"Macron oder Le Pen – Frankreich wählt", titelt De Standaard. "Spannung in Frankreich", heißt es im Aufmacher von De Morgen. "Französische Wähler entscheiden auch über das Schicksal von Europa", notiert Het Belang van Limburg auf Seite eins. Die Stichwahl bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich zwischen Amtsinhaber Emmanuel Macron und der rechtsradikalen Marine Le Pen ist neben vielen Aufmachern auch Thema in den Leitartikeln.
Le Soir prophezeit: Wenn nicht noch in letzter Minute eine große Überraschung passiert, müsste Macron die Wahl eigentlich gewinnen. Es wäre eine riesige Erleichterung, wenn Frankreich Marine Le Pen verhindern würde. Sie als Präsidentin von Frankreich würde angesichts des Kriegs in der Ukraine Europa in ein Chaos mit ungewissem Ausgang stürzen, glaubt Le Soir.
"Von Paris im Stich gelassen"
La Libre Belgique kommentiert: Le Pen und ihre Partei sind gegen das Europa in seiner heutigen Form. Ihre Vision: Zuerst die eigene Nation, dann ein Europa der Nationalstaaten. Die Regierungschefs in Ungarn und Polen würden applaudieren, denn sie würden in Le Pen eine Verbündete finden, um den Rechtsstaat einzureißen, Grundrechte einzuschränken und Opposition zu unterdrücken. Le Pen bleibt eine rechtsradikale Politikerin, die letztlich nur an die Nation und das Recht des Stärkeren glaubt. Wozu das führt, weiß Europa nur allzu gut, erinnert La Libre Belgique.
De Morgen weiß: Dass es überhaupt noch so eng zugeht in den Umfragen und der Wahlausgang bis zum Schluss ungewiss bleibt, hat sich Macron selbst zuzuschreiben. Zwar hat er eine beachtliche Außenpolitik geführt und Frankreich relativ gut durch die Krisen der vergangenen Jahre gebracht. Aber er hat vergessen, sich um die Kleinen zu kümmern. Eine immer größer werdende Gruppe von Franzosen, auch in kleinen Städten und in der Mittelschicht, fühlt sich von "Paris" im Stich gelassen, analysiert De Morgen.
De Standaard blickt bereits sorgenvoll in die Zukunft und meint: Wenn Macron morgen gewinnen sollte, liegt das auch an der Situation der französischen Parteienlandschaft. Nach der Implosion der traditionellen Parteien gibt es in Frankreich zurzeit außer Macron niemanden, der noch die demokratischen Kräfte repräsentiert. Macron muss daran arbeiten, einen Nachfolger in seiner eigenen Partei aufzubauen oder in der Opposition zuzulassen, der in fünf Jahren eine Chance gegen die extremen Kräfte in Frankreich hat. Denn in fünf Jahren wird Macron selbst nicht mehr antreten dürfen. Spätestens dann droht Frankreich Chaos, wenn sich nichts ändert, befürchtet De Standaard.
Ein Verbot von gestern?
La Dernière Heure interessiert sich für den so genannten Cordon sanitaire, nachdem der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez am Donnerstagabend im flämischen Fernsehen mit dem Vorsitzenden des rechtsradikalen Vlaams Belang, Tom Van Grieken, debattiert hat. La Dernière Heure urteilt: Natürlich ist das ein Bruch des Cordon sanitaire, ein Bruch des selbstauferlegten Verbots, mit Vertretern rechtsradikaler Parteien zu diskutieren. Doch ist dieses Verbot noch zeitgemäß? Die Parteien hatten sich darauf erstmals 1999 geeinigt. Mittlerweile sind wir im digitalen Zeitalter angekommen. Auch rechtsradikale Parteien nutzen diese Kanäle, die es vor mehr als 20 Jahren noch kaum gab. Ihre Botschaften können auf diese Weise ungefiltert zu den Empfängern gelangen. Wäre es da nicht gut, dem etwas entgegenzuhalten? Auch durch direkte Konfrontationen in Debatten?, gibt La Dernière Heure zu bedenken.
Reuzegom – alles andere als verantwortungsvoll
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich mit dem Prozessauftakt gegen 18 Mitglieder des Studentenclubs Reuzegom. Sie sind wegen des Todes des 20-jährigen Studenten Sanda Dia angeklagt. Der war an den Folgen seiner Studententaufe gestorben, mit der er in den Studentenclub aufgenommen werden sollte. Die Zeitung schreibt: Was man da gestern im Gerichtssaal von den Prüfungen der Taufe gehört hat, ist erschreckend. Jemanden stundenlang unterkühlt in ein selbstgegrabenes Loch zu setzen und ihn literweise Fischöl trinken zu lassen, ist keine Jugendsünde, sondern psychopathisches Verhalten. Dabei sind die Mitglieder von Reuzegom stolz darauf, zur künftigen Elite des Landes zu gehören. Aber was werden das für Führungskräfte werden, die sich einfach nur kaputtlachen, wenn jemand bewusstlos auf dem Boden vor ihnen liegt? Mit den Praktiken ihrer Taufrituale haben sie deutlich gezeigt, dass sie alles andere als verantwortungsvoll sind. Solche Menschen in Führungspositionen kann man sich nicht wünschen, betont Het Laatste Nieuws.
Das GrenzEcho kommt auf den zeitweiligen Rücktritt von Außenministerin Sophie Wilmès zurück und führt aus: Die Gründe für ihre Auszeit sind privater Natur und damit nicht zu diskutieren. Diskutabel ist allerdings, ob es in der aktuellen Situation nicht besser gewesen wäre, Platz für jemand anderen zu machen. Denn die Doppelbelastung ihres Premiers in einer Zeit, in der in Europa Krieg herrscht und in der es gilt, wichtige innenpolitische Weichen zu stellen, könnte dem Land auf die Füße fallen, warnt das GrenzEcho.
Kay Wagner