"Terrorprozess biegt in die Zielgerade ein", titelt das GrenzEcho auf Seite eins. "Der Prozess um die Attentate von Brüssel wird diesen Montag wieder aufgenommen mit der Debatte über die Strafmaße", so La Dernière Heure. "Nach der Schuld geht es beim Terrorprozess jetzt um die Strafe", lautet die Überschrift bei De Standaard. "Warum nicht alle acht Schuldigen lebenslänglich bekommen werden", schreibt L'Avenir.
Nachdem der große Terrorprozess von Brüssel am 25. Juli in die Sommerpause gegangen war, setzt die Justiz jetzt also zum Endspurt an, kommentiert L'Avenir. Zur Erinnerung: Die Geschworenenjury hat acht der zehn Angeklagten schon für schuldig befunden, zwei sind von jeglicher bewusster Schuld freigesprochen worden. Ein Urteil, das allen, die den Prozess verfolgt haben, logisch und richtig erscheint. Jetzt muss der Prozess um die furchtbaren Taten, die am 22. März 2016 35 Menschen das Leben gekostet haben, auch noch ein würdiges Ende finden. Auch wenn also acht Täter schuldig gesprochen worden sind, so waren sie trotzdem nicht alle gleich stark an den Terroranschlägen beteiligt. Das muss eine menschliche Justiz berücksichtigen: Auch wenn es schwierig ist, solche Personen noch als menschlich zu bezeichnen, müssen sie eine jeweils angemessene Strafe bekommen, unterstreicht L'Avenir.
Terlinden muss beweisen, dass er hip genug ist
Gazet van Antwerpen befasst sich in ihrem Leitartikel mit dem neuen Oberhaupt der Katholischen Kirche in Belgien, Luc Terlinden ist gestern zum neuen Erzbischof von Mechelen-Brüssel geweiht worden: Es ist auffällig, wie Luc Terlinden als ganz normaler Durchschnittsmensch porträtiert wird. Mit seinen 54 Jahren sei er jung und dynamisch, heißt es. Er sei ein stolzer Scout, sei Anderlecht-Anhänger und habe einen Dackel namens Oscar. Also quasi Terlinden, der Nachbar von nebenan.
Mit dieser Taktik versucht die Katholische Kirche, ihre Botschaft möglichst vielen Gläubigen näher zu bringen. Allerdings wäre es naiv, zu glauben, dass das reichen wird, um die Kirchen im Land wieder zu füllen. Die römisch-katholische Kirche hat die gleichen Probleme wie der Rest der Gesellschaft: Immer weniger Menschen sind bereit, sich langfristig zu engagieren, sei es in der Kirche, in Vereinen oder in Klubs – auch wenn sie nach wie vor bereit sind, sich für sehr konkrete und zeitlich begrenzte Projekte mobilisieren zu lassen.
Papst Franziskus scheint mit Luc Terlinden jedenfalls den richtigen Übersetzer für seine Botschaft in Belgien gefunden zu haben. Jetzt ist es an Terlinden, zu beweisen, dass er genauso "hip" sein kann wie der Papst. Das wird ihm aber nicht im Alleingang gelingen, er wird seine Bischöfe mit an Bord holen müssen – andernfalls droht er zum Prediger in der Wüste zu werden, warnt Gazet van Antwerpen.
Bouchez profitiert von der toten Katze
La Dernière Heure greift die Torten-Attacke auf den Vorsitzenden der frankophonen Liberalen am Samstag auf: Der Täter hat MR-Chef Georges-Louis Bouchez eigentlich einen Gefallen getan. Es ist Boris Johnson gewesen, der die sogenannte "Dead-Cat-Strategie" bekannt gemacht hat, also die "Strategie der toten Katze". Die besagt im Kern, dass man ein dramatisches oder schockierendes Thema auf den Tisch legt, um damit von einem anderen, unerwünschten Thema abzulenken.
Seit Samstag ist die Tortenattacke auf Bouchez nun das Top-Thema nicht nur unter belgischen Internetnutzern, sondern auch in Politik und Presse – die Torte hat wie die sprichwörtliche "tote Katze" alle anderen politischen Themen vom Tisch gefegt. Wenn es das Ziel des Tortenwerfers war, Bouchez ins Rampenlicht zur rücken und seine politische Konkurrenz ins Abseits zu drängen, dann ist ihm das zweifelsohne gelungen, giftet La Dernière Heure.
Am Abgrund
Het Nieuwsblad kommt auf die belgische Asyl- und Migrationsdebatte zurück, die gestern auch in der TV-Sendung "De zevende dag" wieder erbittert geführt worden ist: Es scheint, also ob sich die traditionellen Parteien viel lieber aneinander abarbeiten, als den extremen Parteien noch Paroli zu bieten, als ob einige von ihnen diesen Kampf schon ganz aufgegeben haben.
Quasi ohne Widerspruch konnte Tom Van Grieken vom rechtsextremen Vlaams Belang für die Schließung der Grenzen plädieren. Keine einzige andere Partei unterstützt diese Position – aber deutlich betonen will das öffentlich auch keine von ihnen. Vielleicht ist auch das ein Grund für die immer weiter zunehmende Ablehnung der Politik: Es ist den Bürgern letztlich doch ziemlich egal, ob Alexander De Croo Bart De Wever angreift oder ob Sammy Mahdi Nadia Naji aus der Reserve lockt. Die traditionellen Parteien bereiten sich vor, in den Krieg zu ziehen – aber sie haben offenbar keine Ahnung, wo der echte Feind steht, kritisiert Het Nieuwsblad.
Die Grünen müssen wegen der Asyl- und Migrationspolitik der Regierung umgehend die Vivaldi-Koalition verlassen, fordert derweil De Morgen. Die diesbezügliche Politik der Regierung verstößt nicht nur nachweislich gegen geltende Gesetze, sondern unterscheidet sich auch immer weniger von dem, was rechtsextreme Parteien tun würden, wenn sie an der Macht wären. Die Entmenschlichung der Flüchtlinge schreitet immer weiter voran, sämtliche rote Linien einer liberalen Demokratie sind schon längst überschritten worden. Die Grünen machen sich mitschuldig an der Missachtung grundlegender Menschenrechte, wenn sie in der Regierung bleiben.
Und nicht nur das, es geht hier auch um Themen, die den Kern der grünen politischen Identität ausmachen. Man kann nur hoffen, dass das die Basis den Spitzen der Partei auch klarmachen wird. Die Grünen stehen wieder am Abgrund, für sie gilt: Jetzt oder nie!, meint De Morgen.
Boris Schmidt