"Allererste Klasse: Am Donnerstag ist das neue Schuljahr in Ostbelgien gestartet", so der große Aufmacher beim GrenzEcho. "Eine echte Achterbahnfahrt, so ein erster Schultag", liest man bei Het Nieuwsblad. "Zurück in die Schule: Lachen, Tränen und vor allem viel Tapferkeit am ersten Schultag", fasst Gazet van Antwerpen zusammen.
Für viele Kinder in Flandern und in der Deutschsprachigen Gemeinschaft war gestern der erste Schultag – was in vielen Zeitungen regional ausführlich mit Fotos und Artikeln aufgegriffen wird. In der Französischen Gemeinschaft ist der Unterricht hingegen bereits am Montag losgegangen. Und obwohl das neue Schuljahr dort erst einige Tage alt ist, gibt es bereits eine heftige Diskussion um Unterrichtsmaterial: "Polemik um Rajae Maouane", meldet etwa La Dernière Heure. "Ein Interview mit der Co-Präsidentin von Ecolo in einem Schulbuch löst Proteste aus", erläutert La Libre Belgique.
Das entsprechende Interview mit der Grünen-Politikerin Rajae Maouane ist von den Autoren des Schulbuchs selbst geführt worden, unterstreicht La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Und nicht nur, dass sie dabei das kumpelhafte "Du" verwendet haben, nein, sie haben der Ecolo-Co-Präsidentin auch noch sehr bequeme Fragen gestellt, so dass sie sich nach Lust und Laune präsentieren konnte. Die jungen Leser werden sogar aufgefordert, Maouane doch mal auf einen Kaffee zu treffen. Und ihrer Partei doch auf TikTok und Instagram zu folgen. Was für eine nicht hinnehmbare Entgleisung! Schulbücher bilden das Grundgerüst für die Bildung unserer jungen Menschen. Sie müssen also neutral, unpolitisch und frei von jeglicher Ideologie sein – unabhängig davon, was gerade in Mode ist, fordert La Dernière Heure.
Politische Propaganda gehört nicht in die Schule, donnert auch La Libre Belgique. Das gleiche gilt für Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und andere Meinungsmacher. Das sollte doch auf der Hand liegen. Angesichts des Wirbels, den das abgedruckte Interview mit Rajae Maouane verursacht hat, wird das Schulbuch zweifelsohne bald aus dem Verkehr gezogen sein. Aber es dabei zu belassen, hieße, es sich ein bisschen zu einfach zu machen. Denn dieser unverständliche Ausrutscher eines bekannten Herausgebers sollte dazu führen, die ganze Welt der Schulbuchverlage einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn die Frage ist, ob die Verlage ihre Arbeit wirklich mit genug Strenge, Abstand und politischer und ideologischer Unabhängigkeit machen. Der Fall Maouane lässt hieran nämlich durchaus Zweifel aufkommen, giftet La Libre Belgique.
Die Zukunft der Dorfschulen in der DG
Das GrenzEcho beschäftigt sich in seinem Kommentar mit Dorfschulen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft: Die Diskussion um deren Zukunft ist nicht neu und wird im Zuge sinkender Schülerzahlen seit einigen Jahren immer wieder und teilweise sehr emotional geführt. Das kommt nicht von ungefähr, denn gerade für eine kleine Ortschaft ist eine Schule mehr als "nur" eine Bildungseinrichtung. Sie dient als wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenlebens und wird als Schutz gegen das Aussterben des Dorfes angesehen. Aber auch wenn die mögliche Schließung einer Schule sehr schmerzhaft ist, muss sie kein Weltuntergang sein oder zu Panikreaktionen führen. Denn verschiedene Dörfer haben bewiesen, dass das Gemeinschaftsleben auch ohne eigene Schule sehr lebendig bleiben kann. Und als Schulträger müssen sich die ländlichen Gemeinden auch überlegen, ob Schulzentren für mehrere Ortschaften nicht zweckmäßiger sind, so das GrenzEcho.
Dunkle Wolken am Horizont
Aber nicht nur die Schule geht wieder los, auch die Politik kehrt langsam aus den Großen Ferien zurück. Diese Rückkehr wird allerdings überschattet von immer dunkleren Warnsignalen für unsere Wirtschaft, schreibt De Tijd: Firmen, die wegen der explodierenden Energiekosten ihre Produktion einstellen, abstürzende Aktienkurse, die Angst vor einer Rezession – und dennoch sind wir noch meilenweit entfernt von so etwas wie einem Krisenplan für den kommenden Winter. Zum Teil liegt das daran, dass Belgien allein wenig tun kann und Europa gefordert wäre, Stichwort: Gasmarkt. Zum Teil liegt es aber einfach an der Uneinigkeit in unserem Land. Trotz aller Herausforderungen sind sich Gewerkschaften, Arbeitgeber und die Politik noch immer nicht einig, was das kollektive Problem jetzt eigentlich genau ist, beklagt De Tijd.
L'Echo blickt auch in diesem Zusammenhang besorgt auf den anstehenden Herbst. Denn hier droht ein neuer heftiger Sozialkonflikt mit Streiks, Demonstrationen, Pleiten, Umstrukturierungsmaßnahmen und Arbeitsplatzverlusten. Dennoch sollten angesichts der wirtschaftlichen Probleme eigentlich alle ein Interesse daran haben, die sozialen Auswirkungen der Krise abzudämpfen und Konflikte zu vermeiden. Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Regierung sollten sich so schnell wie möglich zusammensetzen, um einen neuen Sozialpakt auszuhandeln. Denn in der aktuellen Krise sitzen Unternehmer und Arbeitnehmer im gleichen Boot. Geht der eine unter, wird er den anderen mit in die Tiefe reißen, warnt L'Echo.
So viel verschwendete Zeit…
Le Soir schließlich befasst sich mit der Veröffentlichung des Berichtes der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte über die Situation der Uiguren in China: Lange war das Schweigen des UN-Hochkommissariats über die Behandlung der muslimischen Minderheit in der Provinz Xinjiang geradezu ohrenbetäubend. Viele hatten schon befürchtet, dass der massive Druck des Regimes in Peking mindestens zu einem geschönten Bericht führen würde. Aber das ist glücklicherweise nicht der Fall, auch wenn die Welt buchstäblich bis zu den letzten Amtsminuten von Hochkommissarin Michelle Bachelet am 31. August warten musste.
Ihr Bericht prangert unmissverständlich die sehr schweren und zahlreichen Übergriffe der chinesischen Regierung an. Die könnten sogar den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen, so die Hochkommissarin. Dennoch kann man nicht anders, als all die verschwendete Zeit zu beklagen, denn die staatlichen Verbrechen an den Uiguren sind seit Jahren von zahlreichen Forschern, Organisationen und Opfern bezeugt worden. Hoffentlich wird die Veröffentlichung des Berichts der Hochkommissarin die Mitglieder des UN-Menschenrechtsrat jetzt zumindest endlich zum Handeln bewegen, hofft Le Soir.
Boris Schmidt