Die erschöpften Arbeiter des nicht-kommerziellen Sektors demonstrieren diesen Dienstag", kündigt Le Soir an. "Personalmangel, Arbeitsbedingungen: Die im Gesundheits- und Sozialsektor tätigen Menschen schlagen Alarm", titelt La Libre Belgique. "Kinderbetreuer gehen auf die Straße - und viele Eltern unterstützen das: "Es gibt keinen Spielraum mehr"", so eine Überschrift auf Seite eins von De Morgen.
"Der nicht-kommerzielle Sektor demonstriert heute. Aber was bedeutet das eigentlich?", fragt Le Soir in seinem Leitartikel. Was beziehungsweise wer versteckt sich eigentlich hinter diesem nichtssagenden Begriff? Menschen, die in der vollen Blüte ihres Lebens stehen und keine Hilfe brauchen, werden das kaum wissen. Menschen, die Probleme mit ihrer Gesundheit, mit Unfällen, mit körperlichen Einschränkungen haben und die finanziell nicht in der Lage sind, sich alternative Unterstützung zu leisten, hingegen schon. Für sie sind die Menschen des sogenannten nicht-kommerziellen Sektors schlicht unersetzbar. Die Gewerkschaften beklagen mangelnde staatliche Mittel, schlechte Arbeitsbedingungen, Erschöpfung und unzureichende Löhne. Zumindest für das Personal, das überhaupt noch vorhanden ist und noch nicht durch ungeschulte oder Zeitarbeitskräfte ersetzt worden ist. Die heutige Demonstration wird die Lage wohl nicht wirklich verbessern. Aber vielleicht kann sie zumindest sensibilisieren für die Anliegen dieser Menschen, zu denen wir manchmal so enge Bindungen aufbauen und die dennoch so oft unter dem Radar bleiben, so Le Soir.
"Hier geht es nicht nur um eine finanzielle Aufwertung dieser Berufe", unterstreicht La Libre Belgique. Vielmehr geht es darum, wie unattraktiv diese Tätigkeiten sind und wie hoch die Arbeitsbelastung derjenigen, die das Handtuch noch nicht geworfen haben. "Wir haben es hier mit einer riesigen Baustelle zu tun, die Situation ist wirklich kritisch. Unter den aktuellen Umständen könnte sich unser Land beispielsweise keine neue Pandemie mehr erlauben", warnt La Libre Belgique.
Stagflation nicht ausgeschlossen
De Tijd beschäftigt sich mit der Wirtschaft: Es ist zwar nur eine erste Schätzung, aber es sieht so aus, als ob Belgien einer Rezession entgehen könnte. Das ist schon psychologisch wichtig, denn Angst vor Rezession kann dazu führen, dass Bürger und Betriebe ihre Ausgaben und Investitionen zurückschrauben, was wiederum das Wirtschaftswachstum bremsen kann. Ein weiteres positives Signal ist, dass die Inflation weiter gesunken ist, von 10,34 Prozent im Dezember auf 8,05 Prozent im Januar. Daraus darf man freilich nicht schließen, dass sich der wirtschaftliche Himmel aufklart: Viele Betriebe werden erst jetzt konfrontiert mit spürbar steigenden Lohnkosten durch die Indexanpassungen.
Hinzu kommen weitere Unsicherheitsfaktoren. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir in einer Stagflation landen, also einem über Jahre nur bescheidenen Wirtschaftswachstum mit gleichzeitiger, hartnäckiger Inflation", befürchtet De Tijd.
Das Ende einer weiteren Ära
"Dass die Inflation gesunken ist, klingt ja eigentlich ermutigend", hält De Standaard fest. Aber tatsächlich ist die Inflation jetzt schlimmer als vor einem halben Jahr. Denn statt steigender Energiepreise haben wir es jetzt mit immer teureren Nahrungsmitteln zu tun, die die Lebenshaltungskosten in die Höhe treiben. Grundnahrungsmittel wie Milchprodukte, Mehl, Eier und Öl sind ein Viertel bis ein Drittel teurer geworden, bei Pasta und Tiefkühlfritten waren es im Dezember sogar 50 Prozent. Das ist nicht nur psychologisch und politisch ein Problem. Die Nahrungsmittelinflation droht auch hartnäckiger zu sein als die Energieinflation - und es gibt nicht viel, was politisch dagegen unternommen werden kann. Auch bei den Nahrungsmitteln erleben wir also das Ende einer Ära - nämlich das Ende der billigen Lebensmittel.
Diese Ära wurde durch die Globalisierung ermöglicht. Und wie auch bei anderen Sachen erleben wir nun, wie anfällig dieses System eigentlich ist. Die Bauern scheinen also am Ende doch Recht gehabt zu haben mit ihrer Aussage, dass Nahrungsmittel viel zu günstig sind für eine nachhaltige Produktion. "Man sollte nie vergessen: Während ein Haushalt in den 1950er-Jahren ungefähr die Hälfte seines Einkommens für Lebensmittel ausgab, waren es vor der aktuellen Krise im Schnitt nur noch zehn bis zwölf Prozent…", betont De Standaard.
Gewalt darf nie banalisiert werden
La Dernière Heure greift die Morddrohungen auf, die unter anderem der wallonische Minister für lokale Behörden, Christophe Collignon, und die Bürgermeister von Bastogne und Bertogne bekommen haben: Auch wenn es womöglich nur um einen Spinner geht, gerade angesichts des Anlasses, der geplanten Fusion der Gemeinden Bastogne und Bertogne, so sollte man eines dennoch nie tun: Gewalt banalisieren - selbst dann, wenn es sich nur um verbale Gewalt handelt.
Auch diese neuen Morddrohungen müssen ernst genommen und das Vorsichtsprinzip muss angewandt werden. Betrachtet man das Ganze globaler, so scheint es, als ob immer mehr Menschen Politiker und Politikerinnen für die Probleme und Krisen der Welt verantwortlich machen. Die Personen also, deren Auftrag ist, uns zu verteidigen, zu schützen und Lösungen zu finden. Belgien hat glücklicherweise keine Tradition von Aggressionen gegen Politiker. "Hoffen wir, dass das auch so bleibt. Dennoch könnte es sicher auch nicht schaden, wenn die Politik ihre Ställe ausmisten und Populisten aller Couleur so weniger Munition liefern würde", meint La Dernière Heure.
Boris Schmidt