Di Rupo versucht es mit der nationalen Einheit, so der heutige Aufmachertitel von Le Soir. Nach dem Vorwurf der Untätigkeit ergreife PS-Parteichef Di Rupo jetzt die Initiave. Seine Idee: Rasch eine Regierung zur Bewältigung sozialwirtschaftlicher Probleme bilden.
Im Leitartikel heißt es hierzu, Di Rupo versuche mit dieser Initiative einen vierfachen Coup zu landen. Er gebe mit seinem Vorschlag den möglichen Weg aus der verfahrenen Situation vor, ergreife im Namen der Französischsprachigen jetzt wieder die Initiative, gehe auf die Bürgerbewegung ein, die die Nase von der politische Krise voll habe, und hoffe, mit seiner Initiative auch sein Image aufpolieren zu können. Nach dem Vorwurf, sich nicht so zu benehmen, wie jemand, der mit einem Auge auf das Amt des nächsten belgischen Premiers schiele, weil er nichts Konkretes auf den Tisch lege, habe Di Rupo gestern Abend aufgeräumt.
Es sei ein spektakulärer Vorschlag, den Elio Di Rupo gestern Abend gemacht habe, schreibt Het Laatste Nieuws, und meint, dass eine Regierung der nationalen Einheit ein Novum in der Nachkriegszeit wäre. Belgiens auflagenstärkste Zeitung schränkt aber ein, dass Di Rupos Idee von flämischer Seite nur wenig Sympathie entgegengebracht werde. Im Leitartikel heißt es, eine Regierung der nationalen Einheit beschere eines ganz sicher, Stillstand nämlich. Wenn so viele Partner mit am Koalitionstisch sitzen, könne aufgrund der politisch weit voneinander abweichenden Positionen kaum effizient regiert werden. Eine Koalition zu neunt sei auch praktisch unvorstellbar, meint der Leitartikler. Jede Partei hätte Anrecht auf anderthalb Ministerposten. Auch der Vorschlag, die jetzt scheidende Regierungsmannschaft um all jene Partner zu erweitern, die dies wünschen, sei unsinnig. Starke Führungspersönlichkeiten würden so etwas nicht vorschlagen.
Vergebliche Liebesmüh, unpraktikabel …
Es sei, als befinde man sich im Auge des Sturms, meint der Leitartikler in La Libre Belgique. Man hatte den Zyklon kommen sehen, jetzt stehe man im Zentrum und es sei ruhig, gefährlich ruhig. Was jetzt komme, werde anders sein als alles, was man bisher kannte. Es gebe kein Zurück mehr. Man werde zukünftig in einem neuen, einem andere Belgien leben. Der Versuch der Französischsprachigen, am Einheitsföderalismus festzuhalten, sei wegen anderer Vorstellungen in Flandern vergebliche Liebesmüh gewesen. Das aber hätten die Französischsprachigen eingesehen, meint der Leitartikler. Deutlich ausgedehnte, aber homogene Zuständigkeiten für die Teilstaaten im Land: Warum nicht? Dennoch müsste klar abgesteckt werden, dass die Finanzierung der Bundesebene auch gesichert ist. Gleichzeitig müsste eine territoriale Kontinuität zwischen der Wallonie und Brüssel sichergestellt sein. Denn die flämischen Parteien könnten eines Tages die Unahängigkeit ihres Landesteils fordern. Nichts sei unmöglich.
Auch das Wirtschaftsblatt L'Echo hat den Vorschlag Di Rupos auf der Titelseite und meint, dass der PS-Parteichef seinen Weg aus der Krise mit diesem Vorgehen beschreibe, weil für ihn Neuwahlen nichts verändern würden. Die französischsprachigen Liberalen, schreibt L'Echo, hätten Di Rupos Vorschlag bereits begrüßt.
... und in Flandern hält man gar nichts davon
Ganz anders die Reaktion in Flandern, meint De Standaard: Die N-VA und die CD&V ließen kein gutes Haar an der Idee des PS-Parteichefs, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Man sei diese Art von Theater leid, zitiert das Blatt eine N-VA-Quelle. Im Leitartikel heißt es hierzu, dass jeder gewollt habe, dass Di Rupo sich noch einmal zu Wort meldet. Jetzt habe er gesprochen. Man bewege sich in außergewöhnlichen Zeiten, und die eröffneten die Bereitschaft, originelle Möglichkeiten zu eruieren. Leider sei die Lebensfähigkeit der jüngsten Idee inexistent. Denn eins sei klar: Der Abstand zwischen den beiden, die das neue Belgien von morgen darstellen, PS und N-VA nämlich, sei weiter astronomisch, schlussfolgert der Leitartikler in De Standaard.
Auch De Morgen verweist darauf, dass N-VA und CD&V Di Rupos Idee einer Regierung der nationalen Einheit nicht gutheißen. Dennoch: Es habe sich als unmöglich herausgestellt, zeitgleich mit Koalitionsverhandlungen auch den Staat so fundamental umzubauen, wie das in Flandern gewünscht wird. Über eine Regierung der nationalen Einheit alle Parteien mit ins Boot zu holen, könne einen Ausweg aus der Sackgasse darstellen. Jedem Demokraten müssten bei diesem Gedanken allerdings die Haare zu Berge stehen, würde so doch jede Opposition ausgeschaltet.
Elio und Bart müssen zueinander finden
Im Leitartikel von Het Belang van Limburg heißt es, man könne es drehen und wenden wie man wolle, das Wichtigste sei die Wiederherstellung des Vertrauens. Hierfür könnten nur Bart De Wever und Elio Di Rupo als Wahlgewinner sorgen. Sie seien zueinander verurteilt. Fernab aller Fernsehkameras müssten sie sich tief in die Augen sehen, Vereinbarungen treffen - und sich daran halten.
Denn, so schreibt auch Het Nieuwsblad, der Vorschlag des PS-Parteichefs zu einem kleinen Schritt zur Staatsreform, aber einer großen Koalition in einer Regierung der nationalen Einheit, sei von den flämischen Parteien bereits abgeschossen worden. In der Theorie, so heißt es im Leitartikel der Zeitung, sei der Vorstoß möglicherweise ein Lösungsansatz, praktisch würde es kaum funktionieren.