"Les Ardentes: Unwetter – die Enttäuschung der Festivalgänger", titelt La Dernière Heure. "Die Unwetterwarnung hat die Ardentes versenkt", schreibt Le Soir. "'Schwere Unwetter' stellen sich als Fehlalarm heraus", so Het Laatste Nieuws. "Code Orange wegen Unwettern: Zwölf Mal war es falscher Alarm, 21 Mal kam es schlimmer als angekündigt", liest man auf Seite eins von Het Nieuwsblad.
Es war wie eine donnernde Erinnerung, kommentiert Le Soir: Fast genau zwei Jahre nach den tödlichen Überschwemmungen hat die Wallonie auch dieses Wochenende besorgt gen Himmel blicken müssen. Am Ende hat sich allerdings herausgestellt, dass die Unwetter bei Weitem nicht so schwer ausgefallen sind wie befürchtet. Das ändert aber nicht das Geringste daran, dass alle, die das Drama vor zwei Jahren miterlebt haben, wieder den Atem angehalten haben – von der Bevölkerung bis hin zu den örtlichen Verantwortlichen. Gerade auf Letzteren lastet ein großer Druck und auch jetzt werden sich die Kritiker wegen der getroffenen Entscheidungen wieder auf sie stürzen. Aber angesichts entfesselter Elemente muss Vorsicht immer das Gebot der Stunde bleiben. Damit ehren wir in gewisser Weise auch die 39 Männer und Frauen, die bei den Fluten vor zwei Jahren ums Leben gekommen sind, findet Le Soir.
Vorsicht muss immer Vorrang haben
Ende Juni 2022 gab es bei einem Festival in Belfort in Frankreich fast 30 Verletzte durch ein schweres Unwetter, erinnert L'Avenir. Und beim Pukkelpop in Hasselt kamen 2011 fünf Menschen ums Leben, 140 weitere wurden verletzt. Auch wenn die Absage oder Verschiebung von Festivals also eine sehr schwere finanzielle Belastung für die Organisatoren darstellt, muss Vorsicht immer Vorrang haben. Risiken besser vermeiden und ein besseres Krisenmanagement – das waren unter anderem die Empfehlungen des wallonischen Parlaments nach der Flutkatastrophe 2021, hebt L'Avenir hervor.
Ja, die Unwetter waren weniger heftig als erwartet, schreibt La Dernière Heure, es gab nicht überall Gewitter und auch nicht die ganze Zeit. Aber für die Verantwortlichen waren die Wettervorhersagen chaotisch genug, um sich zu schmerzhaften Entscheidungen durchzuringen. Und darüber sollten trotz aller Verbitterung bei Festivalveranstaltern und -besuchern auch keine polemischen Diskussionen geführt werden. Spätestens seit Pukkelpop 2011 sind wir verpflichtet, nie wieder mit der Sicherheit von Menschen zu spielen. Egal, wie hart das auch sein mag für die Organisatoren, die Festivalgänger und die Künstler, meint La Dernière Heure.
De Croos Flucht nach vorn
Gazet van Antwerpen befasst sich mit der Rentenreform: Plötzlich steht die Föderalregierung vor einer Einigung, nachdem es jahrelang quasi nicht vorangegangen ist, Premierminister Alexander De Croo hat sich mit Pensionsministerin Karine Lalieux auf einen neuen Vorstoß geeinigt. Der positivste Punkt am neuen Entwurf ist, dass er die Staatskasse nicht mehr kosten soll, sondern sogar zu Einsparungen führen soll. Andererseits sollen Sonderregelungen etwa für Zugführer, Zugbegleiter und Militärs doch nicht angetastet werden. Der Premier scheint also vor allem die Flucht nach vorne angetreten zu haben, um in puncto Rentenreform zu retten, was noch zu retten war. Damit ist die Zukunft unserer Renten aber keinesfalls gesichert, die Kosten für die Vergreisung der Gesellschaft werden einmal mehr an die nächsten Generationen weitergereicht. Und gleichzeitig geht es mit der so notwendigen Steuerreform nicht voran, beklagt Gazet van Antwerpen.
Nato-Mitgliedschaft und Streumunition
Außenpolitisch richten sich die Blicke der Leitartikler auf den Nato-Gipfel im litauischen Vilnius: Die entscheidende Frage bei den Beratungen wird sein, ob die Ukraine Mitglied des Verteidigungsbündnisses werden kann, so De Standaard. Diese Frage lag auch schon 2008 beim Gipfel in Bukarest auf dem Tisch. Damals lautete die Antwort: Ja, irgendwann – es blieb also bei einer symbolischen Zusage ohne die Planung konkreter Schritte. Diese Unentschlossenheit hat Putins Einfall in die Ukraine ermöglicht, er konnte ja lange davon ausgehen, dass die Nato der Ukraine sowieso nicht beistehen würde. Zumindest bis zu seiner fatalen Fehlkalkulation letztes Jahr. Seitdem hat die Angst des Westens vor einem Konflikt mit Russland immer weiter abgenommen. Was also steht dem letzten Schritt, der Aufnahme der Ukraine, noch im Weg? Da sind natürlich zunächst die Statuten der Nato selbst, die eine Aufnahme von Ländern ausschließen, die sich im Krieg befinden. Deswegen wird in Vilnius einiges an diplomatischer Akrobatik notwendig sein, um aus dieser Pattsituation herauszukommen. Denn ansonsten wird Putin nur ermutigt, den Krieg möglichst in die Länge zu ziehen. Ein anderes Argument für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ist, dass die Mitgliedschaft dem Land, das durch den russischen Überfall zu einer militärischen Großmacht geworden ist, auch Verpflichtungen auferlegen würde. Die Nato-Mitgliedschaft könnte im richtigen Moment also auch helfen, Frieden zu garantieren, glaubt De Standaard.
De Morgen kommt auf die Lieferung von amerikanischer Streumunition an die Ukraine zurück: 23 der 31 Nato-Mitgliedsstaaten haben das Übereinkommen über Streumunition unterzeichnet, aber zu einer Spaltung des Bündnisses darüber dürfte es beim Nato-Gipfel kaum kommen. Schuld daran ist nicht etwa die PR-Abteilung der Nato, sondern die Geschehnisse in zum Beispiel Mariupol, Charkiw, Butscha und Kupjansk. Keine einzige Friedenstaube hat eine überzeugende Antwort auf die Frage, wie die russischen Gräueltaten gestoppt werden sollen. Und so dreht sich die Eskalationsspirale weiter und weiter. Wer soll den Ukrainern den Einsatz von Streumunition auch übelnehmen? Die Russen verwandeln ihr Land in ein riesiges Minenfeld und setzen alle mögliche Streumunition ein. Und es besteht kein Zweifel daran, dass viele Nato-Staaten, die das Verbot von Streumunition unterzeichnet haben, sehr froh darüber sind, sich unter den amerikanischen Schutzschirm flüchten zu können. Solange wir uns auf die militärische Überlegenheit der USA verlassen können, ist es einfach, auf unsere moralische Überlegenheit zu pochen, kritisiert De Morgen.
Hier wird eine moralische Grenze überschritten, warnt aber Het Belang van Limburg. Und die Frage ist, ob wir uns dessen überhaupt bewusst genug sind. Unter dem Druck der Umstände werden rote Linien plötzlich bedeutungslos. Diesen Mechanismus kennen wir schon aus der Vergangenheit: Als es im Ersten Weltkrieg an der Front nicht mehr voranging, hat das zum Einsatz immer schrecklicherer Gaswaffen geführt. Ganz so weit sind wir aktuell noch nicht, aber die Botschaft muss trotzdem lauten: Rechtzeitig auf die Bremse treten, fordert Het Belang van Limburg.
Boris Schmidt