"Grenzüberschreitendes Verhalten: Ex-Manager bezeugen Mobbing-Kultur bei Plopsa", liest man auf Seite eins von Gazet van Antwerpen. "Plopsa-Boss nach Klagen über Mobbing: 'Ich bestreite nicht, dass wir ein harter Betrieb sind'", so Het Laatste Nieuws. "Staatsanwaltschaft leitet Plopsaland-Untersuchung ein", titelt Het Nieuwsblad.
Gazet van Antwerpen fragt sich in ihrem Leitartikel, wie es wieder einmal sein kann, dass Arbeitnehmer sich offenbar nicht mehr anders zu helfen wussten, als sich mit ihren Mobbing-Vorwürfen an die Presse zu wenden – anstatt die offiziellen Kanäle zu nutzen wie Ombudsdienste oder Vertrauenspersonen. Denn es war ja die Zeitung De Tijd gewesen, die den Stein ins Rollen gebracht hatte nach Gesprächen mit Dutzenden Plopsa-Mitarbeitern. Vielleicht liegt es ja daran, dass menschliche Interaktionen sich sehr schlecht in offizielle Kanäle zwingen lassen. Die Atmosphäre in einer Firma wird nur in begrenztem Maß von ihrer Struktur bestimmt, aber dafür umso mehr durch die Personen, die am Ruder stehen, durch persönliche Kontakte zwischen Managern und Personal, einen respektvollen Umgang, Raum für außerbetrieblichen Smalltalk, Verständnis für außergewöhnliche Situationen. Wenn der menschliche Umgang miteinander stimmt, entsteht eine Atmosphäre des Vertrauens, in der offizielle Kanäle dann auch ihre Rolle erfüllen können. Dass der Plopsa-Betreiber nun jemanden von außerhalb beauftragen muss, um die Probleme aufzuarbeiten, sagt jedenfalls etwas aus über die dort herrschende Unternehmenskultur, meint Gazet van Antwerpen.
Das könnte ein sehr langes politisches Jahr werden…
Le Soir befasst sich mit der allgemeinen Lage des Landes. Der Himmel klart sich auf, Belgien kehrt zu einer gewissen Normalität zurück: Die Gaspreise sind wieder auf dem Niveau von vor anderthalb Jahren, das Planbüro hat seine Vorhersagen korrigiert auf mehr Wachstum und weniger Inflation. Dass ein gewisses Gleichgewicht wieder hergestellt werden konnte, ist auch sicher kein Zufall oder göttliche Fügung: Vielmehr haben wir das dem Eingreifen der Politik zu verdanken, der Indexierung der Bezüge und Löhne, den Staatsbeihilfen für die Haushalte und der Ausweitung des Sozialtarifs für Bedürftige. Das muss man betonen – gerade in Zeiten, in denen manche mal wieder zu oft fragen, wozu die Politik eigentlich taugt. Wir sind natürlich noch nicht am Ende der Krise angelangt und die Gefahr ist auch noch nicht vorbei. Aber zum jetzigen Zeitpunkt scheint es doch, als ob die wirtschaftlichen Schäden in Belgien begrenzt werden konnten, unterstreicht Le Soir.
La Libre Belgique hingegen hadert mit der belgischen Politik – und zwar auf allen Ebenen: Man muss sich immer mehr fragen, ob die Vivaldi-, die flämische, die Brüsseler oder die Regierung der Französischen Gemeinschaft noch bis zu den nächsten Wahlen durchhalten werden. Falls sie das nicht hinbekommen, steht uns ein sehr, sehr langes Jahr bevor – voller wahlkampftaktischer Manöver und Parteien, die radikalere Positionen denn je vertreten werden. Ist die belgische Politik, die ja bekannt ist für ihre Fähigkeit, zu Einigungen und Kompromissen zu finden, dazu überhaupt noch in der Lage? Angesichts der Situation in allen vier Ecken des Landes kann man daran zweifeln, seufzt La Libre Belgique.
Tanz auf dem Vulkan
Het Nieuwsblad blickt auf die Querelen in der flämischen Regierung rund um die kontroverse Stickstoff-Politik und auch insbesondere auf die föderale Ebene: Pensionen, Steuerreform, Asyl und Migration – die Liste der Streitpunkte wird auch in der Rue de la Loi immer länger. Und auch wenn Politik nichts anderes ist als das organisierte Austragen von Meinungsverschiedenheiten, so sollte bei dem Dauerstreit doch ab und zu auch etwas herauskommen. Belgien und auch Flandern haben weiß Gott Baustellen genug: Wir haben kein Geld mehr, die Renten werden unbezahlbar, wir arbeiten uns kaputt und bezahlen zu viele Steuern, das Bildungswesen schwächelt, wir stehen zu lang und oft im Stau, dann sind da noch die Sorgen um die Kinderbetreuung, bezahlbaren Wohnraum, das Klima und die Natur … Aber die Regierungen und Parteien scheinen auf dem Vulkan tanzen zu wollen. Sie alle wissen, dass es schlecht läuft und der Wähler sie abstrafen wird, wenn sich das nicht bessert. Aber sie tanzen lieber lustig weiter. Hinterher wird es wieder Wehklagen geben und die Feststellung, dass die Wähler wieder für ein sehr kompliziertes Spielfeld gesorgt haben. Die Reue wird wie immer zu spät kommen, giftet Het Nieuwsblad.
Endlich!
Als einzige Zeitung kommentiert schließlich L'Avenir den Karneval: Endlich! Nach zwei Jahren Absagen beziehungsweise eingeschränktem Feiern ist der Karneval zurück. Und schon jetzt lässt sich nur feststellen, dass man weder in puncto Begeisterung noch Beteiligung meckern kann. Der Karneval ist auch nicht einfach irgendeine jährliche Veranstaltung. Es ist eine Zeit, um mit Freunden und Familie zusammenzukommen, um loszulassen, um soziale Schranken fallen zu lassen. Es ist ein Ritual, das uns gestattet, uns mal locker zu machen und unser anstrengendes Leben für eine Weile zu vergessen. Der Karneval bietet mit seinen gemeinsamen Aktivitäten, Umzügen und Traditionen aber noch mehr: Gemeinschaftsgefühl und gemeinsame Werte nämlich. Das hat nachgewiesenermaßen positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und damit direkt auf die Gesundheit. Viele Menschen haben diese Atmosphäre des Teilens und der Solidarität in den letzten zwei Jahren wirklich vermisst. Vor diesem Hintergrund versteht man besser, warum so fieberhaft, aufgeregt und ungeduldig auf die Rückkehr des Karnevals gewartet wurde. Also, zögern Sie nicht, machen Sie mit bei der Folklore Ihrer Region, es ist gut für Ihre Gesundheit!, so L'Avenir.
Boris Schmidt