"Nach Vandecasteele: Brüssel empfängt Bürgermeister von Teheran im Rathaus", liest man auf Seite eins von Het Nieuwsblad. "Wie landete der Bürgermeister von Teheran in Brüssel? Hadja Lahbib und Pascal Smet geben sich gegenseitig die Schuld", so De Standaard. "Besuch aus Teheran in Brüssel erregt die Gemüter: Bürgermeister Alireza Zakani bei Städtekonferenz 'Urban Brussels Summit 2023' zu Gast", ergänzt das GrenzEcho im Innenteil.
"Ein Schurkenstaat" – so hat Justizminister Vincent Van Quickenborne den Iran noch während der Verhandlungen über die Freilassung von Olivier Vandecasteele genannt, erinnert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Nur einige Wochen später darf der Bürgermeister von Teheran, der auch ein hohes Tier im Regime ist, dann schon durch Brüssel paradieren, begleitet von einer Truppe Geheimagenten. Es stimmt zwar, dass Diplomatie einen gehörigen Schuss Heuchelei braucht, aber das ist dann noch zu bunt, Belgien hätte Zakani die Einreise verweigern müssen, zu frisch und schmerzhaft sind die Wunden noch. Abgesehen davon hatte Belgien absolut nichts zu gewinnen durch die Aktion. Aber stattdessen haben Smet und Lahbib dem Bürgermeister lieber die Chance gegeben, sein Image etwas aufzupolieren, die Grand-Place zu besichtigen und eine Brüsseler Waffel zu essen, giftet Het Nieuwsblad.
Zakani ist das Regime
Alireza Zakani ist nicht irgendwer, kommentiert Het Laatste Nieuws. Der jetzige Bürgermeister von Teheran war früher der Anführer der Studentenabteilung der berüchtigten Basidsch, der paramilitärischen Miliz, die der Iranischen Revolutionsgarde untersteht. Die Basidsch steht übrigens auch auf der Sanktionsliste der Europäischen Union. Zakani ist also das Regime. Diese Regime, das einen unschuldigen Belgier hunderte Tage gefangen hielt. Da kann man sich schon fragen, was unsere Hauptstadt so dringend von diesem Mann lernen wollte. Vielleicht, wie man Frauen ohne Kopftuch tötet? Zakani zu einem Kongress über Diversität und Ungleichheit in Großstädten einzuladen, ist wie den kriegssüchtigen Wladimir Putin zum Gast der Feierlichkeiten zum Friedensnobelpreis zu machen, wettert Het Laatste Nieuws.
Von Ölkonzernen und E-Autos
Für Unverständnis sorgt derweil auch der britisch-niederländische Ölkonzern Shell. Dessen Geschäftsführer hat angekündigt, weiter stark in Öl und Gas investieren zu wollen, fasst De Tijd zusammen. Es werde zwar auch weiter in erneuerbare und klimafreundlichere Energien investiert werden, aber mit "mehr Disziplin". Shell macht kein Geheimnis daraus, dass es seine Klimaambitionen zurückschraubt, um höhere Gewinne einzufahren und seinen Anteilseignern höhere Dividenden zu zahlen. Damit schließt sich Shell anderen Öl-Riesen an, wie ExxonMobil, Chevron, BP und TotalEnergies. Das ist nichts anderes als Fahnenflucht. Der Kampf gegen die Klimaerwärmung ist nicht gewonnen, im Gegenteil, er muss stärker geführt werden. Fast täglich erinnern uns Hitzewellen, Waldbrände und Überschwemmungen daran, wie schlecht es um das Klima steht. Die Klimapolitik darf nicht von Unternehmen bestimmt werden, sondern von den Staaten, über internationale Abkommen. Allerdings darf die Wirtschaft auch zu nichts gezwungen werden. Stattdessen muss man sie motivieren, möglicherweise über positive finanzielle Anreize. Und es muss stärker an ihre gesellschaftliche Verantwortung appelliert werden. Um genug entsprechenden Druck aufzubauen, wird allerdings eine breite Mobilisierung nötig sein, so De Tijd.
Es ist zutiefst zynisch, wenn Ölkonzerne trotz sich häufender Umweltkatastrophen tun, als ob nichts wäre, empört sich De Standaard. Aber es wäre zu einfach, nur ihnen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Genauso wie es einfach naiv ist, zu glauben, dass sie selbst den Ast absägen werden, auf dem sie sitzen. Die Nachfrage nach Öl und Gas wird von Haushalten und Unternehmen kreiert. Der beste Weg wäre deshalb, den Ausstoß von CO2 teurer zu machen. Aber jedes Mal, wenn sich auf europäischer Ebene etwas in diese Richtung zu bewegen scheint, stehen sofort opportunistische Politiker bereit, um entsprechende Maßnahmen abzuschwächen, beklagt De Standaard.
Das GrenzEcho befürchtet derweil den Niedergang der europäischen Autoindustrie: Längst werden die meisten E-Autos in China gebaut und zwar nicht in Musks Mega factory, und schon gar nicht bei Volkswagen, dem langjährigen Marktführer im Reich der Mitte. Und diese Autos, die man allzu lange in Europa belächelt hat, haben mittlerweile die Kinderstube verlassen. Inzwischen genügen sie europäischen Standards in punkto Sicherheit, Qualität und selbst Design. Dabei können die chinesischen Autobauer aus dem Vollen schöpfen, während ihre Konkurrenten nur beten können, dass China keine Exportbeschränkungen verhängt für Batterien oder gar industriefähiges Lithium, Seltene Erden, Kobalt, Nickel und andere Auto-Vorprodukte. Denn sonst stehen in Europa und den USA die Bänder still. Auch die Autoindustrie hängt am chinesischen Tropf. Der EU, die dabei ist, diese Entwicklung ähnlich wie einige andere Zukunftstechnologien zu verschlafen, bleibt kaum eine andere Lösung, als nach protektionistischen Maßnahmen zu greifen und die E-Autos aus China mit Zöllen zu belegen, so das GrenzEcho.
Ein nicht umsetzbares, sinnloses Gesetz
L'Avenir kritisiert den sogenannten "Anti-Randalierer"-Gesetzentwurf von Justizminister Vincent Van Quickenborne. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen hatten den Text wegen möglicher Demonstrationsverbote für verurteilte Täter scharf angegriffen, auch PS und Ecolo wollten das Projekt so nicht schlucken. Die Konsequenz: Der Text wurde ausgehöhlt und der Ball liegt nun wieder bei den Richtern. In Frankreich gibt es übrigens schon ein inhaltlich sehr ähnliches Gesetz. Zu weniger Gewalt auf Demonstrationen hat es seit seiner Einführung aber nicht geführt, lediglich ein paar Dutzend Randalierer sind seit 2019 mit einem Demonstrationsverbot belegt worden. Aber auch wenn sie also identifiziert sind, bleibt noch immer die Frage, wie kontrolliert werden soll, dass sie nicht bei weiteren Demos mitmischen. Das Gesetz ist also schlicht nicht umsetzbar, es ist ein sinnloses Gesetz. Umso mehr, weil auch in Belgien bereits ein Arsenal an Strafmaßnahmen existiert, um Randalierer zu bestrafen, meint L'Avenir.
Boris Schmidt