Thriller
"Vande Lanotte wartet auf die Antwort der Parteipräsidenten" titelt heute De Morgen. De Standaard geht auf Seite eins schon einen Schritt weiter: "Di Rupo will die Fackel noch nicht übernehmen".
In der Brüsseler Rue de la Loi wird derzeit ein wahrer Thriller dargeboten, bringt es L'Avenir auf den Punkt. Im Mittelpunkt: der Kompromissvorschlag des königlichen Vermittlers Johan Vande Lanotte. Der wollte offenbar mit allen Mitteln verhindern, dass der Inhalt seiner Note heute in der Zeitung steht, was ihm übrigens auch gelungen ist. Der Text wurde etwa den sieben Parteien persönlich übergeben, von einem Boten, bitteschön, wie unter anderem La Dernière Heure hervorhebt. Auch sind die sieben für die Parteien bestimmten Fassungen nicht hundertprozentig identisch, um gegebenenfalls denjenigen ermitteln zu können, der den Text an die Presse weitergegeben hätte.
Stellungskrieg und Apathie
Doch wie geht es jetzt weiter? Allgemein wird davon ausgegangen, dass alle sieben Parteien zunächst die Vande Lanotte-Note als Gesprächsgrundlage akzeptieren werden. Und dann? Nun, so prognostiziert De Morgen in seinem Leitartikel: Nichts wird passieren. Der Stellungskrieg wird weitergehen wie bisher. Längst ist doch deutlich, dass sich Flamen und Frankophone eigentlich nur symbolbehangene Scheingefechte liefern, wo es nicht wirklich um Inhalte geht. Und mit jedem Tag wachsen bei den Bürgern Gleichgültigkeit und Apathie. Diese Spirale muss endlich durchbrochen werden.
Gazet van Antwerpen gibt sich ihrerseits pragmatisch: Jetzt muss man sich auf mitunter schmerzhafte Kompromisse gefasst machen. Zum Beispiel kann eine Lösung für das Dauerproblem Brüssel-Halle-Vilvoorde eigentlich nur ein Flickenteppich sein, doch muss diese Kuh nun endlich vom Eis.
Di Rupo, De Wever - oder doch Vande Lanotte?
Andere Zeitungen stellen sich indes die Frage, wer ab jetzt am Ruder stehen soll. Es müsste eigentlich jedem klar sein, dass Elio Di Rupo und Bart De Wever jetzt nicht mehr hinter den Kulissen bleiben können, meint etwa Het Nieuwsblad. Das gilt in erster Linie für Di Rupo. Wenn er wirklich immer noch Premier werden will, dann muss er jetzt die Ärmel hochkrempeln. Und auch De Wever muss sich und seine Partei jetzt klar positionieren. Beide stehen vor demselben Dilemma: Springen oder am Beckenrand stehen bleiben.
Het Laatste Nieuws versucht sich hingegen in einer realpolitischen Analyse: Traditionell muss der Anwärter auf den Posten des Premiers größere Zugeständnisse machen als die andern Partner. Das Problem: Di Rupo kann es sich nicht erlauben, noch mehr Wasser in seinen Wein zu gießen. Man kann nicht erwarten, dass der Chef einer Partei, die gegen 40 Prozent strebt, in so wichtigen institutionellen Verhandlungen die Hose runterlässt, meint das Blatt. Deshalb ist Johan Vande Lanotte nach wie vor der bestmögliche Vermittler zwischen beiden Seiten.
"Di Rupo wird nicht mehr Premier"
La Libre Belgique und De Standaard denken diesen Gedanken zu Ende: Man darf davon ausgehen, dass der König Vande Lanotte darum bitten wird, erst mal am Ruder zu bleiben, meint La Libre. Vande Lanotte dürfte das akzeptieren, und damit steigen wohl auch seine Chancen, am Ende Premierminister zu werden. Für De Standaard ist da noch affirmativer: "Di Rupo wird nicht Premierminister". Das Blatt argumentiert: Di Rupo will jetzt noch nicht die Fackel übernehmen, weil angeblich die Zeit noch nicht reif ist - doch wann wäre die Zeit denn reif? Es ist offensichtlich, dass man, auch unter dem Druck der Finanzmärkte, jetzt eine Regierung bilden wird, und dabei in Kauf nimmt, dass die Staatsreform nicht alle wirklich befriedigt. Das bedeutet: Die nächste Regierung wird weiter von Instabilität geprägt und damit risikobehaftet sein. Der Punkt: Di Rupo hasst Risiken.
Mit Vollgas ins Börsenjahr
L'Echo und Le Soir machen heute mit guten Neuigkeiten von den Finanzmärkten auf. Demnach sind die europäischen Börsen mit Vollgas ins neue Jahr gestartet. An den Handelsplätzen stiegen die Indices um bis zu 2,5 %. Ist das der Beginn eines fetten Jahres? Nicht unbedingt, meint etwa Le Soir. Für die Euphorie gebe es eigentlich keinen konkreten Anlass, doch stünden die Zeichen tatsächlich nicht schlecht.
Apropos Geld: Unter anderem La Libre Belgique hebt heute auf seiner Titelseite hervor, dass die fast schon sprichwörtliche Sparwut der Belgier ungebrochen ist. Trotz der lächerlich niedrigen Zinsen sind die Einlagen auf belgischen Sparbüchern im vergangenen Jahr um weitere 16 % angestiegen. Im Oktober 2010 befanden sich über 210 Milliarden Euro auf belgischen Sparkonten.
Neuer Missbrauchsskandal?
Viele Zeitungen berichten heute über einen neuen Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Het Laatste Nieuws widmet der Affäre seine Titelseite. Demnach behauptet ein inzwischen 50-jähriger Mann in den sechziger Jahren in einem Waisenhaus in Kortrijk von Nonnen missbraucht worden zu sein. Nach Angaben des Kinderpsychiaters Peter Adriaenssens handelt es sich hier um die erste Klage über Missbrauch durch weibliche Kirchenangehörige.
Janssen - Kein vierter Mord?
Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg widmen ihre Titelseite heute jüngsten Entwicklungen im Fall des mutmaßlichen Serienmörders Ronald Janssen. Der wird sich wohl noch in diesem Jahr vor Gericht für die drei ihm bislang nachgewiesenen Morde verantworten müssen. Für einen vierten Mord, bei dem er die Leiche möglicherweise im Raum Bütgenbach verschwinden ließ, gebe es bislang keinen Beweis. Janssen selbst hatte ein viertes Verbrechen zwar zugegeben, kann sich aber an keine Einzelheiten mehr erinnern, und bislang konnte auch ein Vermisstenfall mit dem möglichen Mord in Verbindung gebracht werden.