmenchefs große Probleme haben, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, gibt es in der Wallonie ja noch immer 224.000 Arbeitslose, erinnert L'Avenir.
Boris Schmidt