"Die Kreditanfragen sind in diesem Sommer stark gesunken", titelt Het Nieuwsblad. "Deutlich weniger Hypothekendarlehen abgeschlossen", so auch die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws und De Tijd. L'Echo setzt eine Zahl drauf: "Ein Fünftel weniger Wohnungskredite", schreibt das Blatt. Die Zahl der aufgenommenen Haus- beziehungsweise Wohnungskredite war im ersten Halbjahr so niedrig wie seit der Bankenkrise von 2008 nicht mehr. Schuld sind vor allem die steigenden Zinsen. Obendrauf kommt dann noch die aktuelle Energiekrise.
Dazu passt die Schlagzeile von Le Soir: "Die Zahl der Unternehmensgründungen ist im ersten Halbjahr um 7,2 Prozent zurückgegangen". "Und das Schlimmste kommt erst noch", orakelt die Brüsseler Zeitung. Denn die Energiekrise habe noch gar nicht ihre ganze zerstörerische Wirkung entfaltet.
Maßnahmen der Energieministerin: Nur ungelegte Eier?
Apropos Energiekrise: Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit dem Vorstoß der föderalen Energieministerin Tinne Van der Straeten. Die Groen-Politikerin hatte gestern die Einführung einer Übergewinnsteuer für Stromkonzerne sowie einer Krisenabgabe für den Ölsektor in Aussicht gestellt. Der Erlös für die Staatskasse würde sich demnach auf knapp fünf Milliarden Euro belaufen. Die Regierung hat diese Pläne aber noch nicht abgesegnet.
"Naja, immerhin tut sich mal was", meint La Libre Belgique fast schon erleichtert in ihrem Leitartikel. Nach Monaten des Eiertanzes und der Absichtserklärungen hat die föderale Energieministerin nun doch mal "Butter bei die Fische" getan. Und das Ganze klingt ja verlockend: 4,7 Milliarden Euro würden die diversen Krisenabgaben in die Staatskasse spülen. Man sollte da aber keine Wunder erwarten. Erstmal ist es so, dass einige dieser Einnahmen schon im Budget verrechnet waren. Und der Rest wird gerade einmal ausreichen, um die bereits bestehenden Maßnahmen zu finanzieren. Mal ganz davon abgesehen, dass es sich hier bis auf Weiteres immer noch um ungelegte Eier handelt.
Energiekrise: Verbraucher kommen sich vor wie schlichte Spielbälle
Auch Het Belang van Limburg reagiert erstmal zurückhaltend auf den Vorstoß der föderaler Energieministerin. Tinne Van der Straeten scheint einmal mehr vorschnell kommuniziert zu haben. Was sie gestern in den Raum gestellt hat, das ist erstmal nicht mehr und nicht weniger als ein Vorschlag. Besagte 4,7 Milliarden Euro, die sind noch nicht eingefahren. Mehr noch: Dahinter stehen noch einige große Fragezeichen. Van der Straeten geht nämlich deutlich weiter, als es die EU empfiehlt. Und die Frage ist, ob sich das nicht nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Belgien auswirken wird. Ohnehin gibt die EU hier ein zunehmend diffuses Bild ab. Dies spätestens, seit die deutsche Regierung angekündigt hat, 200 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, um insbesondere einen Gaspreisdeckel durchzusetzen. Frage ist, wie sehr ein solcher Batzen Geld den europäischen Energiemarkt verzerren kann. Das alles nur, um zu sagen: In diesen extremen volatilen Zeiten sollte man tunlichst vorsichtig kommunizieren.
Der Verbraucher muss sich bei alledem mehr und mehr wie ein schlichter Spielball vorkommen, meint Gazet van Antwerpen in einem nachdenklichen Kommentar. Ein Spielball von kriegslüsternen Despoten, von Ölproduzenten, Energielieferanten und Regierungen. Ottonormalverbraucher fühlt sich regelrecht ausgeliefert: Die Energiepreise fahren Achterbahn; und am Ende bezahlen die Verbraucher. Tinne Van der Straeten trägt noch zu diesem Gefühl der Ohnmacht bei. Denn es wäre nicht das erste Mal, dass sie Dinge ankündigt, die sie nicht wahrmachen kann. Sicher ist nur eins: Die günstigste Energie ist die, die man nicht verbraucht.
Die Dämonen alter Krisen
Und ausgerechnet jetzt stellen die Arbeitgeber mal wieder die Lohnindexbindung in Frage, beklagt Het Nieuwsblad. Der Arbeitgeberverband FEB und auch die Selbständigenvereinigung Unizo warnten davor, dass die Serie von Gehaltserhöhungen den Betrieben den Hals zuschnüren. Hier fühlt man sich allerdings an den Hirtenjungen von Äsop erinnert, der einmal zu oft fälschlicherweise vor dem Wolf gewarnt hat. Im Klartext: Es ist das altbekannte Lied, das – weil man es so oft gehört hat – niemand mehr zur Kenntnis nimmt. Eine ähnliche Wirkung haben im Übrigen die Streiks der Gewerkschaften. "Da sind sie wieder", vielmehr denkt man sich dabei wohl nicht. Es wäre wünschenswert, wenn die Sozialpartner angesichts einer Krise solchen Ausmaßes endlich mal ihre Laufgräben verlassen und gemeinsam nach neuen, kreativen Rezepten suchen würden.
"Zumal das vielleicht noch nicht alles war", warnt De Tijd. Denn die Dämonen alter Krisen gucken schon wieder um die Ecke. Beispiel: Die schweizerische Bank Crédit Suisse ist offensichtlich in Turbulenzen geraten. Zumindest geht das auch einem internen Dokument hervor, das unlängst durchgesickert ist. Plötzlich geht also wieder das Schreckgespenst einer neuen Bankenkrise um. Anderes Beispiel: Die Finanzmärkte blicken gerade mit Argusaugen auf Italien, wo ja mit Giorgia Meloni ein Postfaschistin das Ruder übernehmen könnte. Die Irrungen und Wirrungen der neuen britischen Premierministerin Liz Truss haben gezeigt, wie schwer es ist, ein Wirtschaftsprogramm vorzulegen, das potentielle Investoren nicht abschreckt. In diesen Zeiten voller Unwägbarkeiten und Fallstricke ist höchste Wachsamkeit geboten.
Die Gefahr eines brasilianischen Trumpismus
Le Soir schließlich blickt nach Brasilien, wo der rechtsextreme Amtsinhaber Jair Bolsonaro bei der Präsidentschaftswahl besser abgeschnitten hat, als es die Umfragen vorhergesagt hatten. Bolsonaros hyperkonservative Ideologie ist offensichtlich in die brasilianische Gesellschaft eingesickert wie der Trumpismus in den USA. Das Land ist jetzt ebenso tief gespalten wie der nordamerikanische große Bruder.
Immerhin hat Bolsonaro seine Angriffe auf das Wahlsystem nicht wiederholt. Dies allerdings wohl nur, weil das Ergebnis zu seinen Gunsten ausgefallen ist. Sollte Bolsonaro die zweite Runde verlieren, dann wird er wohl nicht zögern und, nach dem Vorbild von Donald Trump, ohne Beweise über angebliche Wahlfälschungen schwadronieren. Damit würde er die demokratischen Institutionen Brasiliens bedrohen, die bislang seinen Angriffen standgehalten haben.
Roger Pint