"Geldanlage: Einjähriger Staatsbon wirft 2,81 Prozent netto ab - 'Großes Interesse' für neue Staatsanleihe", so das GrenzEcho. "Der 'Van Peteghem'-Staatsbon hat seinen Zinssatz auf 2,81 Prozent festgelegt", schreibt L'Echo. "Die Banken unter Zugzwang", titelt La Libre Belgique. Für L'Avenir ist es "eine ordentliche Portion Druck" auf die Banken. "Schon drei Banken kommen mit Zinsen, die mit Staatsbon gleichziehen", so Het Laatste Nieuws. "Großbanken sprechen sich ab, die Zinsen nicht zu erhöhen", melden aber Het Belang van Limburg, Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen.
Es ist zwar nicht viel, aber es ist immerhin etwas, kommentiert L'Avenir die Festlegung des Zinssatzes. Die Regierung macht den Sparern damit ein Geschenk, auch wenn es vor allem ein symbolisches ist: Ein Sparer, der zum Beispiel 5.000 Euro in den einjährigen Staatsbon investiert, bekommt dafür 15 Euro mehr, als wenn er die gleiche Summe der Santander-Bank anvertraut hätte, die Stand gestern die besten Sparzinsen auf dem Markt hat.
Der Staatsbon bringt aber nicht nur den Sparern Vorteile, sondern auch der Regierung: Sie kann so die Staatsschulden günstiger finanzieren, als wenn sie sich das Geld auf den internationalen Märkten holen würde, sie spart also. Außerdem punktet die Vivaldi-Koalition durch die Bons auch politisch, was nicht unwichtig ist einige Monate vor der Wahl und nach dem Scheitern der Steuerreform.
Vor allem aber setzt die Exekutive die Banken unter Druck, endlich die längst gestiegenen Zinsen an ihre Sparer weiterzugeben. Inwieweit das gelingen wird, wird vom Zuspruch für den neuen Staatsbon abhängen. Falls die Belgier massenhaft zugreifen, verpassen sie den Banken einen deutlichen Warnschuss vor den Bug und erinnern sie daran, dass sie ihre Riesengewinne zum Teil auch mit dem Geld der Sparer erwirtschaften, meint L'Avenir.
Die Komplexität hat ihren Schrecken verloren
Ab und zu springt tatsächlich ein Funken über von der Politik auf die Bevölkerung, so wie jetzt bei den Staatsbons, glaubt Gazet van Antwerpen. Und das Timing ist gut: Wir kommen aus einer Periode, in der unsere Sparguthaben durch die Kombination aus niedrigen Zinsen und hoher Inflation aufgefressen worden sind. Aber die Alternativen waren vielen Menschen zu riskant oder zu kompliziert. So sind weiter 300 Milliarden Euro auf Sparkonten bei den Banken geparkt geblieben und sind Milliarden an Wert vernichtet worden.
Laut ersten Berichten werden die Banken jetzt geradezu überspült mit Anfragen nach den neuen Staatsbons. Das ist eine gute Nachricht, denn das bedeutet auch, dass viele endlich bereit sind, sich nicht mehr von der elenden Komplexität des Themas abschrecken zu lassen, so sinngemäß Gazet van Antwerpen.
Die Banken und ihre Hinhaltetaktiken
Meine Damen und Herren, reiben Sie sich die Augen, fordert La Libre Belgique ihre Leser auf: Der belgische Staat macht Ihnen ein Anlageangebot, das mindestens ein Prozent über allem liegt, was die Banken für Sparkonten geben. Die Ausgabe der Staatsbons wird zweifellos ein Erfolg werden. Aber wird das reichen, um die Banken zum Handeln zu bringen? Werden die Banken die Zinsen auf Sparbücher erhöhen oder werden sie ihre Gewinnmargen weiter in die Höhe treiben?
Sicher, einige von ihnen haben schon reagiert, aber es ist noch zu früh für Schlussfolgerungen und ganz sicher auch zu früh, um sich zu freuen. Die Staatsbons von Finanzminister Van Peteghem haben zumindest das Verdienst, die Banken herauszufordern, aber die Banken haben ja schon bewiesen, dass sie sehr gut darin sind, auf Zeit zu spielen, befürchtet La Libre Belgique.
Der Staatsbon ist noch nicht einmal ausgegeben und schon geben die ersten Banken wie durch Zauberhand höhere Zinsen auf ihre Terminkonten, hält Het Nieuwsblad fest. Allerdings machen die Großbanken nicht mit. Sie haben nach eigener Aussage ein "Gentleman's Agreement" mit der Schuldagentur, um dem Staat während der Ausgabe der neuen Staatsbons keine Konkurrenz zu machen. Reicht es nicht langsam mit diesen Hinhaltetaktiken?
Die Banken kassieren aktuell doppelt ab: Einerseits erheben sie höhere Zinsen für Kredite, die sie ausgeben, andererseits bekommen sie höhere Zinsen für das Geld ihrer Kunden, das sie bei der Europäischen Zentralbank parken. Auf einem gut funktionierenden Markt würden sich die Banken gegenseitig Konkurrenz machen, in Belgien aber können sie in aller Ruhe abwarten und zuschauen, wie ihre Gewinne explodieren – während der Sparer das Nachsehen hat, wettert Het Nieuwsblad.
Die Kirche im Dorf lassen
Ja, der neue Staatsbon ist ein rentables, einfaches und risikoloses Produkt für Privatanleger, räumt Le Soir ein. Ja, es zeichnet sich schon ab, dass sowohl der Staat als auch sein Ansehen auf den internationalen Märkten von der Operation profitieren werden. Dem Finanzminister scheint hier ein richtig guter Wurf gelungen zu sein – auch in puncto Kommunikation. Dennoch sollten wir die Staatsbons nicht zu etwas machen, was sie nicht sind: Auch wenn sie verlockend sind, werden sie es nicht schaffen, die klassischen Sparkonten der Durchschnittsbürger zu leeren oder die Banken zu einem schnellen Kurswechsel zu bewegen. Sie werden auch all den Belgiern nicht helfen, die Schulden machen müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen, und deren Leben immer teurer wird. Und schließlich sollte man auch nicht unterschlagen, dass wieder einmal Menschen stark ausgeschlossen werden, die keine Geldgeschäfte über das Internet machen, prangert Le Soir an.
L'Echo kritisiert den seiner Meinung nach etwas populistischen Beigeschmack der Ankündigung des neuen Staatsbons: Dass der Finanzminister den Zinssatz exklusiv im flämischen öffentlich-rechtlichen Radio verkündet hat, ist schon ein Vorgeschmack auf den anstehenden Wahlkampf. Van Peteghem will außerdem die Banken unter Druck setzen, um die Zinsen zu erhöhen, und präsentiert sich als der große Beschützer der Sparer. Gleichzeitig braucht er die Banken aber teilweise, um seine Bons unters Volk zu bringen.
Dass Van Peteghem so einen Zinssatz anbieten kann, hängt zum Teil auch damit zusammen, dass er die Quellensteuer dafür halbiert hat. Der Staat wird auch für die Begrenzung der Laufzeit auf nur ein Jahr bezahlen, denn Anleihen mit kurzer Laufzeit kosten ihn mehr als Anleihen mit langer Laufzeit. Letzten Endes könnten also die Steuerzahler über ihre Abgaben für die attraktiven Bedingungen des Staatsbons aufkommen – was zumindest ziemlich paradox wäre, gibt L'Echo zu bedenken.
Boris Schmidt