"Werden die Banken wirklich im Schlaf reich?", fragt De Standaard auf Seite eins. "Der Druck wächst für Mindestzinsen von zwei Prozent", schreibt Le Soir. "'Die Sparzinsen müssen jetzt wirklich hoch'", bringt Het Laatste Nieuws groß ein Zitat des Gouverneurs der Nationalbank. "Die Belgier verzichten auf höhere Zinsen für ihre Sparbücher", melden aber fast gleichlautend L'Echo und De Tijd.
Die Wut der Sparer wächst, hält L'Echo in seinem Leitartikel fest. Die Inflation ist nach wie vor hoch, die Zentralbanken haben die Leitzinsen erhöht, die Banken die Zinsen auf ihre Wohnkredite – bei den Sparzinsen hingegen wollen sich die Banken partout nicht bewegen. Ja, es stimmt, dass der gesetzlich festgelegte Mindestzinssatz die Sparer beschützt hat, solange die Banken Negativzinsen an die Zentralbanken zahlen mussten. Aber selbst in dieser Zeit haben die Banken weiter Gewinne eingefahren. Jetzt wehrt sich der Bankenverband Febelfin heftig gegen die immer lauter werdenden Forderungen aus der Politik, die Mindestzinsen verpflichtend anzuheben. Das gefährde zutiefst die Stabilität des Bankensektors, so Febelfin. Aber ist das Risiko wirklich so groß für eine so kleine Geste? Das ist irgendwie schwer zu glauben. Insbesondere angesichts der Rekordgewinne der Banken des letzten Quartals. Aber am Ende müssen sich die Kunden auch an die eigene Nase fassen: Ihre Unbeweglichkeit stärkt die Position der Banken. Solange die Kunden zu geizige Banken nicht bestrafen, haben die keinen Grund, attraktivere Bedingungen für Sparbücher anzubieten, unterstreicht L'Echo.
Die Unbeweglichkeit der Bankkunden hat Gründe
Wettbewerb kann nur funktionieren, wenn die Kunden auch bereit sind, mit den Füßen abzustimmen, kommentiert sinngemäß De Tijd, also bereit sind, die Bank zu wechseln. Aber diese Bereitschaft scheint bei den belgischen Sparern nicht sehr ausgeprägt zu sein. Das liegt nicht etwa an organisatorischen Hürden, heutzutage geht das über das Internet recht schnell. Die Ursachen sind eher bei den Bedingungen zu suchen, die an rentablere Konten gekoppelt sind. Entscheidend ist aber auch ein Mangel an Vertrauen, die Bankenkrise von 2008 hat gelehrt, dass man mit Exoten auf dem Bankenmarkt vorsichtig sein sollte. Hinzu kommen dann noch oft wenig ausgeprägte finanzielle Kenntnisse, die den Argwohn vor anderen, vielleicht lohnenswerteren, aber unbekannteren Finanzprodukten fördern, analysiert De Tijd.
Nur eine Frage der Zeit, bis die Politik eingreift
De Standaard beschäftigt sich im Zusammenhang mit der Zinsdebatte mit der politischen Seite: Der freundliche Brief des Finanzministers an die Banken, doch bitte die Sparzinsen anzuheben, hat beim Bankenverband zu einer derartig schroffen Reaktion geführt, dass es für die Politik deutlich attraktiver geworden ist, hart durchzugreifen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass immer mehr Bürger das Gefühl bekommen, dass ihre Sparguthaben nur so dahinschmelzen, während sich die Banken weiter die Taschen füllen. Ein Eindruck, der sich auch an den Wahlurnen bemerkbar machen kann, was den plötzlichen politischen Eifer erklärt, sich für höhere Zinsen einzusetzen. Politisch wächst derweil der Konsens, dass der freie Wettbewerb auf dem Bankenmarkt allenfalls schlecht funktioniert, dass die Banken nicht um Kunden kämpfen, sondern einfach den Kuchen unter sich aufteilen. Es scheint also nur eine Frage der Zeit, bis die Regierung die Banken zu höheren Sparzinsen zwingen wird, prognostiziert De Standaard.
Unser Gesellschaftsmodell ist in Gefahr
Diverse frankophonen Zeitungen greifen heute die Ergebnisse einer Umfrage auf, die der Verband der wallonischen Städte und Gemeinden unter Kommunalpolitikern durchgeführt hat. Demnach könnten 40 Prozent von ihnen bei den Kommunalwahlen 2024 nicht erneut antreten, zehn Prozent haben sogar fest vor, aus der Politik auszusteigen, drei Viertel der Befragten glauben nicht, dass Kommunalpolitik noch eine dauerhafte Karriereoption ist. Als Grund wird meist der immer weiter zunehmende Druck aus der Bevölkerung genannt.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Ruf der Politik gelitten hat, kommentiert L'Avenir. Schlechte politische Entscheidungen, Missbrauch öffentlicher Gelder und Güter, Korruption – all das hat dem Ansehen der politischen Klasse geschadet. Hinzu kommen politische Spielchen und Manöver, die das Vertrauen der Bürger in die Politik sicher auch nicht gestärkt haben. Aber all das rechtfertigt nicht die vielen Beschwerden, Beleidigungen und Aggressionen, denen Politiker heutzutage quasi täglich ausgesetzt sind. Die letzten Jahre sieht man in den Sozialen Netzwerken auch immer mehr selbsternannte Wächter der kommunalen Ordnung, die sich nicht um Nuancen oder Wahrheit scheren und deren Hauptaktivität darin besteht, Entscheidungen und die politisch dafür Verantwortlichen anzugreifen und zu diskreditieren. Statt unsere gewählten Volksvertreter zu verteufeln, sollten wir lieber diese neuen Verhaltensweisen angehen, die unser Gesellschaftsmodell gefährden, fordert L'Avenir.
La Libre Belgique beklagt ebenfalls den immer raueren und aggressiveren Ton in den Sozialen Netzwerken, gerade gegenüber Kommunalpolitikern. Wenn der dazu führt, dass immer weniger Menschen bereit sind, diese Aufgaben zu übernehmen, dann führt das zu einer Erosion der lokalen Ebene, der Vielfalt der Politik und des demokratischen Angebots. Wir müssen uns schnell und allgemein bewusst machen, dass das immer mehr zu einem echten und allgemeinen Problem wird. Ein Problem, gegen das etwas unternommen werden muss – und zwar von allen: Region, Justiz, Bürger und Volksvertreter. Sonst wird bald niemand mehr unsere Gemeinschaften steuern wollen, warnt La Libre Belgique.
Boris Schmidt