"Die rote Welle für die Republikaner bei den Midterms ist ausgeblieben", titeln De Morgen und De Tijd. "Die Demokraten haben der roten Welle widerstanden", so die Schlagzeile von L'Echo. "Die Demokraten schlüpfen durch ein Nadelöhr", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Der Ausgang der Zwischenwahlen in den USA hat viele Beobachter überrascht. Umfragen hatten den Republikanern einen Erdrutsch-Sieg vorhergesagt. Weil deren Farbe rot ist, sprach man von einem drohenden "roten Tsunami". "Kein roter Tsunami, dafür ein neuer Rivale für Trump", so denn auch das Fazit von Het Belang van Limburg. Diesem "neuen Rivalen", widmet auch Het Nieuwsblad seine Titelseite. "Nicht Trump, nicht Biden, das hier ist der Gewinner", schreibt das Blatt. Und zu sehen ist der Republikaner Ron DeSantis. DeSantis wurde mit einem beeindruckenden Ergebnis als Gouverneur von Florida wiedergewählt. Viele sehen in ihm einen möglichen Präsidentschaftskandidaten.
Midterms - Ein Wellchen statt des erwarteten roten Tsunamis
"Kein roter Tsunami, sondern am Ende nur ein Wellchen", frotzelt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Joe Biden und seine Demokraten haben besser abgeschnitten als erwartet. Und das trotz der Tatsache, dass Joe Biden der unpopulärste US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg ist. Die beste Neuigkeit für die Demokraten ist, dass einige Figuren, die Donald Trump höchstpersönlich ins Rennen geschickt hatte, nicht gewählt wurden. Mehr noch: Schon jetzt ist offensichtlich, dass Trump für die Niederlage die Schuld trägt. Vielleicht sehen wir hier den Anfang von seinem politischen Ende. Die Amerikaner haben die Spinner in der Politik offensichtlich satt.
Die Trumpisten stoßen an ihre Grenzen, glaubt auch De Standaard. Trumps Wunschszenario ist nicht eingetreten. Hätten all seine Unterstützer ihre Parlamentssitze erobern können, dann hätten sie freie Bahn gehabt, um das zu beenden, was bei der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 begonnen wurde. Und Trump hätte im Fahrwasser dieser Wahl-Euphorie seine erneute Kandidatur bekanntgeben können. Diese Machtübernahme der Extremen Rechten ist ausgeblieben. Vorerst. Doch ist das erstmal eine gute Neuigkeit für Europa und den Rest der Welt.
In den USA ist noch nicht alles verloren
Die Demokratie in den USA ist nicht so krank, wie es aussehen konnte, meint La Dernière Heure. Traditionell wird bei Zwischenwahlen immer die Partei des amtierenden Präsidenten abgestraft. Die Demokraten haben aber den Schaden doch sehr in Grenzen halten können. Außerdem haben insbesondere die extremsten Trump-Anhänger in ihren Wahlkreisen mitunter krachende Niederlagen einstecken müssen. Offensichtlich ist also noch nicht alles verloren, meint sinngemäß La Dernière Heure.
De Morgen sieht das ähnlich. Es ist ein Zeichen der Hoffnung, wenn dann doch nicht alle Heulbojen, Lügner und Spinner aus dem Gefolge von Donald Trump auf einem roten Teppich in den Kongress marschieren können. Denn diese Leute respektieren nicht die Spielregeln der Demokratie und wollen eben diese Regeln zu ihrem Vorteil verbiegen. Diese Gefahr ist leider nach wie vor nicht gebannt. Rund 200 der gewählten Republikaner glauben immer noch an die Lüge, wonach Joe Biden die Wahl gestohlen habe.
"Trump getroffen, aber wohl noch nicht versenkt"
Die wohl wichtigste Erkenntnis ist, dass Donald Trump kein Erfolgsgarant mehr ist, findet De Tijd. Die Frage ist jetzt allerdings, wie die Republikaner damit umgehen werden. Wollen sie jetzt Trump fallen lassen? Und wenn ja: Würde das ihnen überhaupt gelingen? Eine Alternative gäbe es: Ron DeSantis, der alte und neue Gouverneur von Florida, gilt als die salonfähigere Version von Donald Trump.
"Donald Trump wurde getroffen, aber wohl noch nicht versenkt", ist aber L'Avenir überzeugt. Klar: Der Ex-Präsident hat Federn lassen müssen. Ans Aufgeben denkt er allerdings nicht. Jetzt schießt er sich schon auf Ron DeSantis ein. Und man darf davon ausgehen, dass er trotz des durchwachsenen Ergebnisses seiner Republikaner seine Präsidentschaftskandidatur ankündigen wird.
Nur scheinbar demokratisches Erwachen in den USA?
Was wir hier sehen, das ist mehr denn je ein gespaltenes Land, meint nachdenklich La Libre Belgique. Schon jetzt ist klar, dass die Republikaner in den nächsten zwei Jahren über die nötigen Hebel verfügen werden, um die Politik von Präsident Biden zu lähmen. Auch werden sie wohl dafür sorgen, dass die parlamentarische Aufarbeitung des Sturms auf das Kapitol beendet wird. Die Gräben zwischen beiden Lagern werden nur noch tiefer und die USA zunehmend unregierbar.
L'Echo sieht das genauso. Das scheinbare demokratische Erwachen bei diesen Zwischenwahlen ist eigentlich nur das Hochschrecken eines Amerikas gegen das andere. Ja, das demokratische Herz der Vereinigten Staaten schlägt noch. In den nächsten zwei Jahren wird es aber wohl wieder auf eine harte Probe gestellt werden.
Die Demokraten dürfen sich nicht auf ihre Lorbeeren ausruhen und müssen jetzt schon den Fokus auf die Präsidentschaftswahl 2024 legen, mahnt Le Soir. Sie brauchen fähige Kandidaten, die den Republikanern den Wind aus den Segeln nehmen können. Dies vor allem, indem sie die Amerikaner davon überzeugen, dass sie deren Sorgen und Nöte ernst nehmen. Es wird jedenfalls nicht reichen, nur ständig auf die Gefahr hinzuweisen, die Donald Trump und sein Gefolge für die Demokratie darstellt. Die Inflation und der Höhenflug der Energiepreise, das sind viel konkretere Probleme, die die Amerikaner in ihrem Alltag beschäftigen. 2024 werden die Demokraten alles richtig machen müssen.
Roger Pint