"Hohe Spritpreise – jeder dritte lässt sein Auto stehen", titelt Het Laatste Nieuws. Und "sechs von zehn Belgiern haben ihre Fahrweise angepasst", schreibt Le Soir auf Seite eins. Beide Zeitungen berufen sich auf eine Studie des Instituts für Straßenverkehrssicherheit Vias. Demnach haben also die hohen Treibstoffpreise tatsächlich Auswirkungen auf das Verhalten vieler Autofahrer.
Dazu passt gewissermaßen die Titelstory von La Libre Belgique: "Die Energieministerin will die Übergewinne der Gas- und Atombranche besteuern", schreibt die Zeitung. Het Nieuwsblad scheint aber schon das Ende der Geschichte zu kennen: "Die Krisensteuer für Engie und Co. ist schon vom Tisch", so die Schlagzeile. Wie die Zeitung berichtet, sieht Finanzminister Vincent Van Peteghem nämlich keine Möglichkeit, eine solche Steuer rechtlich in die Praxis umzusetzen.
Zu früh im Wahlkampfmodus
"Was für eine Farce!", wettert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Monatelang hat die grüne Energieministerin Tinne Van der Straeten eine Übergewinnsteuer für den Energie-Sektor versprochen. Und jetzt, da die Idee plötzlich Gestalt annahm, kriegt sie den juristischen Boden unter den Füßen weggezogen. Natürlich klingt ein solcher Vorschlag wie Musik in den Ohren: Dass der Staat einen Teil der astronomischen Gewinne der Energie-Konzerne abschöpfen könnte, das erscheint als absolut legitim. Nur leider klafft zwischen Traum und Wirklichkeit ein tiefer Graben. Und Frau Van der Straeten hätte das wissen können. Ihr Kollege, Finanzminister Van Peteghem, hat mehrmals auf die rechtlichen Bedenken hingewiesen. Das Ganze reiht sich ein in die nicht enden wollende Serie von Scharmützeln, die sich diese Koalition seit Monaten liefert. Es wäre schön, wenn die Parteien bis zu den Wahlen warten würden, bevor sie in den Wahlkampfmodus gehen.
"Und täglich grüßt das Murmeltier"
Dazu passt die aktuelle Diskussion über die angestrebte Rentenreform. Die Regierungsspitze hat sich in der Nacht wieder nicht auf einen Kompromiss einigen können. Dabei schlagen Experten Alarm: "Finanzierung der Renten in Gefahr: Umfassende Reform ist notwendig", mahnt etwa das GrenzEcho auf Seite eins.
Wir wissen, dass sich die Sozialausgaben um das Jahr 2050 auf ungefähr ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes belaufen werden, führt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel aus. Es sei denn, und darauf hat das Expertengremium nachdrücklich hingewiesen, es kommt eine wirklich entschlossene Rentenreform. Pensionsministerin Karine Lalieux weiß das nur zu gut. Und doch steht ihre Partei, die PS, mit beiden Füßen auf der Bremse und verweigert sich einer echten Reform. Dabei liegt im Augenblick eigentlich nur noch eine Light-Version auf dem Tisch der Regierung, die das Problem der langfristigen Finanzierung der Renten ohnehin nur bedingt lösen würde. Zum Nationalfeiertag am 21. Juli soll eigentlich ein Kompromiss vorliegen. Hier wird ein gesundes Maß an politischem Mut vonnöten sein.
"Und täglich grüßt das Murmeltier", bemerkt auch resigniert Het Laatste Nieuws. Jedes Jahr Anfang Juli präsentiert die sogenannte Vergreisungskommission ihre Renten-Simulationen. Jedes Mal ist die Diagnose beängstigend. Und doch schafft es keine Regierung, hier wirklich mal angenehmere Perspektiven zu schaffen. Ohne die nötigen Reformen gibt's kein Vertun: Die Aussicht sind kleinere Pensionen, und damit sorgen die Politiker heute für die Verarmung einer ganzen Generation. Ist das wirklich solidarisch? Ist das wirklich sozial? Mit hohlen Versprechungen stoppt man die Vergreisung nicht. Wer untätig bleibt, der macht sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig.
Was wir brauchen, ist eigentlich ein breiter Gesellschaftsvertrag, der den kommenden Generationen Garantien und Perspektiven bieten, ist De Standaard überzeugt. Und vor diesem Hintergrund kann man eigentlich nur feststellen, dass die Vivaldi-Regierung das Thema falsch angepackt hat. Die Renten und deren Finanzierung sind ja nur eine von vielen Herausforderungen. Die Koalition hatte sich ja auch eine Reform des Arbeitsmarktes und des Steuersystems vorgenommen. Angesichts dieser hochtrabenden Ambitionen wäre es viel logischer gewesen, all diese Dossiers zusammenzulegen, um ein großes Abkommen auszubrüten. Denn alles hängt mit allem zusammen. Und das erfordert eine globale Vision. Ein wirklich kohärentes Abkommen würde zudem dazu beitragen, das Vertrauen der Bürger in ihre politisch Verantwortlichen wiederherzustellen. Das hat eigentlich oberste Priorität.
Von "1"...
Auf der Titelseite von L'Echo prangt derweil eine große "1", der Euro fällt auf einen Dollar, schreibt das Blatt. De Tijd formuliert es ähnlich: "Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren ist ein Euro wieder einen Dollar wert".
"Ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Neuigkeit?", fragt sich De Tijd in ihrem Leitartikel. Eigentlich ist das eine Medaille mit zwei Seiten. Auf der einen Seite ist ein günstigerer Euro gut für die Exportwirtschaft, auf der anderen Seite ist eine fallende Währung aber auch eine Art Fieberthermometer, das anzeigt, dass der Patient krank ist. Im Grunde ist es ein Zeichen dafür, dass Investoren ihr Vertrauen in Europa verlieren. Eine günstige Währung kann ein Heilmittel sein. Heute ist es ein Zeichen der Schwäche.
... bis zur Unendlichkeit
Viele Zeitungen schließlich blicken ins Weltall. Auf vielen Titelseiten sieht man die ersten Fotos, die das neue Weltraumteleskop James Webb geschossen hat. "Noch nie konnte der Mensch so weit in den Kosmos schauen", schreiben De Standaard und De Tijd.
Im Grunde blicken wir in die Vergangenheit, bemerkt Gazet van Antwerpen in ihrem Kommentar. Das Licht, das James Webb aufgefangen hat, war bis zu 13 Milliarden Jahre unterwegs. Diese Feststellung ruft vor allem Bescheidenheit und Demut hervor. Man wird sich dessen bewusst, wie klein die Erde und ihre Bewohner sind. Und wir sind sehr zufällig entstanden, aus Gas und Materie, die vor Milliarden von Jahren aus galaktischen Katastrophen hervorgegangen sind. Vielleicht können diese Fotos uns dabei helfen, die Einzigartigkeit unserer Welt besser schätzen zu lernen. Angesichts der jetzt schon sichtbaren Folgen des Klimawandels sollten wir mehr denn je begreifen, wie verletzlich wir eigentlich sind.
Roger Pint