"Chaos: Flughafen Charleroi wegen Streik geschlossen", liest man auf Seite eins des GrenzEchos. "11.000 Reisen vermasselt: Flughafen Charleroi bleibt heute zu, fünf verletzte Polizeibeamte – aber Einigung in Arbeit", so die Bilanz von Het Laatste Nieuws. "Flughafen noch geschlossen, aber Einigung ist gefunden", hat La Dernière Heure den letzten Stand der Dinge.
Seit Montag ist der Flughafen Charleroi Schauplatz absolut nicht hinnehmbarer sozialer Entgleisungen, wettert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel: Dem Arbeitskampf liegt ein tiefsitzendes Unbehagen in der Sicherheitsfirma "Security Masters" zugrunde, die sich am Flughafen Charleroi um die Sicherheitskontrollen der Passagiere kümmert. Deren Personal läuft seit Wochen Sturm gegen die Entscheidung der Flughafenbetreiberfirma, diese Aufgabe in Zukunft auf zwei Sicherheitsfirmen zu verteilen. Die Streikenden befürchten eine Wettbewerbssituation und damit eine potenzielle Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen und Gehälter.
Was soll man davon halten? Bei uns herrscht vor allem der Eindruck eines heillosen Durcheinanders vor. Auch wenn eine Streikankündigung hinterlegt worden war und Streiken ein wichtiges Recht ist, so kann man es nur beklagen, dass die Passagiere als Geiseln genommen werden. Das wird auch wirtschaftliche Folgen haben und bleibende Spuren für die Glaubwürdigkeit des Flughafens hinterlassen. Der Flughafenleitung muss man derweil vorwerfen, dass sie sich nicht ausreichend auf so eine Situation vorbereitet hat – und das, obwohl der Druck auf dem Kessel schon eine geraume Weile am Steigen war, so La Libre Belgique.
Streiken geht auch intelligenter
Ein nicht zu rechtfertigendes Chaos, findet L'Avenir. Charleroi ist nicht einfach nur irgendein Flughafen, von dem aus man in die Ferien oder auf eine Geschäftsreise aufbricht. Der Flughafen Charleroi ist ein echtes Aushängeschild für die Wallonie, er steht für ein positives Image der Region. Im Gegensatz zu seinem Brüsseler Gegenstück wird Charleroi auch nur selten von Streiks lahmgelegt. Beiden Seiten können jetzt Vorwürfe gemacht werden. Währenddessen reiben sich manche in Flandern schon wieder die Hände angesichts dieses Schauspiels, das in ihren Augen einmal mehr das Bild einer Wallonie im Stillstand belegt, schreibt L'Avenir.
Wir greifen nicht das Streikrecht an, betont La Dernière Heure: Das Personal von "Security Masters" darf sich beklagen, darf fordern, ja, darf selbst die Arbeit niederlegen, wenn es das möchte. Was es aber nicht darf, ist, unbeteiligte Reisende als Geiseln zu nehmen. Die Streikenden haben ihren Bauchnabel und die Interessen ihrer Firma über die der stinknormalen Passagiere gestellt, die einfach nur zu ihrem Flug wollten und die sicher keine Entschädigung bekommen werden. Mit diesem Gangsterverhalten haben die Streikenden tausende Passagiere gegen sich aufgebracht. Streiken kann man auch auf intelligente Weise, das sieht man doch an Arbeitskämpfen an anderen Flughäfen. Nicht so dumm und dämlich wie in Charleroi, giftet La Dernière Heure.
Ein sehr bizarrer Arbeitskampf
Dieser Streik muss einer der bizarrsten der Geschichte sein, meint Het Nieuwsblad: Denn die Angestellten streiken nicht etwa gegen ihre Chefs. Nein, sie streiken gegen den Flughafenbetreiber, der die Sicherheitsfirma beauftragt hat. Der Arbeitskampf dient also vor allem den Interessen ihrer Chefs – selten das, worum es bei Streiks geht. Zu allem Überfluss haben die Chefs von "Security Masters" ja nun auch nicht wirklich ein Interesse daran, die Streikenden wieder zur Vernunft zu bringen. Der Flughafen seinerseits will den Druck in den saisonbedingten Spitzenzeiten durch die Aufteilung der Arbeit auf zwei Firmen verringern. Dass damit das Monopol von "Security Masters" gebrochen wird, wird natürlich gerne mitgenommen: Das Lahmlegen des Flughafens wie jetzt gerade wird so deutlich schwieriger. Außerdem können dann zwei Firmen gegeneinander ausgespielt werden. Die Arbeitsbedingungen in Charleroi sind dem Vernehmen nach schon jetzt zum Verzweifeln. Die Unruhe unter den Streikenden ist in dieser Hinsicht also nachvollziehbar. Ihre Vorgehensweise beziehungsweise die der Gewerkschaften aber nicht, unterstreicht Het Nieuwsblad.
Die "Preisbrecher"-DNA von Charleroi
De Tijd beleuchtet die Hintergründe des Streiks: Im Kern geht es um den Versuch, die Kosten weiter und weiter zu reduzieren. Durch die Beauftragung von zwei Sicherheitsfirmen soll der Preiskampf durch Wettbewerb befeuert werden. Charleroi ist zudem von vornherein als Preisbrecher ausgelegt. Die genauen Vereinbarungen zwischen dem Flughafen und insbesondere der Billigfluglinie Ryanair werden geheim gehalten. Bekannt ist aber, dass Fluglinien am Flughafen Brüssel-Zaventem pro Passagier mindestens 17-mal mehr für das Recht bezahlen, den Flughafen zu nutzen. Allein das lässt schon erahnen, wie groß der Druck zur Kostensenkung in Charleroi sein muss.
Der größte Gewinner dieser Praxis ist der Verbraucher, der so billiger fliegen kann. Aber das geht zulasten derjenigen, die für die Verbraucher arbeiten müssen. Vor diesem Hintergrund ist die Frustration der Gewerkschaften der Angestellten der Sicherheitsfirma verständlich. Aber solche Aktionen lösen das Problem nicht, sie werden die Niedrigkosten-DNA des Flughafens nicht ändern. Abgesehen davon: Der Flugsektor ist doch gerade dabei, die schweren Jahre hinter sich zu lassen, Ryanair breitet seine Aktivitäten in Charleroi mehr und mehr aus. Selbst angesichts der ausgehandelten Niedrigtarife muss die so geschaffene große Zahl an Passagieren doch Chancen bieten. Was wir hier sehen, ist jedenfalls ein Paradebeispiel dafür, wie eine bereits schwierige Situation durch eigene Handlungen noch schwieriger gemacht wird, ist De Tijd überzeugt.
Boris Schmidt