Auf fast allen Titelseiten prangt heute das Foto des Fußballprofis Mbark Boussoufa. Der Spieler des Rekordmeisters RSC Anderlecht hat gestern zu zweiten Mal nach 2006 den Goldenen Schuh erhalten. Mit der Auszeichnung wird der beste Fußballprofi des vergangenen Jahres geehrt.
Neues Rahmentarifabkommen
Ganz eindeutig im Mittelpunkt der Berichte und Kommentare steht aber die Einigung der Sozialpartner auf ein neues Rahmentarifabkommen für die Privatwirtschaft für den Zeitraum 2011-2012. "Die Löhne steigen nur unwesentlich mehr als der Index", hebt La Libre Belgique auf seiner Titelseite hervor. Die Wirtschaftszeitung L'Echo bemerkt auf Seite 1: "Das Rahmentarifabkommen ist schon umstritten".
Fest steht, so notiert etwa La Libre Belgique, es war eine Schwergeburt. Die Sozialpartner mussten in die Verlängerung gehen. Zwei große Ergebnisse sind hervorzuheben: Erstens, die Lohnerhöhungen werden sich im Wesentlichen auf den so genannten Index beschränken, richten sich also nach der Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Im Augenblick geht man hier von einem Plus von 3,9 % aus. Im kommenden Jahr könnten dann noch mal 0,3 % hinzukommen. Zweite, diesmal große Errungenschaft: Die Gleichsetzung der Statute von Arbeitern und Angestellten wird definitiv eingeläutet.
Das "BHV" der Sozialpartner
Damit haben die Sozialpartner ihr BHV-Problem gelöst, meint dazu De Standaard in seinem Kommentar. Der Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten war längst ein Anachronismus. Doch waren die Standpunkte von Arbeitgebern und Gewerkschaften in dieser Frage jahrzehntelang diametral entgegengesetzt.
Die jetzt erfolgte Einigung über eine schrittweise Gleichsetzung beider Statute ist also nicht hoch genug einzuschätzen. Was hat die Sozialpartner am Ende dazu bewogen, sich zu einigen? Wohl in erster Linie die wirtschaftliche Realität. Und das ist zugleich ein Signal an die politische Klasse des Landes, nach dem Motto "Es geht doch, wenn man nur will".
Ablehnen verboten!
Le Soir sieht das genauso. Woran erkennt man ein ausgeglichenes Abkommen? Nun, man erkennt es an der Tatsache, dass keiner der Unterzeichner wirklich glücklich ist. Kaum war das Vorabkommen unterschrieben, da hagelte es schon Kritik, insbesondere in den Reihen der sozialistischen Gewerkschaft FGTB. Auch die Arbeitgeber sind nicht glücklich, unter anderem, weil die Lohn-Indexbindung beibehalten wird.
Es wäre aber unverantwortlich, den Kompromisstext abzuschießen.
Unvollständig oder beispielhaft?
Het Belang van Limburg relativiert seinerseits die Tragweite des Rahmentarifabkommens. Das Wort 'historisch' ist übertrieben, meint das Blatt. Klar gibt es positive Aspekte. Wichtiger ist aber, was in dem Abkommen fehlt, etwa die Forderung nach mehr Investitionen in Forschung oder Infrastruktur. Oder nach einem flexibleren Arbeitsrecht. Oder nach einer Senkung der Lohnnebenkosten. In diesen Fragen hätten sich die Sozialpartner zusammenraufen und gemeinsam bei der Föderalregierung Druck machen sollen.
Natürlich ist das Rahmentarifabkommen unvollständig, räumt auch La Dernière Heure ein. Doch darf man nicht vergessen: Wichtig ist nicht unbedingt der Inhalt, sondern vor allem die Tatsache, dass der Text überhaupt existiert. Während die politische Klasse sich zerreißt, weisen die Sozialpartner den Weg: Man kann noch miteinander reden, verhandeln und am Ende trotz aller Gegensätze einen Kompromiss forcieren. Die Sozialpartner haben hier staatsmännisches Verhalten an den Tag gelegt, ein Beispiel für die Politik.
Die Sozialpartner machen es vor
1:0 für die Sozialpartner, notiert auch Het Nieuwsblad. Die Politiker reden nur über "notwendige Reformen" oder "Maßnahmen, die den Wohlstand unserer Kinder sichern" sollen. Die Sozialpartner machen hingegen Nägel mit Köpfen.
Dabei war die Gemengelage am Verhandlungstisch der Sozialpartner mit Sicherheit nicht minder explosiv als bei den politischen Verhandlungen. Auch bei den Sozialpartnern saßen Flamen und Frankophonen zusammen, Arbeitgeber und Gewerkschaften, deren Standpunkte mitunter meilenweit voneinander entfernt lagen und liegen. Sie haben sich jedoch nicht mit Emotionen sondern mit Argumenten bekämpft, haben keinen sterilen Stellungskrieg geführt, sondern pragmatisch nach einem Kompromiss gesucht. Fazit: Es ist ein Schulbeispiel, wie ein Dialogmodell auch bei völlig unterschiedlichen Ausgangspunkten noch erfolgreich sein kann. Warum können unserer Politiker das nicht mehr?
La Libre Belgique macht da eine kleine Einschränkung: Der Vergleich zwischen den Sozialpartnern und der politischen Klasse hinkt ein wenig. Die Sozialpartner müssen sich nicht in einem vergleichbaren Maße wie die Politik einem demokratischen Votum stellen. Dennoch ist der Kompromiss beispielhaft: Selbst delikate Kompromisse sind möglich, wenn man Tabus, heilige Kühe und Siegesgelüste zuhause lässt.
Straßenmaut
Viele Zeitungen berichten heute ausgiebig über die Pläne zur Einführung einer Straßenmaut ab 2013. Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich die drei Regionen des Landes endlich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Wie unter anderem L'Avenir hervorhebt, soll die Maßnahme für belgische Autofahrer finanziell schmerzlos sein.
La Dernière Heure geht dennoch auf Nummer sicher und plädiert in ihrem Kommentar dafür, die Verkehrssteuer bei der Gelegenheit abzuschaffen. Ausländische Verkehrsteilnehmer auf der Durchreise, die in Belgien in der Regel keinen Euro ausgeben, zur Kasse zu bitten, ist aber prinzipiell eine gute Sache.
Leise Konzerte
Viele flämische Zeitungen berichten heute über eine neue Maßnahme der flämischen Kulturministerin Schauvliege. Die will für Musikveranstaltungen wie etwa Rockfestivals deutlich niedrigere Höchstnormen für den Geräuschpegel durchsetzen.
De Standaard und De Morgen etwa widmen der Geschichte ihre Titelseiten. Die Organisatoren von Musikevents gehen aber schon auf die Barrikaden: Die Maßnahme sei unrealistisch und unmöglich umzusetzen.
Dicker Sparstrumpf
Le Soir schließlich macht heute mit einer bemerkenswerten Meldung auf: Der Sparstrumpf der Belgier war noch nie so reich gefüllt wie heute. Die Belgier verfügen insgesamt über 900 Milliarden Euro in Form von Sparguthaben oder Anlagen verschiedenster Art. Das sollte auch beruhigend auf die internationalen Finanzmärkte wirken.
Bild:belga