"Die Zinsen auf Sparbücher werden endlich leicht angehoben", titelt L'Avenir. "Erste Großbank erhöht Sparzinsen", schreibt auch das GrenzEcho auf Seite eins. Het Nieuwsblad nennt Ross und Reiter: "Belfius knickt als erste ein", so die Schlagzeile.
Als erste Großbank hat Belfius gestern angekündigt, ihre Sparzinsen anzuheben: Ab dem 1. Juli bekommt man nicht mehr 0,5, sondern 0,9 Prozent. Die Geschäftsleitung behauptet, dass diese Entscheidung schon vor drei Wochen getroffen wurde. Doch kann man nur feststellen, dass vor allem in den letzten Tagen und Wochen der politische Druck doch spürbar größer geworden war. Die Regierung hatte sogar damit gedroht, die Banken notfalls zu einer Erhöhung der Sparzinsen zu zwingen. Davon will man jetzt wieder absehen. "Die Konkurrenz wird jetzt auf die Belfius-Entscheidung reagieren müssen", sagt jedenfalls die zuständige Staatssekretärin Alexia Bertrand auf Seite eins von Het Laatste Nieuws.
Zinserhöhungen – "Wer bietet mehr?"
"Wer bietet mehr?", frotzelt Le Soir in seinem Leitartikel. Denn die Frage ist eher ironisch gemeint. Die von Belfius angekündigte Zinserhöhung ist nämlich allenfalls eine Mini-Geste. Und warum der plötzliche Meinungsumschwung? Hat Belfius etwa den heißen Atem seines Hauptanteileigners im Nacken gespürt? Denn, nicht vergessen: Es ist der Staat, der die Mehrheit an der Bank hält. Das macht die Entscheidung denn auch so heikel. Denn, wenn Belfius bislang als Erfolgsgeschichte galt, dann vor allem deswegen, weil die Bank nicht zum Sandkasten der Politiker geworden war.
"Belfius begibt sich hier auf einen gefährlichen Pfad", warnt denn auch De Tijd. Indem die Großbank als erste an der Zinsschraube dreht, vermittelt sie nämlich den Eindruck, dass sie der Politik nach der Pfeife tanzt und dabei höhere Risiken eingeht als "normale" Banken. Man wartet jedenfalls jetzt mit Spannung auf die Reaktion der Konkurrenz: Werden die anderen Banken folgen und, wenn ja, in welchem Maße? Aber, apropos: Die Frage ist doch eigentlich, ob man hierzulande überhaupt von "Konkurrenz" sprechen kann. Die Regierung will jedenfalls durch Wettbewerbshüter prüfen lassen, ob es nicht Absprachen zwischen den großen Banken gegeben hat. Und das ist eine gute Initiative.
Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein
Was Belfius da ankündigt, das ist eigentlich immer noch ein Tropfen auf dem heißen Stein, findet seinerseits Het Nieuwsblad. Man muss beinahe ein Wirtschaftsstudium absolviert haben, um zu verstehen, was Belfius da eigentlich anbietet. Kurz und knapp: Die Zinserhöhung kommt nur bei einigen wenigen Produkten überhaupt zum Tragen. Mehr denn je bleibt das Grundproblem bestehen: Der sichtbare Unterschied zwischen dem, was man für seine Spargeld bekommt, und dem, was man für einen Kredit bezahlt. Nach wie vor werden die Banken schlafend reich. Und dass die Politik sie gewähren lässt, das bleibt unverständlich.
L'Avenir sieht das ähnlich. Bei den Banken wird Service schon immer kleiner geschrieben. Erst verschwanden die Geldautomaten, dann die Zweigstellen, was insbesondere ältere Menschen dazu zwingt, immer weitere Strecken zurückzulegen, um einfachste Transaktionen abzuwickeln. Einige verzichten inzwischen sogar auf Anlageberater und verlangen stattdessen von ihren Kunden, dass sie sich selbst durch das undurchsichtige Labyrinth von Anlageprodukten klicken.
Machen wir uns nichts weiß: Natürlich hat die Digitalisierung unser Leben grundlegend verändert. Das Ganze beschert den Banken aber astronomische Gewinne. Und dass die es trotz steigender Leitzinsen einfach nicht schaffen, die Sparzinsen auf ein angemessenes Niveau anzuheben, das ist schlicht und einfach unverschämt.
Unschöne Aussichten
Apropos Finanzen: Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat erneut davor gewarnt, dass die belgische Staatsschuld den Handlungsspielraum der Regierungen des Landes in absehbarer Zeit allzu sehr einschränken werde. Diese Warnung sollte man ernst nehmen, mahnt La Libre Belgique. Und das gilt insbesondere für all die Politiker, die schon bald in den Wahlkampf eintreten werden. Die wären nämlich gut beraten, den Bürgern jetzt nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen, sondern sie vielmehr auf Sparmaßnahmen einzustimmen. Denn die Haushaltslage dürfte sich ab jetzt nur noch zuspitzen: Vergreisung der Bevölkerung, Energiewende, höhere Zinsen auf die Staatsschuld,…
Die Ausgaben werden zwangsläufig steigen. Man mag das bedauern, ignorieren kann man es aber nicht. Die Politiker werden den Menschen reinen Wein einschenken müssen, auf die Gefahr hin, sie ansonsten zu enttäuschen und weiter in die Arme von Extremisten zu treiben.
Weiter warten auf eine Rentenreform, die diesen Namen verdient
Dazu passt der Leitartikel von L'Echo: Das Blatt beschäftigt sich mit dem jüngsten Vorstoß von PS-Pensionsministerin Karine Lalieux. Die schlägt, grob gerafft, einen Rentenbonus vor für Arbeitnehmer, die länger im Arbeitsleben bleiben. "Schön und gut, aber am Grundproblem ändert das nichts", kritisiert die Wirtschaftszeitung. Der Vorschlag ändert nämlich nichts an der Feststellung, dass die Ausgaben für die Pensionen in absehbarer Zeit regelrecht entgleisen werden. Die Maßnahme von Karine Lalieux wäre da nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Man wird den Eindruck nicht los, dass das nur ein Feigenblatt ist, nach dem Motto: Sie hat es wenigstens versucht. Unterm Strich scheint es mal wieder darauf hinauszulaufen, dass die heiße Kartoffel an die künftigen Generationen weitergereicht wird. Mit jedem Tag schwindet jedenfalls die Aussicht auf eine Rentenreform, die diesen Namen wirklich verdient. Hoffentlich belehrt uns die Vivaldi-Koalition eines Besseren.
Roger Pint