wenige Stunden bevor der königlichen Vermittler Johan Vande Lanotte sein Kompromisspapier vorlegen soll.
Weitere Themen sind der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, die Aussagen des Papstes über den Gebrauch von Präservativen und der Mobbingskandal im Unternehmen MACtac.
Der irische Strudel
"Die irische Krise brodelt weiter, trotz des Rettungspakets", titelt heute De Tijd. La Libre Belgique stellt sich auf Seite 1 schon die bange Frage: "Kommt nach Irland nun Portugal an die Reihe?"
Die EU schnürt in aller Eile ein Rettungspaket für das krisengeschüttelte Irland. An den Finanzmärkten hatte das aber allenfalls die Wirkung eines Strohfeuers, konstatiert La Libre Belgique. Nach der Ankündigung einer Rettungsaktion gab es an den Börsen zunächst einen leichten Aufwind, bei Handelsschluss standen vor allem die europäischen Finanzplätze dann aber geschlossen im Minus. Dies wohl auch aus Angst, dass nach Irland nun Portugal in einen Abwärtsstrudel gerade könnte.
Konstruktionsfehler?
Wer ist das nächste Ziel, fragt sich De Tijd in ihrem Leitartikel. Portugal oder vielleicht schon Spanien? Die Finanzkrise hat die Konstruktionsfehler des Euro offengelegt: Die Gemeinschaftswährung ist allein ein politisches Projekt, ihr fehlt der wirtschaftliche Unterbau. Noch könnte man hier nachbessern, indem etwa die Euro-Staaten ihre Wirtschaftspolitik verstärkt zusammenlegen. Die Frage ist nur, ob es dafür ausreichend politischen Willen gibt.
Le Soir beurteilt die jüngsten Entwicklungen eher positiv. Europa hat zweifelsohne aus der griechische Krise gelernt. Schließlich gibt es jetzt den Euro-Rettungsschirm, zudem haben sich die EU-Staaten auf eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit verständigt. Die Krisen um Griechenland und Irland haben Europa näher zusammenrücken lassen und stärker gemacht.
Vande Lanotte - mission impossible?
In der Brüsseler Rue de la Loi rückt indes die Stunde der Wahrheit näher. Der königliche Vermittler Johan Vande Lanotte soll heute Abend ein Kompromissvorschlag vorlegen, der die Grundzüge eines neuen Finanzierungsgesetzes beinhalten soll. Die Frage ist, ob alle Parteien bereit sind, auf dieser Grundlage wieder ihre Verhandlungen über eine neue Staatsreform aufzunehmen.
"Kann Vande Lanotte das, was andere nicht konnten?", fragt sich in diesem Zusammenhang Het Belang van Limburg. Im Moment sieh es jedenfalls nicht gut aus. Vor allem die flämisch-nationalistische N-VA scheint sich schon innerlich auf Neuwahlen einzustellen.
Das W-Wort
Die Zeitung Le Soir hat mitgezählt: Fünf mal hat N-VA-Chef Bart De Wever in kürzester Zeit in einem VRT-Interview das Wort "Wahlen" in den Mund genommen. Das berühmte Wort mit W. Noch vor einem Monat wollte es niemand aussprechen, bemerkt De Standaard. Jetzt machen vorgezogene Wahlen offensichtlich schon niemandem mehr Angst. PS-Chef Elio Di Rupo hat es jetzt in der Hand: Entweder er entscheidet sich endlich für Veränderung, oder das Land versinkt noch tiefer im Morast.
De Morgen sieht das Problem eher bei der N-VA. Längst bereiten die flämischen Nationalisten die öffentliche Meinung auf Neuwahlen vor. Die Situation spielt der N-VA ohnehin in die Karten. Jeder Tag erbringt den Beweis, dass Belgien scheinbar nicht mehr funktioniert. Die Frage ist, ob die anderen Parteien sich so mir nichts dir nichts in dieses Szenario einbinden lassen. Die N-VA kann schließlich nicht alleine Neuwahlen ausrufen.
Längst stellt sich nur noch die Frage, wer am Ende den Schwarzen Peter in Händen hält, glaubt indes Gazet van Antwerpen. Eins ist sicher: Wenn die Verhandlungen diese Woche nicht wieder in Gang kommen, dann führt wohl kaum ein Weg an Neuwahlen vorbei.
Die Strategie der N-VA ?
Für La Dernière Heure will die N-VA die Flucht nach vorn antreten. Erstens: Man will erst gar nicht über einen Kompromissvorschlag verhandeln, der nicht aus der eigene Feder stammt, und zweitens, insbesondere nach der VRT-Fernsehsendung vom Sonntag fürchten die Nationalisten wieder, im politischen Spektrum isoliert und in die Vlaams Belang-Ecke geschoben zu werden.
Sabotage durch die Kirche?
Fast alle Zeitungen berichten heute auch über den Beginn der Arbeiten des parlamentarischen Sonderausschusses, der sich insbesondere mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche befassen soll. Als erster sagte Rik Devillé, Priester im Ruhestand, vor dem Gremium aus. Devillé untersucht schon seit Jahren quasi auf eigene Faust Vorwürfe von sexuellen Übergriffen durch Priester. Wie De Morgen auf seiner Titelseite hervorhebt, beschuldigt Devillé die katholische Kirche, systematisch die gerichtlichen Ermittlungen in diesen Akten sabotiert zu haben.
Die hohe Kunst der Kommunikation
Einige Zeitungen kommen noch einmal auf die Aussagen des Papstes über den Gebrauch von Kondomen zurück. Benedikt XVI. hatte ja erklärt, dass der Gebrauch von Kondomen in gewissen Ausnahmefällen toleriert werden könne. Von einem Kurswechsel kann hier aber keine Rede sein, notiert dazu das Grenz-Echo in seinem Leitartikel. Hier handelt es sich allenfalls um einen rhetorischen Kniff. Im Wesentlichen bleibt alles beim Alten. Gelernt hat der Vatikan allerdings inzwischen, im heutigen Medienzeitalter effizient zu kommunizieren.
Mobbing und Kündigungsschutz
Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad beleuchten heute noch einmal den spektakulären Mobbingfall beim Unternehmen MACtac in Soignies. Dort waren mindestens zwei Mitarbeiter über Jahre hinweg regelrecht gefoltert worden. Einer der Täter steht aber unter faktischen Kündigungsschutz, da er für einen Posten als Gewerkschaftsdelegierter kandidiert. Beide Blätter kommen zum selben Schluss: Es wäre falsch, die Affäre zum Anlass zu nehmen, um den Schutz von Arbeitnehmervertretern aufzuweichen. Allerdings bedeutet Schutz nicht Unantastbarkeit.
Bild: belga