"Heute kaum Züge, langsame Postzustellung und kurze Nachrichtensendungen", fasst Het Nieuwsblad auf Seite eins einige zu erwartende Beeinträchtigungen durch die Streikaktionen im Öffentlichen Dienst zusammen. "SNCB: Warum in einigen Provinzen alles stillsteht – trotz des Versprechens eines 'Minimaldienstes'", liest man bei La Libre Belgique. "Es droht Chaos durch den Streik – Warum die Beamten die Arbeit niederlegen", schreibt De Tijd.
Bei diesem Streik gibt es nur Verlierer, ärgert sich Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Ja, die belgische Politik hat in den letzten Jahrzehnten kollektiv versagt. Die sozialistische Gewerkschaft will die Regierungen wachrütteln. Das ist in etwa so sinnvoll, wie einen Komapatienten durch einen kleinen Nadelstich wecken zu wollen: Es wird nichts bringen, null Effekt! Stattdessen bestraft die rote Gewerkschaft vor allem die Bus- und Bahnreisenden, die Gefängnisinsassen und die Schulkinder. Mit einem Nationalen Aktionstag, wie ihn die christlichen und liberalen Gewerkschaften heute veranstalten, hätte die sozialistische Arbeitnehmervertretung genauso auf ihre Beschwerden aufmerksam machen können – ohne dabei Unschuldige zu Opfern zu machen, so die harsche Kritik von Gazet van Antwerpen.
Nicht nur die Motivation der Streikenden ist entscheidend
Seit einigen Tagen stellen sich viele Fragen über die exakten Beweggründe für den Streik, schreibt Le Soir. Welche Schlüssel-Verbesserungen wollen die Streikenden konkret erreichen? An welche Ebene des Landes wenden sie sich mit ihren Forderungen? Der Streik diesen Dienstag wird vor allem als Warnschuss verstanden werden. Denn es brodelt an der Basis, die Gewerkschaften spüren, dass es an der Zeit ist, Präsenz zu zeigen und darauf aufmerksam zu machen, wie angeschlagen sowohl die Angestellten des Öffentlichen Dienstes wie des Privatsektors sind. Die Frage wird aber sein, wer wie darauf reagieren wird. Welchen Spielraum hat die Politik überhaupt? Der heutige Streik betrifft alle Ebenen des Landes, das wird eine mögliche Antwort auf die Forderungen eher unleserlich machen. Letztlich werden es aber vor allem die Föderalregierung und Premierminister Alexander De Croo sein, die den größten Druck spüren werden, um endlich mit einer Strategie für die Kaufkraft der Bürger zu kommen, meint Le Soir.
Die Gewerkschaften haben Recht, wenn sie sagen, dass der Staat einige seiner eigenen Dienste verwahrlosen lässt, gesteht De Tijd zu. Aber gleichzeitig hat unser Land einen nach internationalen Maßstäben recht schwerfälligen und nicht immer sehr effizienten Behördenapparat. Hinzu kommt, dass das Personal des Öffentlichen Dienstes durch seine vorteilhaften Pensionsregelungen und die fast umgehende Indexierung ihrer Löhne zu den privilegierten Gruppen unserer Gesellschaft gehört. Auch das muss man sehen. Mehr Geld ist nicht die Lösung, warnt die Wirtschaftszeitung.
Die Gewerkschaften haben trotz diverser möglicher Kritikpunkte zumindest nicht Unrecht, wenn sie auf die Barrikaden gehen, damit der Öffentliche Dienst seine Aufgaben besser erfüllen kann, findet Het Laatste Nieuws: Denn die Dienste kämpfen mit der Erfüllung ihrer Kernaufgaben: Gerichte, Staatsanwaltschaften, Schulen, Kindergärten, die Bahn – sie alle schlagen schon lange Alarm. Alle, die in diesen Bereichen tätig sind, sollten streiken, weil sie ihren Job mit Herz und Seele und gut machen wollen. Sie sollten streiken, weil sie feststellen, dass dieses Land und seine Behörden versagen. Sie sollten für das Allgemeinwohl streiken, nicht für die eigenen Vorteile – so werden sie das Land hinter sich bringen, empfiehlt Het Laatste Nieuws.
La Dernière Heure ärgert sich vor allem darüber, dass der Streiktag mitten in die Prüfungsperiode der Studenten fällt: Damit eine Bewegung breite Unterstützung findet, ist nicht nur die Motivation der Streikenden wichtig, sondern auch ein adäquates Timing. Die Frage, wie sie bloß pünktlich zu ihren Examen kommen sollen, erhöht den Stress für die ohnehin schon höchst angespannten Studenten nur noch weiter. Das ist sicherlich kein guter Weg, um bei ihnen um Verständnis für die Forderungen der Streikenden zu werben, so La Dernière Heure.
Kampf gegen die Inflation
Neben dem Streik ist vor allem die Rekordinflation heute ein wichtiges Thema: Es ist zu befürchten, dass ein Ende der steigenden Preise noch nicht in Sicht ist, vor allem bei den Nahrungsmitteln, konstatiert De Morgen. Was aber sauer aufstößt, ist, dass einige wenige mächtige Nahrungsmittelriesen jetzt enorme Gewinne einfahren, wie schon die Energiekonzerne vor ihnen. Das unterstreicht einmal mehr, dass Forderungen nach einer Besteuerung von Übergewinnen gar nicht so radikal oder wahnsinnig sind. Es ist nur angemessen, wenn ein Sektor für die Preiskrise, die er mitverursacht, mitbezahlen soll. Der Staat hat die Betriebe mit großzügigen Hilfen während der Pandemie mit über Wasser gehalten – und sie dadurch erst in die Lage versetzt, jetzt wieder fette Gewinne zu machen. Da ist es nur fair, wenn die Wirtschaft sich jetzt dafür revanchiert. Betriebe könnten zum Beispiel mithelfen, die Inflation unter Kontrolle zu bekommen, indem sie ihre Profite begrenzen und Preissteigerungen weniger durchreichen. Das ist sicher kein populärer Standpunkt in diesen Zeiten, in denen wieder so viel gegen die Gewerkschaften gewettert werden darf, aber in der aktuellen Krise können Betriebe Schläge einfach am besten wegstecken, meint De Morgen.
Im Zusammenhang mit der Stärkung der Kaufkraft kritisiert L'Echo die von der Föderalregierung bisher genommenen Maßnahmen: Die aktuellen "gezielten und temporären" Hilfen werden auf Dauer nicht ausreichen, warnt die Zeitung. So wie Schmerzmittel nicht auf Dauer eine echte Behandlung ersetzen können. Die Behandlung der Krankheit besteht in diesem Fall aus strukturellen Maßnahmen. Und hier besteht dringender Handlungsbedarf für die Vivaldi-Regierung, betont L'Echo.
Vollwertiger Regionsstatus gegen Kompetenzwirrwarr
Das GrenzEcho schließlich kommentiert das Kompetenzwirrwarr im Zuge der Verteilung der Finanzhilfen nach der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr. Die Diskussionen um die Ver- und Zuteilung der 25 Millionen aus Namur offenbaren die Notwendigkeit, die Kompetenzverteilung innerhalb der verschiedenen Ebenen und Gliedstaaten so zu regeln, dass die Betroffenen – ob Privatpersonen, Gemeinden oder Betriebe – künftig einen einzigen Ansprechpartner haben. Womit wir zum einen bei der wahrscheinlich anstehenden Fortsetzung der Staatsreform, aber auch bei der Übernahme von wallonischen Regionalkompetenzen durch die DG wären. In beiden Fällen wünscht man sich, dass Kompetenzblöcke in ihrer Gänze von einer einzigen Instanz verantwortet werden. Die DG hat daher ein vitales Interesse daran, den Status einer vollwertigen Vierten Region einzufordern, unterstreicht das GrenzEcho.
Boris Schmidt