"Größte Lohnsteigerung in zehn Jahren", so der Aufmacher bei De Standaard. "Die Löhne steigen noch mehr, die Preise leider auch", ergänzt Het Laatste Nieuws. "Die Inflation gerät außer Kontrolle, die Löhne steigen, die Unternehmen werden unruhig", fasst die Wirtschaftszeitung L'Echo zusammen.
Der Index ist im November um beinahe sechs Prozent gestiegen, schreibt De Standaard. So etwas hat es in den letzten 30 Jahren nur wenige Male gegeben, und auch dann nur für kurze Zeit.
Auch jetzt gibt es Erklärungsansätze, die darauf hoffen lassen, dass es sich um ein Phänomen kurzer Dauer handeln wird. Hier sind vor allem die Corona-bedingten Kapriolen bei Angebot und Nachfrage hervorzuheben. Wie lange das noch dauern wird, weiß allerdings niemand.
Belgien ist aufgrund seines Systems der automatischen Anpassung der Löhne besonders anfällig für eine Spirale steigender Löhne und Preise. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Vivaldi-Regierung an diesem Wettbewerbsnachteil rütteln wird, ist allerdings gering. Damit haben wir weniger Möglichkeiten zum Eingreifen und damit für Mäßigung und um uns eine Atempause zu erkaufen als unsere Nachbarländer, meint De Standaard.
Brauchen wirklich alle die Lohnanpassung?
Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen, erinnert L'Echo. Wäre es angesichts der aktuellen Entwicklungen also nicht an der Zeit, mal über die famose automatische Indexanpassung der Löhne zu sprechen? Sie abzuschaffen wäre allerdings ein gefährlicher Schritt, denn man darf nicht vergessen, dass es sich um ein wichtiges Unterpfand für den sozialen Frieden im Land handelt. Sie erlaubt, die Kaufkraft der Bürger zu erhalten oder zumindest ihr Schrumpfen zu begrenzen. Denn auch sie sind natürlich mit den steigenden Preisen konfrontiert, nicht nur die Unternehmen.
Dennoch sei die Anmerkung erlaubt, dass die automatische Indexanpassung aktuell für alle gilt und dass es sich um eine prozentuale Lohnsteigerung handelt. Es besteht kein Zweifel daran, dass gerade die niedrigen Einkommen absolut auf diesen Mechanismus angewiesen sind. Was die hohen und sehr hohen Einkommen betrifft, kann man sich aber durchaus die Frage stellen, inwiefern das zutrifft, so L'Echo.
Das Pokerspiel der EZB
Bei der Europäischen Zentralbank EZB ist man sich sicher, dass der Höhepunkt der Inflation bereits erreicht ist oder kurz bevorsteht, merkt das GrenzEcho an. Man möchte den Experten wünschen, dass sie Recht mit ihrer Prognose behalten. Allein schon aus Sorge um den eigenen Geldbeutel. Denn niedrige Zinsen bei hoher Inflation lassen den Wert der Einlagen bei der Bank schmelzen wie den ersten Schnee.
Die Europäische Zentralbank steht vor einer schwierigen Aufgabe, analysiert De Tijd: Einerseits darf sie die Inflation nicht aus dem Ruder laufen lassen. Andererseits darf sie durch Zinserhöhungen auch nicht die wirtschaftliche Erholung nach Corona gefährden. Hier kommen gerade erschwerend die vierte Welle und die große Unsicherheit rund um die neue Omikron-Variante hinzu.
Die EZB hat sich entschieden abzuwarten, weil sie glaubt, dass es sich um ein temporäres Phänomen handelt. Damit pokert sie. Sie sollte auch Inflationsszenarios berücksichtigen, die ihr weniger wahrscheinlich scheinen, fordert De Tijd.
Zähne für die Wachhunde
Hohe Wellen schlägt derweil vor allem im Norden des Landes der Betrugsverdacht bei der flämischen Corona-Kontaktnachverfolgung. Ein Callcenter-Betreiber soll systematisch der Regionalregierung Arbeitszeit für Mitarbeiter in Rechnung gestellt haben, die in Wahrheit für Privatkunden andere Tätigkeiten durchgeführt haben sollen. Es soll um viele tausend Stunden und einen Schaden von möglicherweise über einer Million Euro gehen.
Für Het Nieuwsblad ist die ganze Kontaktnachverfolgung eine endlose Seifenoper. Der aktuelle Betrugsverdacht reiht sich ein in eine ganze Serie von Fehlern und Versäumnissen. Zu einem schlechteren Zeitpunkt hätten die Enthüllungen aber kaum kommen können für die flämischen Verantwortlichen.
Wegen der gefürchteten neuen Variante wäre eigentlich eine viel intensivere und bessere Überwachung und Kontaktnachverfolgung notwendig. Die Bürger werden täglich dazu aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen. Wie wäre es denn dann, wenn die Politik mehr Verantwortung übernehmen würde?, giftet Het Nieuwsblad.
Politiker müssen lernen, weniger naiv zu sein, wettert auch Het Belang van Limburg in diesem Kontext. Den Betreibern der Callcenter hätte viel strenger auf die Finger geschaut werden müssen. Erste zu ziehende Lehre für die Verantwortlichen: Eine Krise macht aus Teufeln keine Engel. Auch nicht, wenn es sich um eine Gesundheitskrise handelt.
Es scheint ja ein Kinderspiel zu sein, die Behörden übers Ohr zu hauen, urteilt Het Laatste Nieuws. Als Entschuldigung führen die politisch Verantwortlichen oft an, dass sie ja nicht die Mittel haben, um alles zu kontrollieren.
Warum ist denn jahrzehntelang bei den Diensten zur Betrugs- und Korruptionsbekämpfung gespart worden? Gebt den Wachhunden Zähne, um beißen zu können!
Ein Staat, der seinen Bürgern Monat für Monat die Hälfte ihres Einkommens wegnimmt, der bei Erbschaften kräftig zulangt, der andauernd neue Steuern erfindet, so ein Staat hat die verdammte Pflicht, zumindest alles dafür zu tun, damit das Steuergeld danach auch korrekt verwendet wird. Ein Staat, der unser Steuergeld nicht schützen kann, verdient es vielleicht gar nicht, donnert Het Laatste Nieuws.
Boris Schmidt