"Erste Delhaize-Läden werden von Selbstständigen übernommen", titelt das GrenzEcho. "Delhaize konkretisiert seinen Plan trotz des Widerstands", schreibt Le Soir. "Umstrukturierung bei Delhaize: Weitere Aktionen bereits geplant", kündigt La Dernière Heure an. "Das Personal von Delhaize hatte gehofft, verschont zu werden", so L'Avenir. "Die Ankündigung belebt den Widerstand der Gewerkschaften bei Delhaize neu", hebt La Libre Belgique hervor.
Delhaize hat Fakten geschaffen, stellt Le Soir in seinem Leitartikel fest: Nur fünf Monate nach der Ankündigung, seine 128 noch betriebseigenen Supermärkte zu konzessionieren, hat Delhaize nun eine erste Salve von 15 abgefeuert. Nichts und niemand hat es also geschafft, die Geschäftsführung aufzuhalten, die vom niederländischen Mutterhaus ferngesteuert wird. Wie ein Panzer hat Delhaize die Schützengräben der Gewerkschaften überwunden und jegliche soziale Konzertierung plattgewalzt. Der Konzern hat von Anfang an eine "Friss-oder-Stirb"-Strategie gefahren, die einzige Alternative zur Übernahme durch Franchisenehmer sei die Schließung.
Dabei hat Delhaize auch die Empörung eines Teils seiner Kundschaft bewusst ignoriert und setzt offenbar darauf, dass die Verbraucher das Ganze mit der Zeit vergessen werden. Die Frage ist jetzt nicht mehr, ob tausende Stellen auf dem Altar der Wirtschaftlichkeit und des Wachstums geopfert werden, sondern nur noch wann. Auch die Föderalregierung trägt eine schwere Verantwortung an diesem sozialen Kahlschlag, genauso wie das Parlament, das so ein Vorgehen eines wichtigen Wirtschaftsakteurs nicht vorhergesehen und ihm keine gesetzlichen Riegel vorgeschoben hat, klagt Le Soir an.
Der Protest könnte wieder an Kraft gewinnen
Delhaize wollte mit seiner Ankündigung vor allem beweisen, dass die Übernahme seines Filialnetzes durch motivierte Selbstständige möglich ist, kommentiert L'Avenir. Delhaize versucht, den Übernahmeprozess so anzukurbeln, weitere Märkte werden sicher folgen. Aber gleichzeitig wird das Armdrücken mit den Gewerkschaften weitergehen: In letzter Zeit hatte es nur noch sporadisch Streiks gegeben, der Protest könnte jetzt wieder an Kraft gewinnen. Das Personal weiß, dass es nicht nur um seine eigene Zukunft geht, sondern auch um die Richtung, die unsere Gesellschaft einschlagen wird, meint L'Avenir.
Delhaize hat den Rubikon überschritten, hält L'Echo fest. Aber viele verweisen auf die doch sehr bescheidene Zahl von unterschriebenen Verträgen mit Selbstständigen. Aus den Reihen der Übernahmeinteressenten war zuletzt viel Murren zu hören über das Verhalten von Delhaize während der Verhandlungen, für die Gewerkschaften soll die tröpfchenweise Ankündigung der Übernahmen ein Teile-und-herrsche-Vorgehen kaschieren. Und egal, wie sehr Delhaize betont, dass die Unzufriedenen einfach mehr Lärm machen, die Realität ist, dass die Zahl der Frustrierten und Enttäuschten wächst. Aber der Ahold Delhaize-Dampfer wird seinen Kurs nicht ändern: Die niederländischen Besitzer haben beschlossen, auf Konfrontation zu setzen. Damit riskieren sie, das Ansehen einer historischen Marke unumkehrbar zu verändern. Aber diese Marke ist global betrachtet bedeutungslos geworden, analysiert L'Echo.
Manche Versprechen halten nicht besonders lang
Fünf Monate Chaos, ein verändertes Konsumverhalten bei bestimmten Kunden, die negativen Auswirkungen auf die Marke Delhaize, die allgemein schwierigen Bedingungen für den Sektor – all das dürfte mehr als einen Interessenten abgeschreckt haben, glaubt La Libre Belgique. Die neuen Franchiseverträge scheinen für Selbstständige durch den geringeren Spielraum auch weniger attraktiv zu sein. Die große Gefahr für Delhaize besteht jetzt in einem Festfahren des Prozesses: Wenn die Supermarktkette es nicht schafft, in den kommenden Monaten aufs Gas zu treten, dann wird sie potenziell auf Jahre hinaus weiter mit einem hybriden Mix aus betriebseigenen und konzessionierten Märkten dastehen. Das wird zu immer mehr Druck aus den Niederlanden führen, was wiederum die Gefahr wachsen lassen wird, dass die Supermärkte irgendwann einfach zugemacht werden. Delhaize hat zwar versprochen, das bis Ende 2028 nicht zu tun, aber wie man weiß, halten manche Versprechen nicht besonders lang, warnt La Libre Belgique.
Grundsätzlich über Zahl der Märkte nachdenken
Noch 113 Märkte müssen weg und Delhaize hat alle Zeit der Welt, ist aber Gazet van Antwerpen überzeugt. Erst wenn 2028 bestimmte Geschäfte noch nicht an Selbstständige veräußert worden sind, wird eine Schließung erwogen werden. Das bedeutet im schlechtesten Fall, dass manche Arbeitnehmer noch fünf Jahre in Unsicherheit leben müssen. Einer Sache können sie sich aber sicher sein: Delhaize wird an seinem Vorhaben festhalten, alle 128 Märkte zu verkaufen. Durch die Übergabe an Selbstständige wird Delhaize auch das Problem des zu zahlreichen und zu teuren Personals los. Die Franchisenehmer werden dann aber die gleichen Probleme haben wie Delhaize bisher.
Der Wettbewerb in Belgien ist hart, denn es gibt hier viel mehr Supermärkte als in den Nachbarländern. Das hat auch negative Folgen für die Arbeitsbedingungen und Löhne. Vielleicht wäre es deswegen nicht die schlechteste Idee, Druck vom Kessel zu nehmen. Turnhout zum Beispiel hat schon 2017 beschlossen, dass 26 Märkte reichen. Seitdem sind weder neue dazugekommen, noch mussten welche schließen. Diese Vorgehensweise sollte zumindest näher untersucht werden, vielleicht macht es ja Sinn, sie breiter anzuwenden. Das hilft den Angestellten von Delhaize zwar nicht, aber es ist wirklich an der Zeit, mal grundsätzlich über die Zahl der Supermärkte in Belgien nachzudenken, findet Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt