"Macron warnt vor einem angespannten Herbst", schreibt De Tijd auf Seite eins. Es sei "das Ende von Überfluss und Sorglosigkeit", zitiert die Wirtschaftszeitung den französischen Präsidenten. Zuvor hatte auch schon Premierminister Alexander De Croo schwierige Zeiten prophezeit. Anzeichen dafür sind schon jetzt unübersehbar: La Libre Belgique widmet seine Titelstory den "Unternehmen, die wegen der Energiepreise am Abgrund stehen". "Wegen der hohen Energiepreise werden Jobs verschwinden", titelt quasi folgerichtig Gazet van Antwerpen.
"Es ist das Ende der Gewissheiten", analysiert De Tijd in ihrem Leitartikel. Viele westliche Regierungen stellen sich auf unruhige Zeiten ein. Pessimismus ist Trumpf. Es sind vor allem die hohen Energiepreise, die dunkle Schatten auf die europäische Zukunft werfen. Unmittelbare Ursache dafür ist natürlich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Hinzu kommt aber, dass Europa offensichtlich nicht von fossilen Energieträgern loskommt.
Resultat: Wie schon bei der Ölkrise in den 1970er Jahren ist es auch diesmal wieder ein böses Erwachen für den alten Kontinent. Die Lektionen von damals hat man vergessen. Geopolitik drehte sich schon immer und dreht sich nach wie vor in erster Linie um Energie. Dabei darf man nicht vergessen, dass wir parallel zur aktuellen Energiekrise auch noch mit einer Klimakrise konfrontiert sind. Deren Auswirkungen haben wir in diesem Sommer auch noch einmal schmerzlich erfahren müssen. Wie gesagt: das Ende der Gewissheiten.
Der Werkzeugkasten ist fast leer
Wieder einmal befindet sich die Europäische Union in einem Würgegriff, stellt auch De Morgen fest. Diesmal ist die Ursache nicht ein plötzlicher Zustrom von Flüchtlingen oder eine neue Euro-Krise oder eine Pandemie oder die Abspaltung eines Mitgliedstaates. Diesmal ist es ein Energieschock. EU-Länder stellen sich auf mögliche Energieengpässe und zu erwartende Preisrekorde ein. Doch die Zeit für vorbereitende Maßnahmen ist so gut wie aufgebraucht.
Natürlich wurden da Fehler gemacht. Der größte Irrtum war wohl die naive Idee, sich von der Kernenergie verabschieden zu wollen. Viele Instrumente haben die Regierungen jedenfalls nicht mehr in ihren Werkzeugkästen. Allenfalls wird man den Bürgern dabei helfen müssen, mit der zur Verfügung stehenden Energie sparsamer und effizienter umzugehen.
Auslöser der aktuellen Misere ist vor allem der Krieg in der Ukraine. "Und doch halten belgische Unternehmen an ihren russischen Fabriken fest", so die anklagende Schlagzeile auf Seite eins von De Standaard. So will der Bierbrauer AB InBev etwa schon bald mit der Produktion von Leffe-Bier in Russland beginnen.
Prost oder Na sdorowje?
Dass der größte Brauerei-Konzern der Welt jetzt belgisches Abtei-Bier in Russland produzieren will, während der Rest der Welt sich vom russischen Markt zurückzieht, das ist natürlich schwer zu verkaufen, bemerkt das Blatt in seinem Leitartikel. Zwar wird es in der Praxis eine türkische Brauerei sein, die die Produktion in Lizenz übernimmt. AB InBev verdient dafür dennoch keinen Schönheitspreis.
Diese Geschichte steht beispielhaft für das Dilemma, mit dem viele Unternehmen aktuell konfrontiert sind. Auf der einen Seite müsste man sich angesichts der öffentlichen Meinung und der eigenen ethischen Werte schnellstmöglich aus Russland verabschieden. Auf der anderen Seite gehen die Produktionsstätten aber im Falle eines Verkaufs in russische Hände über, wobei sich dann die Frage stellt, ob uns das wirklich dem Frieden näherbringt. Fest steht in jedem Fall, dass Investitionen in Russland zu einem Klotz am Bein werden. Geschäfte in Russland zu machen, das hat keine Zukunft.
An Herausforderungen mangelt es jedenfalls nicht. Deswegen wünscht sich Le Soir denn auch, dass sich die Politik möglichst besonnen aus der Sommerpause zurückmeldet. Denn die alles beherrschende Frage lautet derzeit schlicht und einfach, ob die Vivaldi-Koalition den Winter überstehen wird. So mancher Beobachter hat jedenfalls den jüngsten Vorstoß von Premierminister De Croo genau in diese Richtung gedeutet. Wenn De Croo vor einem schwierigen Winter warnt, dann wende er sich damit nicht etwa an die Bürger, sondern an seine Koalitionspartner. Letztlich wäre das also ein Appell an die Geschlossenheit seiner Regierung.
Mal ehrlich: Wäre es nicht langsam an der Zeit, solch taktisches Geplänkel zu beenden? Die Bürger und Unternehmen dieses Landes müssen jetzt nicht verängstigt, sondern vielmehr begleitet werden. In Krisenzeiten gibt es nichts Schlimmeres, als das Gefühl, vom Staat im Stich gelassen zu werden.
Verarmung der Medienlandschaft
In Flandern wächst derweil die Kritik an der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalt VRT. Die VRT will in ihrem populären Rundfunksender Radio 2 die regionalen Fenster mehr oder weniger abschaffen. Zwischen sechs und acht Uhr morgens wurden bislang in den verschiedenen Provinzen abgekoppelte Programme ausgestrahlt, die eben auf die jeweilige Region zugeschnitten waren.
Hier geht wieder ein Stück regionale Identität verloren, beklagt Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Es ist nun mal so, dass regionale Nachrichten die Menschen mehr als alle anderen betreffen und interessieren. Und es ist eben Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, diese Nachfrage zu stillen. Große Morning Shows mit großen Stars sind vielleicht legitim, aber nicht auf einer regionalen Welle wie Radio 2.
Het Belang van Limburg sieht das etwas nuancierter. Die Welt verändert sich. War der Fokus auf Regionalberichterstattung vor 15 Jahren noch der heilige Medien-Gral, so scheinen sich heute die Interessen verlagert zu haben. Rein betriebstechnisch mag diese Entscheidung also vertretbar sein. Aber allen Pros und Kontras zum Trotz: Die Abschaffung der Regional-Fenster bei Radio 2 ist und bleibt eine weitere Verarmung der Medienlandschaft.
Roger Pint