"Der Oberste Gerichtshof will das Recht auf Abtreibung infrage stellen", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Schaffen die USA das Recht auf Abtreibung ab?", titelt De Morgen. "Abtreibung – Ein Recht in Gefahr in den USA", so die Schlagzeile von Le Soir.
US-Medien sind in den Besitz eines Entwurfs gelangt, demzufolge der Oberste Gerichtshof die Absicht hat, das Recht auf Abtreibung zu kippen. Diese Meldung hat in den USA ein politisches Erdbeben ausgelöst. "Sind die USA noch ein freies Land, wenn Abtreibung verboten wird?", fragt sich schon die Zeitung De Standaard.
"Hier geht es um Menschenleben", bemerkt dazu De Morgen. Besser gesagt um Frauenleben. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO belegt, dass die Zahl der Abtreibungen in Ländern, wo die Prozedur legal ist, vergleichbar ist mit Ländern, in denen sie illegal ist. Das bedeutet: Abtreibungen zu verbieten, verhindert keine Abtreibungen. Aber in Ländern, wo die Praxis illegal ist, kosten unsachgemäß durchgeführte Abtreibungen pro Jahr 30.000 Frauen das Leben. Hinzu kommt: Oft ist ein Verbot von Abtreibungen nur der Anfang. Danach sind häufig die Einschränkung des Wahlrechtes oder der Rechte sexueller Minderheiten an der Reihe. Wie sagte schon Simone de Beauvoir: "Vergesst nicht! Es genügt eine politische, ökonomische oder religiöse Krise - und schon werden die Rechte der Frauen wieder infrage gestellt. Diese Rechte sind niemals gesichert."
Immer mehr Amtsträger Zielscheibe von Hass
"Die kommunalen Amtsträger haben die Nase voll", so derweil heute die Aufmachergeschichte von L'Avenir. In dieser Legislaturperiode sind in der Wallonie schon 30 Bürgermeister und 150 Schöffen von ihren Ämtern zurückgetreten. Grund ist oft, dass sie dem hohen Arbeitsdruck nicht standhalten und auch immer häufiger mit Anfeindungen von Bürgern konfrontiert werden. Das geht mitunter bis zur Androhung körperlicher Gewalt.
Viele Bürger blicken in diesen Zeiten mit Argwohn auf ihre gewählten Volksvertreter, meint nachdenklich La Libre Belgique. Klar, Kritik ist erlaubt. Mehr noch: Meinungsverschiedenheiten liegen in der Natur der Sache, zumal in einer Demokratie. Doch werden da inzwischen viel zu häufig die Grenzen überschritten. Vor allem das Internet und insbesondere die Sozialen Netzwerke haben dafür gesorgt, dass alle Schleusentore sperrangelweit offenstehen, ohne Filter. Kritik verwandelt sich in Nullkommanix in Beleidigung, in Belästigung, in verbale, manchmal sogar körperliche Gewalt. Und ob sie es nun zugeben wollen oder nicht: Das alles zermürbt auf Dauer die politischen Mandatsträger. Vielleicht haben wir nicht die Politiker, die wir verdienen. Aber diese Menschen sind gewählt. Und gerade in diesen schwierigen Zeiten gehören diese Frauen und Männer respektiert.
"Denn wer will noch nach der nächsten Wahl den Stab übernehmen?", fragt sich L'Avenir. Wer will noch eine Krise nach der anderen managen, Tag und Nacht auf der Brücke stehen und sich dann auch noch von morgens bis abends beschimpfen lassen? Die übergeordneten Behörden, im vorliegenden Fall die Wallonie, müssen die kommunalen Verantwortungsträger schnellstens an die Hand nehmen, sie begleiten, unterstützen und schützen.
Das Problem mit dem Arbeitskräftemangel
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit dem grassierenden Arbeitskräftemangel. Das Ganze nimmt bedrohliche Ausmaße an, kann Het Laatste Nieuws nur feststellen. Beispiel: Am Landesflughafen in Zaventem gibt es 1.200 offene Stellen. Jeder, der Arme, Beine und Ohren hat, ist herzlich willkommen. Und doch findet der Brussels Airport keine Leute. Wenn das so weiter geht, dann passiert bald das gleiche wie in Schiphol: Dann bricht alles zusammen und die Reisenden müssen dann viel Geduld mitbringen. Und das ist nur eins von vielen Beispielen. In diesem Land arbeiten nicht genug Menschen. Stolze 1,3 Millionen Frauen und Männer im erwerbsfähigen Alter bleiben unter dem Radar: Sie sind weder erwerbstätig noch arbeitslos. Das sind im internationalen Vergleich viel zu viele. Dieses Problem muss schnellstens angepackt werden.
Und hier schneidet Flandern außergewöhnlich schlecht ab, hakt Het Belang van Limburg ein. Von den 1,3 Millionen Nichterwerbspersonen zwischen 25 und 64 Jahren leben mehr als die Hälfte im nördlichen Landesteil. Das ist beschämend, vor allem für eine Region, die sonst keine Gelegenheit auslässt, um mit dem anklagenden Finger auf andere zu zeigen. "Wir werden beweisen müssen, dass wir das, was wir selbst tun, besser machen", hat Gaston Geens einst gesagt. Es wird höchste Zeit, dass wir uns an diese Worte noch einmal erinnern.
Fed erhöht Leitzins
De Standaard beschäftigt sich schließlich mit der großen Geldmarktpolitik. Die amerikanische Notenbank wird erstmals seit über 20 Jahren ihren Leitzins gleich um einen halben Prozentpunkt anheben. Anders gesagt: Die Zeit der Niedrig- oder gar Negativzinsen ist wohl vorbei. Die Fed will mit ihrem Schritt wohl die Inflation eindämmen. Die Spätfolgen der Pandemie und vor allem der russische Angriffskrieg in der Ukraine werfen aber einen düsteren Schatten auf die aktuelle wirtschaftliche Lage. Nach der anfänglichen Euphorie wächst die Gefahr einer schweren Rezession. In den letzten 20 Jahren ist es den Zentralbanken gelungen, die aufeinanderfolgenden Krisen besonnen und souverän unter Kontrolle zu halten. Nicht zuletzt deswegen genießen sie eine hohe Glaubwürdigkeit. Die Herausforderung, vor der sie jetzt stehen, ist aber die größte.
Roger Pint