"Hohe Energiepreise zwingen Unternehmen dazu, ihre Produktion stillzulegen", titelt De Standaard. "Immer mehr Unternehmen stoppen ihre Produktion", notiert L'Echo auf Seite eins. "Arbeitgeber fürchten, dass noch mehr Fabriken geschlossen werden müssen", heißt es bei Het Nieuwsblad.
Die Folgen der hohen Energiepreise auf die Industrie in Belgien beschäftigen die Zeitungen auch in ihren Leitartikeln. De Standaard meint: Die aktuelle Energiekrise mit ihren hohen Preisen wird durch die aktuelle große Trockenheit noch verstärkt. Dabei sind Energiekrise und Trockenheit nicht einfach so vom Himmel gefallen. Wir wussten, dass uns das treffen kann. Die Ölkrise in den 70er Jahren hat Westeuropa gezeigt, welche Folgen es hat, wenn man zu abhängig von fossilen Brennstoffen ist.
Der Klimawandel ist seit Jahren bekannt und viel zu wenig wurde dagegen getan. Was wir jetzt erleben, ist deshalb auch zum Teil unsere eigene Schuld, beziehungsweise die Schuld unserer Regierungen. Viel zu wenig wurde getan, um uns vor Szenarien wie jetzt zu bewahren, ärgert sich De Standaard.
Dem Hafen von Antwerpen droht ein Exodus
Het Nieuwsblad denkt ähnlich, fokussiert aber anders: So dunkel die Krise auch sein kann, gibt es auch einige Lichtblicke. Bürger, Selbstständige, kleine und große Betriebe fangen damit an, auf die Energiekrise zu reagieren. Plötzlich finden sie überall Möglichkeiten, Energie einzusparen. Sie werden kreativ. Die Frage ist, warum das erst jetzt passiert.
Anscheinend musste erst die Krise kommen, damit wir wirklich anfangen, sinnvoll mit der Energie umzugehen. Sollte die Krise eines Tages überwunden sein, sollten wir die neuen Gewohnheiten beibehalten. Damit wären wir besser gegen neue Energie-Krisen gewappnet, rät Het Nieuwsblad.
De Tijd macht sich Sorgen und erklärt: Es ist alarmierend, dass erste Unternehmen ihre Produktion eingestellt haben. In Genk ist das beim Stahlhersteller Aperam der Fall. 1.200 Mitarbeiter sind davon betroffen. Und bald könnten es viel mehr Unternehmen werden, die aufgrund der hohen Energiepreise ihre Produktion drosseln oder einstellen müssen.
Für den Standort Belgien sind das ganz schlechte Nachrichten. Denn durch die automatische Indexierung der Gehälter sind die Kosten für Unternehmen in Belgien sowieso schon höher als anderswo in Europa. Unternehmen könnten abwandern. Dem Hafen von Antwerpen droht ein ganzer Exodus, denn hier sind besonders viele energieintensive Industriebetriebe ansässig, warnt De Tijd.
Mehr Selbstversorgung wichtig
Das GrenzEcho schlägt in dieselbe Kerbe: Für die europäische und somit auch für die belgische Wirtschaft sind die aktuell bereits sehr hohen und im Winter voraussichtlich noch höheren Energiepreise eine doppelte Katastrophe. In der Tat ist Energie nur in Europa derzeit so horrend teuer. Die Industriebetriebe in der EU verlieren also weiter an globaler Konkurrenzfähigkeit. Somit stellt sich immer mehr die Frage, wie lange die EU-Politik ihren aktuellen politischen Kurs im Ukraine-Konflikt noch halten kann, bemerkt das GrenzEcho.
Het Belang van Limburg warnt genau vor solch einem Politik-Wechsel und erklärt: Wenn die Sanktionen gegen Russland gelockert werden würden, würde unsere Wirtschaft nicht sofort wieder aufleben. Dafür gibt es zurzeit viel zu viele Faktoren, die für die Krise verantwortlich sind. Die Ukrainer sind vielleicht gerade dabei, im Kampf gegen die Russen das Blatt zu wenden. Wenn der Westen jetzt plötzlich die Sanktionen gegen Russland lockern würde, nur um weniger zu leiden, wäre das kontraproduktiv. Der Westen sollte vielmehr danach schauen, wie mit Alternativen die Wirtschaft wieder auf die Beine gestellt werden kann. Mehr europäische Produktion und mehr Selbstversorgung – in diese Richtung muss es gehen, glaubt Het Belang van Limburg.
Martin frei, Eltern haben lebenslänglich
Gazet van Antwerpen kommentiert zum Gesetzesvorhaben von Innenministerin Annelies Verlinden, Bürgermeistern großer Städte mehr Möglichkeiten im Kampf gegen die Drogenmafia zu geben: Im Kern geht es darum, dass Bürgermeister Geschäfte und Unternehmen einfacher schließen können, wenn der Verdacht besteht, dass dort Geld gewaschen wird.
In den Niederlanden gibt es das Gesetz schon seit Jahren und es wird von allen Seiten als wirkungsvolle Waffe gegen Geldwäsche gelobt. Deshalb ist es schwer nachzuvollziehen, warum der Vorsitzende der frankophonen Liberalen, Georges-Louis Bouchez, schon jetzt gegen die Pläne von Verlinden polemisiert, ärgert sich Gazet van Antwerpen.
La Dernière Heure erinnert daran: Heute wird Michelle Martin, Ex-Ehefrau von Kindermörder Marc Dutroux, ihre Freiheit vollkommen wiederfinden. Die Frau, die Mädchen elendig hat verhungern lassen. Zu 30 Jahren Haft war sie verurteilt worden. Wegen guter Führung musste sie die Zeit nicht voll absitzen.
Aus Sicht der Justiz ist das völlig normal. Wir dagegen denken zunächst an den Schmerz der Angehörigen der Opfer. Sie tragen ihn lebenslänglich mit sich. Ist das gerecht?, fragt La Dernière Heure.
Kay Wagner