"Es ist eine neue letzte Chance, um das Klima noch zu retten", schreibt De Morgen auf Seite eins. "In Europa gewinnt der Klimawandel an Vorsprung", notiert L'Echo. "So sehr man die Klimagipfel auch kritisiert, sie sind unumgänglich", titelt Le Soir.
Im ägyptischen Scharm-El-Sheikh beginnt morgen die 27. Weltklimakonferenz. Mehr denn je sind Eile und Entschlossenheit geboten. Denn schon jetzt sind die Auswirkungen der Klimaerwärmung sichtbar. Und das besonders in Europa, wo die Temperaturen nach neuesten Erkenntnissen schneller ansteigen als auf anderen Kontinenten.
"Die Welt steht jetzt am Klima-Abgrund und muss handeln", mahnt Le Soir in seinem Leitartikel. Wobei: Gerade in diesem Jahr ist doch ein bemerkenswerter Ruck insbesondere durch die europäischen Gesellschaften gegangen. Wohl noch nie waren Bereitschaft und Wille größer, Energie einzusparen. Allerdings hatte das nicht unbedingt mit einer neuen klimapolitischen Sensibilisierung zu tun. Den entscheidenden Impuls gab vielmehr der Energie-Krieg, den der russische Präsident Wladimir Putin vom Zaun gebrochen hat. Den Klimaschützern soll es Recht sein. Doch bleibt die Feststellung, dass die Welt nach wie vor zu wenig tut, um die Klimaerwärmung einzudämmen. Und so sehr auch die Weltklimagipfel wie ein Schaulaufen anmuten, sind sie nötig, um den Klimaschutz voranzutreiben.
Ohne Klimagerechtigkeit sind die Ziele nicht zu erreichen
Natürlich haben Weltklimakonferenzen etwas von einem jährlichen Ritual, meint auch L'Echo. Und die Ergebnisse bleiben zudem oft hinter den Erwartungen zurück. Eigentlich müssten die Länder voranschreiten, die den größten CO2-Ausstoß haben. Und ja, damit ist auch China gemeint. Das Land kann sich nicht länger hinter seinem Status eines angeblichen Schwellenlands verstecken. Jetzt müssen alle, wirklich alle, ihre Verantwortung übernehmen in diesem für das Schicksal der Menschheit entscheidenden Jahrzehnt.
La Libre Belgique sieht das ähnlich und denkt dabei vor allem an die Finanzversprechen der Industriestaaten. Die hatten schon 2009 gelobt, den ärmeren Ländern der Welt jährlich 100 Milliarden Dollar zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Und eigentlich ist das das Normalste der Welt: Die Länder der Südhalbkugel haben den Klimawandel am wenigsten verschuldet, sind aber die ersten Leidtragenden. Die Industriestaaten haben ihre Versprechen aber nie eingehalten. Man darf aber nicht vergessen, dass wir ohne Klimagerechtigkeit das Ziel nicht erreichen werden.
"Die Aufnahmekrise ist noch lange nicht bewältigt"
"Belgien ist mit einer Rekordanzahl Flüchtlinge konfrontiert", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Het Laatste Nieuws setzt eine Zahl drauf: "Gegen Ende des Jahres brauchen 100.000 Menschen eine Unterkunft", schreibt das Blatt. 100.000 Flüchtlinge in einem Jahr, das ist mehr als bei der Asylkrise im Jahr 2015. Darunter sind allerdings 60.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine – "Und das ist der Unterschied zu 2015", schreibt Het Laatste Nieuws. Dennoch: All diese Menschen müssen ja untergebracht werden. Und das stellt die Behörden gerade vor erheblichen Probleme. Das Fazit von Asylstaatssekretärin Nicole de Moor steht auf Seite eins des GrenzEchos: "Die Aufnahmekrise ist noch lange nicht bewältigt".
"Die Asylkrise gehört ganz oben auf die Agenda", fordert das GrenzEcho in seinem Leitartikel. Gerade in den letzten Tagen gab es wieder Berichte über unbeschreibliche Szenen vor dem Ausländeramt in Brüssel. Es gibt schlicht und einfach nicht genug Aufnahmeplätze für Flüchtlinge. Doch hat offenbar auch Asylstaatssekretärin Nicole de Moor verstanden, dass die Zurverfügungstellung von Plätzen allein nicht ausreicht, um eine Asylkrise zu lösen. Strukturelle Reformen müssen ebenso her wie eine proaktive Politik, um Entwicklungen vorherzusehen. Außerdem sollte über die Flüchtlingspolitik transparent kommuniziert werden. Denn, ja, damit sind viele Ängste und Vorurteile verbunden. Doch totschweigen ist ebenso wenig eine Lösung, wie das Thema den rechten Parteien zu überlassen, die Schicksale von Flüchtlingen für ihre Zwecke missbrauchen.
Wo bleibt die gemeinsame europäische Migrationspolitik?
Wie schon 2015 ist die öffentliche Meinung auch in dieser Krise wieder ein wichtiger Faktor, analysiert auch Het Nieuwsblad. Das erklärt auch, warum viele Bürgermeister zögern, Verantwortung zu übernehmen. Jeder Entscheidungsträger spürt hier auch den heißen Atem des rechtsextremen Vlaams Belang im Nacken. Dabei sollte man aber nicht vergessen: Schon die letzte Asylkrise hat gezeigt, dass die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung größer ist als man es vielleicht vorher befürchtet hätte. Viele Anwohner von Flüchtlingsunterkünften haben im Nachhinein auch zugegeben, dass ihre Sorgen und Ängste unbegründet waren. Und es gab ja auch keine größeren Zwischenfälle.
In einem Punkt sind sich aber beide Blätter einig: Es bedarf dringend einer gemeinsamen europäischen Migrationspolitik.
Twitter und die Sorgen angesichts der Macht der Plattformen
Viele Zeitungen kommentieren schließlich die jüngsten Entwicklungen beim Kurznachrichtendienst Twitter. Der Milliardär Elon Musk, der Twitter für 44 Milliarden Dollar übernommen hat, ist dabei, das Unternehmen von Grund auf umzukrempeln. Gerade im Moment läuft eine Entlassungswelle. Laut Medienberichten soll rund die Hälfte des Twitter-Personals vor die Tür gesetzt werden. Das schürt die Besorgnis nicht nur bei den Nutzern, sondern auch bei den Werbekunden, die offensichtlich erst mal Abstand genommen haben.
Das, was bei Twitter läuft, ist tatsächlich besorgniserregend, findet De Tijd. Nicht nur, dass Elon Musk respektlos mit seinem Personal umspringt, unheimlich ist vor allem, dass der reichste Mann der Welt im Alleingang die Regeln für eine weltweite Kommunikationsplattform definieren kann. Und jeder weiß, dass Elon Musk ein Prophet der absoluten, uneingeschränkten Meinungsäußerung ist. Genau das wirft Fragen auf: Wird er Donald Trump wieder auf Twitter willkommen heißen? Wird er Extremismus und Desinformation Tür und Tor öffnen? Werden am Ende vielleicht sogar Aufrufe zu Gewalt oder Mord toleriert? Die Art und Weise, wie Elon Musk mit Twitter umgeht, ist beispielhaft für die Sorgen und Bedenken, die man gegenüber den großen weltweiten Internetplattformen hegen kann.
"Wer wird am Ende Elon Musk moderieren?"
"Wer wird am Ende Elon Musk moderieren?", fragt sich De Standaard. Die Angst ist groß, dass sich auf Twitter bald das Tor zur Hölle öffnet. Das hat schon allein mit der Persönlichkeit des neuen Eigners zu tun. Nicht nur, dass Elon Musk ein Absolutist des uneingeschränkt freien Wortes ist. Er hat zudem Sympathien für rechtsradikale Publizisten, von denen manche mit Verschwörungsmythen flirten. Seine Twitter-Übernahme kommt zudem zu einem politisch heiklen Moment, vor allem in den USA. Sollte Musk die Moderationsregeln ändern, dann droht Twitter erst recht für das extrem polarisierte Amerika zum Schlachtfeld zu werden. Und dann ist da noch die Frage, wie Musk mit China umgehen wird. Nicht vergessen: Rund die Hälfte seiner Teslas laufen im Reich der Mitte vom Band. Die Gefahr ist real, dass Peking am Ende de facto ein Mitspracherecht bekommt in einem Medium, das noch vor zehn Jahren als möglicher Hebel für Protestbewegungen und Aktivisten betrachtet wurde. Frage ist am Ende, ob die Nutzer und vor allem die Werbekunden dem neuen Twitter treu bleiben werden.
Roger Pint