"Hitzewelle und Waldbrände: Die größte Evakuierungsoperation aller Zeiten in Griechenland“, titeln La Libre Belgique und Gazet van Antwerpen. "Tausende fliehen vor Bränden auf Rhodos“, schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Rund 20.000 Touristen hatten am Samstag wegen der immer näher kommenden Flammen ihre Hotels im Osten der Ferieninsel Rhodos verlassen müssen. Die meisten von ihnen wurden in eiligst eingerichteten Notunterkünften untergebracht. Und auch "mindestens 70 Belgier sitzen auf Rhodos fest“, so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. "Die Belgier auf Rhodos können nicht nach Hause“, bemerkt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Tatsächlich ist bislang nicht geplant, die Betroffenen nach Belgien auszufliegen.
Knapper als gedacht
Viele Zeitungen blicken heute aber auch nach Spanien, wo gestern Parlamentswahlen abgehalten wurden. "Spanien wird hoffnungslos gespalten wach“, titelt De Standaard. "Die spanischen Wahlen entwickeln sich zum Thriller“, so die Schlagzeile von De Morgen. Tatsächlich ist das Ergebnis knapper als ursprünglich erwartet. Die Sozialisten des amtierenden Ministerpräsidenten Pedro Sanchez liegen dann doch beinahe gleichauf mit der konservativen Volkspartei PP. Die ist zwar nach derzeitigem Stand stärkste Kraft, aber auch mit der rechtsextremen Partei Vox reicht es offenbar nicht für eine Mehrheit.
De Morgen warnt seinerseits in seinem Leitartikel vor einem Bündnis mit den Rechtsextremisten. Vox hegt unverhohlen Sympathien für den früheren spanischen Diktator Franco, Bürgerrechte von Frauen oder von Mitgliedern der LGBTQ-Gemeinschaft sollen in den Mülleimer geschmissen werden, Migranten werden konsequent entmenschlicht. Dort, wo die Partei auf kommunaler oder regionaler Ebene an der Macht beteiligt wurde, hat Vox gleich einen Kulturkampf vom Zaun gebrochen und wurden zum Beispiel Regenbogenflaggen verboten.
Es hat Zeiten gegeben, in denen die Europäische Volkspartei, also der Zusammenschluss der christlichen und konservativen Parteien auf EU-Ebene, auf ihre Mitglieder eingewirkt hat. Zum Beispiel auf die österreichische ÖVP, als die im Jahr 2000 erstmals eine Koalition mit der rechtsextremen FPÖ einging. Inzwischen scheint aber die EVP wegzuschauen. Die Gefahr ist groß, dass die Mitte-Rechts-Parteien, indem sie die Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten tolerieren, den Feinden der Demokratie noch die Streichhölzer anreichen.
Offener Brief offenbart Chaos bei Vivaldi
Einige Zeitungen kommen heute noch einmal zurück auf den offenen Brief, mit dem sich Premierminister Alexander De Croo im Rahmen einer nationalen Anzeigenkampagne an die Bevölkerung gewandt hat. Darin beklagte er unter anderem unverhohlen, dass einige Politiker offensichtlich mehr mit sich selbst als mit den Sorgen und Nöten der Bürger beschäftigt seien. So mancher Kommunikationsberater hätte dem Premier von dieser Kampagne abgeraten, glaubt Het Laatste Nieuws. Denn letztlich beklagt De Croo hier das Chaos in seiner eigenen Regierung und stellt damit seine eigenen Führungsqualitäten in Frage. Und er verstärkt somit noch das Imageproblem seiner Vivaldi-Koalition, die in der öffentlichen Wahrnehmung schlechter dasteht als die flämische Regierung, wobei die ebenfalls häufig an ihren eigenen Ansprüchen scheitert.
Und noch etwas würde man De Croo am liebsten sagen: Keine Anzeigenkampagne dieser Welt kann es gegen Georges-Louis Bouchez aufnehmen und den Schaden, den dieser Mann täglich anrichtet. Die NVA-Spitzenleute können getrost in den Urlaub fahren, Bouchez verrichtet deren Arbeit effizienter. Aber in einem Punkt hat De Croo recht, ist Het Nieuwsblad überzeugt. Wir müssen in der Tat aufpassen, dass wir unser Land nicht buchstäblich kaputtreden. Viel zu häufig fokussiert sich die politische Debatte auf alles, was nicht funktioniert. Glaubt man etwa Bart De Wever, dann stehen wir kurz vor dem Abgrund. Zugegeben: Die astronomische Staatsschuld ist ein Problem.
Andererseits beneidet man uns aber zum Beispiel um die Lohn-Index-Bindung, oder um die Kurzarbeitsregelung, die so vielen Familien durch die Coronakrise geholfen, beziehungsweise die Folgen der Energiekrise abgefedert haben. Neueste Statistiken der EZB bestätigen, dass es uns gar nicht so schlecht geht. Demnach ist eine belgische Durchschnittsfamilie die drittreichste in der Eurozone nach Luxemburg und Malta.
Ausnahmslos alle flämischen Zeitungen nehmen derweil heute Abschied von Martine Tanghe. Die VRT-Journalistin hat 42 Jahre lang die Fernsehnachrichten des flämischen öffentlich-rechtlichen Senders präsentiert. 2020 ging sie in Rente. Jetzt ist sie mit 67 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Gazet van Antwerpen und De Standaard nennen sie die "Mutter aller Nachrichtensprecher“. Sie war die Königin der Fernsehnachrichten, meint Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel.
Selbst der Konkurrenzsender VTM erwies Martine Tanghe die Ehre, ein Beweis mehr für ihre schier grenzenlose Popularität. Grund dafür war ihr makelloses handwerkliches Können: immer professionell und korrekt. Ganz davon abgesehen, dass sie mit ihrem präzisen Sprachgebrauch das belgische Niederländisch maßgeblich geprägt hat.
Sieg mit Fragezeichen
Einige Zeitungen ziehen schließlich noch eine Bilanz der Tour de France. Der düstere Schatten des Dopings hat sich wieder über die Grande Boucle gelegt, unkt La Libre Belgique. Erst sorgte der epische Zweikampf zwischen dem späteren Gesamtsieger Vingegaard und seinem Herausforderer Pogacar noch für Enthusiasmus. Als Vingegaard seinem Konkurrenten beim Zeitfahren aber fünf Sekunden pro Kilometer abknöpfte, da keimten doch ernste Zweifel auf. Und die sind berechtigt, wenn man sich die unrühmliche Vergangenheit des Sportereignisses vor Augen hält. Und da mag der Radsport noch so sehr kontrolliert und überwacht sein…
Hoffentlich erleben wir kein Déjà-vu, meint auch L’Avenir. Hoffentlich stößt man nicht in den nächsten Jahren auf ein illegales Wundermittelchen, das die Leistungen bei der diesjährigen Tour de France plötzlich erklärt. Denn insbesondere die belgische Radsportwelt wartet mit Spannung auf das Debut von Remco Evenepoel wahrscheinlich im kommenden Jahr. Und es wäre schön, wenn der zu erwartende Dreikampf mit Vingegaard und Pogacar mit gleichen Waffen ausgetragen würde.
Roger Pint