La Libre Belgique bringt heute den N-VA-Parteichef Bart De Wever auf die Titelseite und veröffentlicht ein Interview, das das Blatt mit dem Spitzenpolitiker zur innenpolitischen Lage geführt hat.
Im Gespräch mit der Zeitung drückt De Wever seine Zweifel an den Erfolgschancen der bisherigen Verhandlungen zu Staatsreform und Regierungsbildung aus. Auch der N-VA-Vorsitzende ist gezwungen, festzustellen, dass diese Gespräche in der Sackgasse stecken, und auch er wartet jetzt auf den Ausgang der Konsultationen, die König Albert derzeit führt.
De Wever bleibt im Interview allerdings vorsichtig. Auf die Frage, ob er Elio Di Rupo noch vertraue oder er wieder Vertrauen in die Person des PS-Parteichefs finden könne, meint De Wever gegenüber La Libre Belgique, dass er nicht wisse, worauf Di Rupo mit seinem Vorschlag, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, hinauswolle. Sein erster Eindruck sei nicht gut, aber er müsse mit Di Rupo darüber reden.
Ob ein Kompromiss zwischen Französischsprachigen und Flamen noch möglich ist, wollte die Zeitung von De Wever wissen: Dies sei schwierig, so die Antwort von Bart De Wever. Am Dienstag habe er eine Audienz beim König. Ob er eine ihm vom Staatsoberhaupt möglicherweise anvertraute Mission annehmen werde, wisse er noch nicht. Hierzu müsse man erst prüfen, welche Erfolgschancen mit einem solchen Auftrag verbunden seien.
Bart und Elio
Auch Het Belang van Limburg hat Bart De Wever heute auf Seite 1 und veröffentlicht ein Interview mit ihm. Er wolle fernab aller Fernsehkameras diskret mit Elio Di Rupo diskutieren und verhandeln, um die gescheiterten Gespräche wieder in Gang zu bringen. Hierzu sei er bereit, so De Wever in Het Belang van Limburg, sich noch einmal ins Zeug zu legen. Er wolle mit Di Rupo klären, wie man die Gespräche in einigen Punkten wieder flott machen könnte. Die Bereitschaft hierzu bestehe von seiner Seite auch, weil es sicherlich keine persönliche Aversion zwischen ihm und Di Rupo gebe, erklärt der N-VA-Parteichef, der Neuwahlen strikt ablehnt.
Im Interview mit der limburgischen Tageszeitung erklärt De Wever auch, die geschäftsführende Regierung von Yves Leterme dann unterstützen zu wollen, wenn sie Sanierungsmaßnahmen für die Staatsfinanzen ergreife. Einer um andere Partner erweiterten Regierungsmannschaft unter der Führung des scheidenden Premiers wolle er aber unter keinen Umständen beitreten. Zuerst brauche man eine Staatsreform. Unterdessen sei jetzt auch bekannt, schreibt Het Belang van Limburg, dass Bart De Wever einziger Kandidat für seine eigene Nachfolge als Parteichef der N-VA ist.
Im Leitartikel heißt es, dass Elio Di Rupo wohl die Flucht nach vorn angetreten habe. Sein Aufruf, nach dem Scheitern der Regierungsverhandlungen nun rasch eine Koalition der nationalen Einheit zu bilden, sei von allen flämischen Parteien bereits abgeschossen worden. Interessanter sei da schon die Alternative Di Rupos mit einer Ausdehnung der Leterme-Regierungsmannschaft. Dies sei ein subtilerer Versuch, die CD&V von der N-VA zu lösen und den virtuell bestehenden Parteienbund CD&V / N-VA aufzubrechen.
Auch Gazet van Antwerpen veröffentlicht heute ein Interview mit Bart De Wever und beschreibt dessen Vorschlag zu diskreten Verhandlungen mit Elio Di Rupo als letzten Trumpf des N-VA Parteichefs.
Staatskrise droht - König unter Druck
Das Grenz-Echo sieht Belgien unterdessen am Rande einer Staatskrise und beruft sich dabei auf ein Gespräch mit dem Staatsrechtler Christian Behrendt von der Uni Lüttich. Auch wenn das Auseinanderfallen des Staates in naher Zukunft nicht zu befürchten sei, befinde man sich am Rande einer Staatskrise, zitiert das Blatt den Staatsrechtler.
Die Angst vor einer solchen Staatskrise scheint König Albert zu teilen, der, so schreibt Het Laatste Nieuws, derzeit wohl nicht seine besten Tage erlebt. Die andauernde innenpolitische Krise habe das 76-jährige Staatsoberhaupt erschöpft. Die Sackgasse, in der die Verhandlungen stecken, laste schwer auf dem König. Het Nieuwsblad schreibt hierzu, dass das Staatsoberhaupt durch die Krise wohl schwer angeschlagen sei. Auch wenn offiziell erklärt werde, das Staatsoberhaupt sei physisch in Topform, werde dennoch zugegeben, dass die innenpolitische Krise Albert II arg mitnehme.
De Crem-Leaks
De Standaard macht heute mit an die Öffentlichkeit gelangten Geheiminformationen auf, wonach Verteidigungsminister Pieter De Crem seine guten Beziehungen zum US-Außenministerium genutzt habe, um Druck auf Regierungschef Leterme auszuüben und den Premier so für Pläne beim Auslandseinsatz in Afghanistan zu gewinnen.
Charles Michel an der Spitze der MR
L'Avenir titelt auf Seite 1 heute zum neuen MR-Parteichef Charles Michel, der seinen einzigen Gegenkandidaten Daniel Bacquelaine mit 55 % der MR-Wählerstimmen geschlagen hat. Jetzt müsse Michel die Partei wieder auf Einheitskurs bringen, meint L'Avenir.
Führt die "Arabische Revolution" zur Freiheit?
De Morgen macht, wie mehrere andere Zeitungen heute, mit der Situation in Ägypten auf. Das Land brenne. Mehrere Tote, hunderte Verletzte, doch Präsident Mubarak schweige. Im Leitartikel zur "Arabischen Revolution", so der Titel des Meinungsstücks, heißt es, der Protest in Ägypten sei weltlich und nicht religiös beeinflusst. Das sei beruhigend. Auch wenn man für den Ruf der Protestierenden nach Demokratie Verständnis habe, bleibe die große Frage, welche politischen Kräfte in Tunesien, Ägypten oder Jordanien jetzt die Überhand gewinnen würden, und ob nicht der eine Diktator den anderen ablösen werde.
Le Soir schreibt zum gleichen Thema, dass der in die Enge getriebene Präsident Ägyptens seine Regierung in die Wüste schickt. Im Leitartikel heißt es, von Tunis bis Kairo mache sich eine gerechte Revolution für die Menschenwürde breit. Die Ereignisse in Ägypten müssten auch uns Europäern verdeutlichen, dass man sich nicht länger zum Komplizen jener Regime machen dürfe, die die Freiheit ihrer Bürger übermäßig einschränkten.
Bild: belga